Die Haushaltsführung der nächsten Regierung
Ein kritischer Blick auf die Budgeterstellung und die aktuellen Ankündigungen von Bundeskanzler Nehammer.
In diesen Tagen wird das Thema Budgeterstellung plötzlich zu so etwas wie einem Wahlkampfthema. Das überrascht ein wenig, aber immerhin. Bundeskanzler Karl Nehammer hat im ORF-Sommergespräch erwähnt, dass Österreich, um Budgeteffizienz herzustellen, einen „Zero-Based-Budgeting“-Ansatz verfolgen sollte, eine Empfehlung der OECD. Diese Methode bedeutet, dass Budgets nicht einfach fortgeschrieben, sondern jedes Jahr von Grund auf neu verhandelt werden. Dies könnte eine willkommene Abkehr von bisherigen Praktiken darstellen und bietet die Chance für eine fokussierte und strategische Haushaltsführung.
Die Rolle der ÖVP in der Budgetpolitik
Es ist wichtig zu betonen, dass die derzeitigen Probleme in der österreichischen Budgetpolitik nicht aus dem Nichts entstanden sind. Die ÖVP hat in den letzten Jahrzehnten fast durchgehend den Finanzminister gestellt und dabei wenig Interesse gezeigt, den Budgetprozess zu modernisieren oder effizienter zu gestalten. Die Frage der Glaubwürdigkeit stellt sich daher zwingend: Warum sollte es nun anders sein? Egal, unterstellen wir mal Glaubwürdigkeit und tun so, als wäre kein Wahlkampf.
Zero-Based Budgeting: Ein Blick auf internationale Vorbilder
Zero-Based Budgeting (ZBB) bedeutet, dass jede Haushaltsplanung von Grund auf neu beginnt, ohne auf den Vorjahresbudgets aufzubauen. Praktische Beispiele helfen, diesen Prozess besser zu verstehen:
Verteidigungsministerium: Anstatt automatisch das gleiche Budget wie im Vorjahr zu erhalten und anschließend nur über eventuelle Erhöhungen zu verhandeln, muss das Verteidigungsministerium jedes Jahr neu darlegen, welche Aufgaben es im kommenden Jahr erfüllen möchte. Dazu gehören zum Beispiel die Überarbeitung der Sicherheitsstrategie, um eine klare Position Österreichs in der europäischen Verteidigung zu definieren; Stärkung der Abwehrfähigkeiten gegen hybride Bedrohungen, insbesondere in Cyberabwehr und kritischer Infrastruktur, gezielte Investitionen in notwendige Ausrüstung und Vermeidung unnötiger Ausgaben für schwere Waffen, Ausbau der Zusammenarbeit in der EU-Verteidigungspolitik (wie der European Sky Shield Initiative), Diskussion alternativer Modelle zur Wehrpflicht und Anpassung der Wehrstruktur. Ziel ist, eine effiziente, flexible und moderne Verteidigungsstrategie zu entwickeln, die realistische Bedrohungen adressiert und internationale Kooperationen stärkt. Bei jedem dieser Vorhaben wird detailliert aufgeschlüsselt und analysiert, wie viel es kosten wird. Das Ministerium muss begründen, warum diese Ausgaben notwendig sind. Auf dieser Grundlage wird das Budget von null an aufgebaut, und nur die Ausgaben, die als absolut notwendig und effizient betrachtet werden, werden genehmigt.
Bildungsministerium: Anstatt das Budget des Bildungsministeriums basierend auf historischen Daten automatisch zuzuweisen, würde eine Zero-Based-Budgeting-Methode erfordern, dass das Ministerium jedes Jahr neu erklärt, welche Programme und Initiativen finanziert werden sollen. Beispielsweise könnte das Bildungsministerium darlegen, wie viel Geld für den Bau neuer Schulen, Lehrer:innengehälter, digitale Lernmittel, Schulverpflegung oder Programme zur Unterstützung benachteiligter Schülerinnen und Schüler benötigt wird. Jedes Programm wird auf seine Ziele, die erwarteten Ergebnisse und die Kosten überprüft. Diese Ausgaben werden dann priorisiert, und nur die am meisten wertgeschätzten und notwendigen Programme erhalten Mittel.
