Baku und die Klimakrise: Nichts zu holen am Kaspischen Meer?
Baku: Kaspisches Meer, historisches Zentrum, glänzende Skyline, finanziert durch fossile Exporte nach Russland und Europa. Sagen wir so: Nicht der erste Ort, der einem für eine Weltklimakonferenz in den Sinn kommt.
Wenn die Welt in den kommenden Wochen auf die 29. UN-Klimakonferenz (COP29) blickt, klingt das eher nach „business as usual“ als nach einem Paradigmenwechsel in Sachen Klimapolitik. Ab dem 11. November trifft sich die Weltgemeinschaft in der Hauptstadt Aserbaidschans – einem Land, das zwar für seine fossilen Energieressourcen bekannt ist, aber sicher nicht als Vorreiter in Sachen Emissionsreduktion gilt. Statt um ehrgeizige Klimamaßnahmen geht es auch diesmal vor allem um eines: Geld. Die „Financing COP“ steht vor der Tür.
Gastgeber Aserbaidschan: Symbolik oder Widerspruch?
Dass die Klimakonferenz in Aserbaidschan stattfindet, löst bei vielen Verwunderung aus. Das Land, dessen Wohlstand stark von fossilen Brennstoffen abhängt und das nicht gerade für seine umweltfreundliche Politik bekannt ist, scheint nicht die beste Bühne für ernsthafte Klimagespräche zu sein. Für viele Umweltgruppen und Aktivist:innen steht der Konferenzort in krassem Widerspruch zu den Klimazielen. Zudem belastet der jahrzehntelange Konflikt mit Armenien um die Region Bergkarabach das Image des Landes. In den letzten Jahren eskalierten die Spannungen erneut, als die aserbaidschanische Armee militärische Erfolge erzielte, die international zum Teil heftige Kritik auslösten. Vor diesem Hintergrund erscheint Aserbaidschan als Gastgeber der COP29 wie ein Widerspruch in sich: Ein Land, das auf fossile Energieträger setzt, Menschenrechtsprobleme ignoriert und sich in einem Dauerkonflikt mit einem Nachbarn befindet, bietet kaum die idealen Voraussetzungen für offene und konstruktive Klimagespräche.
Der Rahmen des Machbaren
Die Notwendigkeit der Klimafinanzierung ist unbestritten. Einige NGOs haben im Vorfeld der COP29 ehrgeizige Vorschläge zur Reorganisation der Klimafinanzierung auf den Tisch gelegt: von einer globalen Steuer auf fossile Brennstoffe bis hin zu Abgaben für Vielflieger:innen. Ob sich Staaten wie die USA, Saudi-Arabien oder Aserbaidschan auf solche Maßnahmen einlassen? Das bleibt fraglich.
Oberstes Ziel der diesjährigen COP ist die Verabschiedung des neuen kollektiven Klimafinanzierungsrahmens (NCQG), der den bisherigen – nie wirklich erreichten – jährlichen Beitrag von 100 Milliarden US-Dollar ablösen und das Volumen der Klimafinanzierung deutlich erhöhen soll. Um den UN-Modellrechnungen zu entsprechen, müssten die Finanzmittel fast verzehnfacht werden: Ab 2025 wird ein jährlicher Bedarf von rund 1,1 Billionen US-Dollar für die Entwicklungsländer prognostiziert, der bis 2030 auf rund 1,8 Billionen US-Dollar ansteigen könnte. Aber wenn selbst die ehrgeizigsten Industrieländer ihre großspurigen Ankündigungen bisher nie eingehalten haben, wie realistisch ist es dann, dass jährlich eine Billion Dollar in den Kampf gegen den Klimawandel fließen? Klar ist, dass die Mittel aufgestockt und die Bedürfnisse der Staaten, die an vorderster Front der Klimakrise stehen, stärker berücksichtigt werden müssen.
Wer blockiert hier wen?
Die COP steht unter Druck: Endlich sollen Fortschritte bei der Emissionsreduktion und der Klimafinanzierung gelingen. Doch die politischen Realitäten und die wirtschaftlichen Interessen vieler Akteure dämpfen die Erwartungen. Zahlreiche Entscheidungsträgerinnen und Wirtschaftsvertreter haben zwar ihre Teilnahme angekündigt, doch viele sind weniger am Klimaschutz als an lukrativen Investitionsmöglichkeiten interessiert. So wird Baku für große Investmentgesellschaften aus der ganzen Welt zu einem attraktiven Treffpunkt – aber vielleicht weniger für ernsthafte und nachhaltige Klimaschutzmaßnahmen. Auch unter den weltweit größten Emittenten herrscht offenbar wenig Enthusiasmus. Auf der Liste der angekündigten staatlichen Vertreter:innen fehlen glänzende Staatsoberhäupter. Indiens Premierminister Modi, Frankreichs Präsident Macron und Chinas Staatschef Xi werden der Veranstaltung wohl fernbleiben. Auch US-Präsident Biden hat bereits verkündet, dass er nicht nach Baku reisen wird – ein klares Signal für die Erwartungen an die COP. Letztlich zeigt sich hier ein altbekanntes Muster: Klimaschutz ist oft nur so stark, wie die Bereitschaft der mächtigsten Akteur:innen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen – und genau diese Einigkeit scheint in Baku zu fehlen.
Ist das noch Klimakonferenz oder schon Ritual?
2024 könnte das bisher heißeste Jahr in der Geschichte der Menschheit werden. Ein Jahr also, das die drängenden Folgen des Klimawandels eindringlicher denn je vor Augen führt. Die Welt ist bereits geprägt von schockierenden Bildern – verheerende Überschwemmungen, extreme Dürren, rekordverdächtige Hitzewellen und wütende Waldbrände haben sich tief ins globale Bewusstsein eingebrannt. Doch trotz dieser alarmierenden Zeichen scheint das „Weiter so“ in Baku regelrecht in Beton gegossen. Während Wissenschaftlerinnen, Aktivisten und betroffene Gemeinschaften nach ambitionierten Maßnahmen rufen, verengt man die Erwartungen an diese COP auf die Neuorganisation der Klimafinanzierung. Abgesehen von finanziellen Zusagen fehlt der Weltgemeinschaft nach wie vor ein verbindlicher Rahmen für tiefgreifende und schnelle Emissionsminderungen, der den fossilen Energieträgern wirksam den Kampf ansagt.
Die Erwartungen an die COP29 sind gering – und das liegt nicht nur am Gastgeber. Die Klimakonferenz in Baku wirkt eher wie ein Pflichttermin, bei dem das Nötigste besprochen und dann bequem weiter fossile Energien forciert werden. Wirklich dringende Maßnahmen wie ein globaler Ausstiegsplan aus fossilen Brennstoffen, eine globale CO2-Bepreisung oder die marktbasierte Förderung von naturbasierten Lösungen werden wohl auch in diesem Jahr auf die lange Bank geschoben. Ist der neue Finanzrahmen ein Tropfen auf den heißen Stein oder ein Anstoß für echte Veränderungen? Es bleibt abzuwarten, ob die Staatengemeinschaft in Baku ihrer großen Verantwortung wirklich gerecht wird, oder ob das „business as usual“ weitergeht.