Verwaltungsreform: Ein österreichischer Traum
Verwaltungsreformen stehen seit geraumer Zeit im Zentrum politischer Auseinandersetzungen. Trotz der breiten Zustimmung zur Notwendigkeit von Veränderungen zeichnet sich der Reformprozess in der Regel durch eine spürbare Zurückhaltung aus. Widerstand gegen die Reformen besteht häufig, da die Akteure aus Politik und Verwaltung oftmals unmittelbar von den Veränderungen betroffen sind. Ein Problemaufriss zum ständig bestimmenden Thema der österreichischen Innenpolitik.
Die Verwaltungsreform ist in Österreich längst ein geflügeltes Wort geworden: eine Chiffre für eine Reform, die sicher notwendig wäre, aber niemals kommen wird. Schon lange wird die öffentliche Debatte darüber geführt – passiert ist bisher nicht viel. Aber warum eigentlich?
Grundsätzlich wären Verwaltungsreformen ein zentraler Hebel, um die Effizienz und Effektivität der öffentlichen Verwaltung zu steigern und somit die Haushaltskonsolidierung voranzutreiben. Dabei können vier Reformansätze unterschieden werden:
- Binnenreformen, die interne Prozesse und das Personalwesen optimieren
- Funktionalreformen, die Aufgaben zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen neu zuweisen
- Strukturreformen, die den äußeren Aufbau der Verwaltung verbessern
- Territorialreformen, die territoriale Zuständigkeitsgebiete neu ordnen
Während man in Österreich insbesondere von Funktional- und Territorialreformen – mit Ausnahme des Landes Steiermark – Abstand genommen hat, gab es dutzende Strukturreformen, deren Ergebnisse in der Regel zu wünschen übrig ließen. Folglich lässt sich daraus ableiten: Die österreichische Verwaltung leidet unter einem systemischen Problem – sie agiert in weiten Teilen zu behäbig und ist dafür viel zu teuer.
Ist Österreich reformierbar?
Eine Neuordnung von Verwaltungsstrukturen in Österreich wäre eine riesige Herausforderung, die tiefgreifende politische und bürokratische Machtverschiebungen mit sich brächte. Das politische System in Österreich ist nämlich durch eine fragmentierte Kompetenzverteilung geprägt, die sich über die Ebenen Bund, Länder und Gemeinden erstreckt. Diese Kompetenzzersplitterung hat sich über die Jahre immer wieder als Stolperstein erwiesen, der ein kohärentes und effektives Vorgehen angesichts neuer gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Herausforderungen behindert.
Als Beispiel dafür dient die seit Jahrzehnten ausstehende Bildungsreform. Die Schulverwaltung ist von einer verfassungsrechtlich komplexen Kompetenzverteilung und fehlender Übereinstimmung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung zwischen Bund, Ländern und allenfalls auch Gemeinden gekennzeichnet: So ist das Schulwesen zwar grundsätzlich Bundessache, die Länder sind jedoch im Bereich der öffentlichen Pflichtschulen mit der Vollziehung betraut und zudem als Schulerhalter in der Verantwortung. Letztere kann jedoch wiederum per Landesgesetz an die Gemeinden übertragen werden. Allgemeinbildende höhere Schulen sowie berufsbildende mittlere und höhere Schulen werden demgegenüber vom Bund erhalten. Für die land- und forstwirtschaftlichen Schulen gelten dagegen teilweise Sonderregeln.
Expert:innen weisen darauf hin, dass neben der Entflechtung dieser Strukturen eine stärkere Unabhängigkeit der Verwaltung von parteipolitischen Einflüssen nötig wäre, um eine effizientere und bürgerfreundlichere Verwaltung zu ermöglichen. In den letzten Jahrzehnten wuchsen die Ministerbüros durch Leute, die keine Qualifikationserfordernisse vorweisen mussten – Aufnahmekriterien und Umfang sind gesetzlich nämlich nicht festgelegt. Zudem wurden wichtige Posten parteipolitisch per Alibiausschreibung besetzt. Das führt dazu, dass diese Parteikarrierist:innen sich bloß den jeweiligen Minister:innen und nicht der Republik verpflichtet fühlen.
Neben der starken Verflechtung zwischen Politik und Verwaltung kommt dadurch ein weiterer Hemmfaktor dazu: Diejenigen, die über Veränderungen entscheiden, sind zugleich diejenigen, die von diesen Reformen betroffen sind. Das führt regelmäßig zu einem Reformstau – insbesondere, wenn die angestrebten Änderungen nicht ins polit-taktische Kalkül hineinpassen.