Ein Blick nach Neuseeland zeigt, wie erfolgreich solche Reformen sein können. Neuseeland hat durch eine gezielte Haushaltsführung seine Staatsfinanzen stabilisiert und schneidet in wichtigen Indikatoren besser ab als Österreich. Die neuseeländische Regierung hat es durch eine klare Priorisierung und strategische Ausrichtung der Ausgaben geschafft, nachhaltige Verbesserungen zu erzielen. Dieses Beispiel könnte als Modell für Österreich dienen.
Die Schwächen des österreichischen Budgetprozesses
Der aktuelle Budgetprozess in Österreich weist erhebliche Schwächen auf, die dringend behoben werden müssen. Hauptursache dafür sind die fragmentierten Strukturen, die zu geringer Effizienz und Transparenz führen. Die dezentrale Struktur und der Bottom-up-Ansatz (bei der das Budget auf einer unteren Ebene veranschlagt wird und sich dann nach oben arbeitet) in der Budgetplanung erschweren eine einheitliche und kohärente Haushaltsführung, was häufig zu ineffizienten Ausgaben und einem Mangel an strategischer Ausrichtung führt.
Es ist klar festzustellen, dass eine politisch verbindliche und effiziente Ausgabenbremse dringend notwendig ist, um die zahnlose Schuldenbremse zu ersetzen. Dies gilt insbesondere, wenn Instrumente wie der Finanzausgleich nicht optimal genutzt werden. Ein effektiver Budgetprozess erfordert nicht nur strukturelle Reformen, sondern auch den politischen Willen, unnötige und ineffiziente Ausgaben konsequent zu streichen – selbst wenn diese der eigenen Klientel zugutekommen.
Empfehlungen für eine bessere Haushaltsführung
Um diese Schwächen zu überwinden, sollte Österreich seine Haushaltsführung reformieren. Dazu gehört die Vereinheitlichung der Haushaltsstrukturen sowie die Einführung eines Top-down-Ansatzes. Ein solcher Ansatz würde es ermöglichen, die Ausgaben besser zu steuern und Prioritäten klarer zu setzen. Darüber hinaus könnte die Entwicklung eines Well-Being Frameworks zur strategischen Ausrichtung beitragen. Dieses Rahmenwerk würde es ermöglichen, nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und ökologische Ziele in die Budgetplanung einzubeziehen.
Vergleich mit Neuseeland und Empfehlungen
Die Haushaltsführung Neuseelands bietet wertvolle Lektionen für Österreich. Neuseeland hat eine geringere Staatsausgabenquote von 40,9 Prozent des BIP im Vergleich zu Österreichs 52,1 Prozent. Trotz der niedrigeren Ausgaben erreicht Neuseeland in vielen Lebensstandard-Indikatoren bessere Werte. Seit dem Jahr 2000 verzeichnete Neuseeland ein durchschnittliches reales Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent pro Jahr, deutlich über dem Wachstum Österreichs von 1,3 Prozent. Neuseeland weist ein Nettovermögen von +18 Prozent des BIP auf, während Österreich ein negatives Nettovermögen von -43,8 Prozent des BIP verzeichnet. Diese positive Bilanz Neuseelands ist auf eine strikte Haushaltsführung und das Fokussieren auf Ergebnis- und Vermögenshaushalte zurückzuführen.
Klingt abstrakt? Ok, dann etwas konkreter:
Wenn man alle wichtigen ökonomischen und nichtökonomischen Indikatoren betrachtet, kann man erkennen, wie viele Ressourcen eine Volkswirtschaft „verschwendet“, um ein bestimmtes Niveau von „Beyond GDP“ zu erreichen. Das bedeutet: wie viel eine Volkswirtschaft aufwendet (finanziell und nicht finanziell), um den Menschen ein gutes Leben zu bieten.
