Alexei Nawalny: Mord auf Raten
Die Nachricht vom Ableben des bekanntesten russischen Oppositionellen Alexei Nawalny am 16. Februar hat weltweit Bestürzung ausgelöst. Die genauen Todesumstände bleiben unklar, da die offizielle Mitteilung der russischen Gefängnisverwaltung nur wenige Details preisgibt. Eines steht aber jetzt schon fest: Der Hauptverantwortliche für seinen Tod heißt Wladimir Putin.
Nawalny, der 2011 die „Stiftung für Korruptionsbekämpfung“ gründete und damit zu einem Dorn im Auge Putins wurde, deckte fortlaufend Korruption und staatliche Willkür in Russland auf, bevor die Institution von russischer Seite als „extremistisch“ eingestuft wurde. Für große Aufregung sorgte beispielsweise die Nachricht des Baus von Putins Palast am Schwarzen Meer, den er sich für rund 1,1 Milliarden Euro mit Steuergeld finanziert haben soll.
Nawalnys politischer Aufstieg, gekennzeichnet durch ein beachtliches Wahlergebnis als Kandidat für das Amt des Moskauer Bürgermeisters und den Versuch, bei den Präsidentschaftswahlen 2018 anzutreten, führte sukzessive zu seiner Brandmarkung als Staatsfeind Nummer eins.
Wer sich für Demokratie in Russland einsetzt, muss um sein Leben fürchten
Nawalnys Einsatz für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland machte ihn zur Zielscheibe. Seine Opposition gegen die undemokratischen Zustände und seine Forderungen nach einem Demokratisierungsprozess stellten eine direkte Bedrohung für Putins Machtposition dar. Im August 2020 überlebte Nawalny nur knapp einen Mordanschlag, bei dem das Nervengift „Nowitschok“ eingesetzt wurde. Wegen der mangelnden Aufklärung des Giftanschlags wurde Russland durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in weiterer Folge zu einer Geldstrafe verurteilt.
Nachdem Nawalny sich von diesem politischen Attentat in der Berliner Charité erholt hatte, ließ er sich nicht von einer Rückkehr nach Russland abbringen, obwohl die Rechercheplattform Bellingcat wenige Monate später nachweisen konnte, dass der russische Geheimdienst hinter dem Anschlag auf Nawalny steckte. Dieses Attentat reihte sich in eine Serie ungeklärter Vorfälle mit Kremlkritikern ein, darunter die tote Journalistin Anna Politkowskaja und der vergiftete ehemalige Spion Alexander Litwinenko. Beide starben unter mysteriösen Umständen, und in beiden Fällen wurde eine Verwicklung des russischen Staats vermutet bzw. nachgewiesen.
Der russische Unrechtsstaat
In Russland gelandet, wurde Nawalny wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen aus einer vorangegangen Verurteilung und wegen vermeintlichen Betrugs in Untersuchungshaft genommen und später zu mehrjähriger Lagerhaft verurteilt. Die Inhaftierung Nawalnys fußte auf einem Urteil, für das Russland schon 2017 vom EGMR zu 55.000 Euro Schadenersatz verurteilt wurde.
Nawalnys Haftbedingungen waren von Beginn an menschenunwürdig. Berichte über Schlafentzug, Folter und die Verweigerung medizinischer Behandlung zeichneten das Bild eines russischen Unrechtsstaats. Trotz heftiger internationaler Kritik wegen Nawalnys Inhaftierung verschlechterten sich seine Haftbedingungen stetig. Er wurde unter verschärften Bedingungen zu weiteren Jahren Lagerhaft verurteilt und in eine Strafkolonie verlegt, wo er unter demütigenden „Erziehungsmaßnahmen“ litt und wiederholt in Isolationshaft genommen wurde.
Die letzte Verurteilung im August 2023 zu einer Gesamthaftdauer von 19 Jahren wegen angeblicher Extremismusvorwürfe und der Verbreitung von „Nazi-Ideologie“ mündete in der Verlegung in eine der härtesten Gefängniszellen Russlands, wo Insassen Berichten zufolge erniedrigt, gefoltert und vergewaltigt werden. Die Verhaftung seiner Anwälte im Oktober 2023 und Nawalnys anschließende Verlegung in eine nordwestsibirische Strafkolonie ohne Benachrichtigung seiner Familie oder Anwälte verdeutlichten die zunehmende Isolation und das repressive staatliche Vorgehen gegen ihn.
„Gebt mir Freiheit oder gebt mir den Tod!“
Mit dem Tod Nawalnys, kurz vor den russischen Präsidentschaftswahlen, wollte Putin vermutlich ein Exempel statuieren, um Oppositionelle einzuschüchtern und potenzielle Proteste zu unterdrücken. Die Wiederwahl wäre ihm ohnedies gesichert gewesen, zumal der vielversprechendste Herausforderer Boris Nadeschdin nicht zur kommenden Wahl zugelassen wurde. Das Spiel beginnt also von vorne – und Putin wird „wiedergewählt“ werden.
Nawalny hat für seinen Kampf für die Freiheit und Demokratie Russlands mit seinem Leben bezahlt. Seine Stimme war die lauteste gegen das verbrecherische System Putins. Sie ist nun für immer verstummt, aber man kann nur hoffen, dass an ihrer Stelle andere erschallen. Möge dies schon bald der Fall sein.