6 Teilstücke einer Verwaltungsreform
Welche Maßnahmen es bräuchte, liegt schon längst auf der Hand. Viele fachlich versierte Personen und Institutionen, etwa die Initiator:innen des Rechtsstaat- und Antikorruptionvolksbegehrens, die Initiative Bessere Verwaltung oder – in regelmäßigen Abständen – der Rechnungshof, haben sich darüber bereits den Kopf zerbrochen:
- Neue Qualitätsstandards festlegen, die die durchschnittliche Dauer von Erledigungen, die Erreichbarkeit, Wartezeiten und die Auskunftsfähigkeit der Behörden einschließen. Diese müssen im Sinne einer transparenten und serviceorientierten Verwaltung regelmäßig veröffentlicht und evaluiert werden. Überlange Verfahren, die die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Republik beeinträchtigen, sollten indes hintangehalten werden.
- Kritische Überprüfung von Abläufen und klar bestimmte Verantwortlichkeiten sind entscheidend, um Systeme zu verbessern. Dazu gehört auch die Bereinigung von Mehrfachzuständigkeiten und vermeidbaren Schnittstellen, um weitere Effizienzpotenziale in der Verwaltung zu heben.
- Historisch gewachsene Institutionen abschaffen, wenn sie ihren ursprünglichen Zweck verloren haben. Einige Standortoptimierungen und die Zusammenlegungen öffentlicher (Dienst-)Stellen wären im Sinne des sparsamen Ressourceneinsatzes voranzutreiben. Auch im Hinblick auf parteipolitisch besetzte Posten – vor allem in Ministerbüros. Wie das aussehen kann, hat die Steiermärkische Gebietsreform im Jahr 2015 gezeigt, wodurch die Zahl der Gemeinden in der Steiermark von 542 auf 287 Gemeinden verringert wurde.
- Verwaltungsmanagement weiterentwickeln und mit gut ausgebildeten und redlichen Staatsdiener:innen besetzen. In weiten hochrangigen öffentlichen Bereichen fehlt es nämlich an parteipolitisch unabhängigen Beamt:innen, die für ihre Ministerien langfristige Strategien und Visionen entwerfen.
- Nachvollziehbare elektronische Aktenführung könnte einen weiteren Missstand beseitigen: Noch immer werden wichtige Aufgaben der Verwaltung unzureichend veraktet, auf informellen Kanälen entschieden und intransparent abgewickelt, was nicht nur zuletzt für Aufruhr sorgte.
- Eine Reform hin zu einer echten Politikerhaftung wäre im Sinne einer verbesserten rechtlichen Verantwortlichkeit durchwegs sinnvoll, damit Steuerzahler:innen nicht mehr für grobe Fehlentscheidungen von Politiker:innen zum Handkuss kommen müssen – insbesondere für sogenannte Prestigeprojekte
Die Vision der unternehmerischen Republik
Mit entscheidenden Maßnahmen zögerten die Regierenden wiederholt und über viele Legislaturperioden hinweg, während die Verantwortung in einem bürokratischen Pingpong zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen hin- und hergeschoben wurde. Reformen der jüngsten Vergangenheit haben teilweise die Chance verpasst, eine moderne Behördenorganisation zu schaffen.
Probleme wie unklare Weisungszusammenhänge und Steuerungsschwierigkeiten, wie sie bei der Einführung der Bildungsdirektionen im Jahr 2019 der Fall war, hätten schon längst überwunden werden sollen. Sie haben tiefergehende Konsequenzen: Sie untergraben das Vertrauen in staatliche Institutionen und lassen die dringend notwendige politische Antwort auf drängende Fragen unserer Zeit auf sich warten.
Die österreichische Politik selbst trägt oft zur Erweiterung administrativer Vorschriften bei, um weiterhin Kontrolle auszuüben. Wie immer zeichnet sich dabei ein Bild: Die Kosten sind extrem hoch – der Output allerdings nicht.
Dieses Bild steht im Gegensatz zu einem Trend in Staaten mit einer „unternehmerischen“ Verwaltungskultur, wo mehr Entscheidungsfreiheit und weniger Formalismus vorherrschen. Skandinavische Länder oder Estland z.B. haben schon längst gezeigt, wie ein fortschrittliches Staatswesen aussehen kann. Ein moderner Verwaltungsapparat, der Bürger:innen in den Mittelpunkt stellt, ist nicht nur Wunschdenken, sondern eine Notwendigkeit für das Vertrauen in staatliches Handeln und den Wirtschaftsstandort.
Für Österreich bedeutet das vor allem eines: Wir brauchen einen Kulturwandel in der Politik und der Verwaltung, um Reformen erfolgreich durchzuführen und die Verwaltung zu modernisieren.