So funktioniert es: Ein Beyond-GDP-Index nutzt OECD-Indikatoren, um zu zeigen, ob der Staat ein gutes Leben ermöglicht. Ein hohes Wirtschaftswachstum, ein positiver Staatshaushalt und ein hohes finanzielles Nettovermögen des Staats wurden als positiv bewertet. Hohe Staatseinnahmen und hohe Steuerbelastungen hingegen wurden negativ bewertet, da sie den Bürger:innen die Entscheidungsfreiheit nehmen, welche öffentlichen Leistungen sie beziehen wollen. Bei den nichtökonomischen Kriterien wurden eine hohe und steigende Lebenserwartung sowie hohe PISA-Punktzahlen als positiv bewertet, da Bildung und Gesundheit Schlüsselindikatoren für zukünftigen Wohlstand sind.
Die Gegenüberstellung des Verbrauchs von finanziellen und nichtfinanziellen Ressourcen (x-Achse) und nichtökonomischen Indikatoren – also Beyond-GDP-Index – (y-Achse) in einem Diagramm zeigt, dass Länder mit gleichen Beyond-GDP-Werten unterschiedliche Ressourcennutzungen aufweisen. Das Diagramm ist so zu interpretieren, dass Datenpunkte, die gleiche Beyond-GDP-Werte bei geringerem Ressourcenverbrauch aufweisen, auf eine höhere Effizienz beim Mitteleinsatz hinweisen.
Österreich wendet wesentlich höhere finanzielle Ressourcen auf, um Beyond-GDP-Werte zu erreichen, die andere OECD-Staaten im Durchschnitt erzielen. Wäre Österreich so effizient wie Neuseeland, könnte man viel weniger ausgeben. Das Einsparungspotenzial bei einer Umstellung auf das neuseeländische System beläuft sich auf geschätzte 15 Milliarden Euro.
Diese Einsparungen sind jedoch nur möglich, wenn das Prinzip der Finanzierung aus einer Hand umgesetzt wird, was aufgrund der Kompetenzüberschneidungen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen in Österreich derzeit unrealistisch scheint. Dieses Problem muss politisch gelöst werden, um die Effizienz zu steigern und die Ressourcenverschwendung zu minimieren.
Effiziente Verwaltungsstrukturen und ein Well-Being Framework
Neuseeland hat eine einfachere Verwaltungsstruktur mit nur zwei haushaltsführenden Subsektoren (Zentral- und Lokalregierung), während Österreich vier hat (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherungen). Dies trägt zur Effizienz der öffentlichen Verwaltung bei. Neuseeland verfolgt einen Top-down-Budgetprozess, bei dem die strategische Ausrichtung und langfristige Ziele von der Regierung vorgegeben werden. Dieser Ansatz hat zu einer kohärenteren und zielgerichteten Haushaltsführung geführt, die sich positiv auf die nationale Wirtschaft und das Wohlbefinden der Bevölkerung auswirkt.
Neuseeland hat zudem ein Lebensstandard-Rahmenwerk entwickelt, das finanzielle Ergebnisse mit Indikatoren für menschliches, natürliches und soziales Kapital kombiniert. Dieses umfassende System ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung der Staatsfinanzen und trägt dazu bei, nachhaltige und soziale Ziele in den Mittelpunkt der Budgetplanung zu stellen.
Fazit: Strategische Haushaltsführung für eine stabile Zukunft
Zusammengefasst könnte eine fokussierte und strategische Haushaltsführung, zusammen mit einer schlanken Verwaltung und einem klaren Fokus auf langfristige Ziele, Österreichs Staatsfinanzen stabilisieren und unsere Zukunft sichern. Einsparungen werden dennoch notwendig sein, um die finanziellen Herausforderungen der kommenden Jahre zu bewältigen. Die Einführung des Zero-Based-Budgeting-Ansatzes könnte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein, um die Effizienz und Transparenz der Haushaltsführung in Österreich zu verbessern und die Weichen für eine nachhaltige finanzielle Zukunft zu stellen.
Österreich muss sich an erfolgreichen internationalen Modellen wie Neuseeland orientieren und die notwendigen Reformen umsetzen, um wieder zu den Besten zu gehören. Die Zeit des Abwartens und der ineffizienten Budgetpolitik muss ein Ende haben. Es ist an der Zeit, mutige Schritte zu gehen und eine zukunftsorientierte Haushaltsführung zu etablieren, die auf Effizienz, Transparenz und langfristige Ziele ausgerichtet ist.