E-Fuels sind eher nicht die Zukunft des Autos
Hand hoch, wer vor März 2023 schon mal von E-Fuels gehört hat! Das Buzzword hielt im Frühling Einzug in den öffentlichen Diskurs, als die deutsche Bundesregierung sich gegen ein generelles Verbot von neuzugelassenen Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 sträubte. Das Argument: Man müsse technologieoffen sein – schließlich könnte man Verbrennungsmotoren mit E-Fuels in Zukunft auch klimaneutral betreiben.
Kommunikativ war der Einwand der deutschen Bundesregierung ein Coup: Die Online-Diskussion explodierte, und wie in der Corona-Pandemie war plötzlich halb Twitter Experte für E-Fuels.
Aber was sind und was können E-Fuels eigentlich?
E-Fuels, das sind synthetische Kraftstoffe, die sich aus Wasserstoff und Kohlendioxid zusammensetzen. Sie ähneln Diesel und Benzin und könnten in Verbrennungsmotoren verwendet werden. Für die Herstellung werden Wasser, CO2 und Energie benötigt. Um wirklich klimaneutral zu sein, muss die benötigte Energie erneuerbar produziert und das CO2 aus der Luft gefiltert werden (durch Direct-Air-Capture bzw. DAC) – wird das Kohlendioxid dafür aus Industrieabgasen gewonnen, trägt es in der Atmosphäre trotzdem zur Erwärmung bei. Die Produktion von E-Fuels ist dann davon abhängig, dass Fabriken weiterhin CO2 ausstoßen.
In der Praxis sind E-Fuels zurzeit noch Zukunftsmusik, vor allem die wirklich klimaneutrale Variante. Das hängt damit zusammen, dass die meisten DAC-Anlagen noch in der Planungs- oder Pilotphase stecken. Der Anteil von CO2-Partikeln in der Luft ist zwar gefährlich hoch für das Weltklima, mit 419 CO2-Anteilen pro Million Partikel gestaltet sich die Filterung von CO2-Molekülen für DAC-Anlagen allerdings doch wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen.
Zurzeit wird darum noch eher auf industrielles CO2 zurückgegriffen, wo die Filterung aufgrund der hohen Konzentration leichter ist. Das Vorzeigeprojekt der E-Fuel-Branche, Haru Oni in Chile, bezieht sein CO2 laut Angaben von Miteigentümer Porsche aus einer Brauerei. Besonders erschwinglich ist der Kraftstoff trotzdem noch nicht. Im März 2023 produzierte die Anlage pro Tag ca. 350 Liter. Kostenpunkt: 17.500 Euro.
Aber gut, so ähnlich haben Solar- und Windkraft auch einmal angefangen.
Warum sollten E-Fuels in Zukunft nicht zur Klimaneutralität im Verkehr beitragen können?
Die große Krux der E-Fuels liegt in ihrer Ineffizienz. E-Autos setzen elektrische Energie fast ohne Verluste in Bewegungsenergie um – so liegt der sogenannte Wirkungsgrad von E-Autos bei ca. 70 Prozent.
Zum Vergleich: Will man einen Verbrenner mit E-Fuels betreiben, verliert man große Mengen an Energie bei der CO2-Filterung, der Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff und schließlich bei der Verbrennung selbst. Gerade einmal 15 Prozent der Energie werden dabei wirklich in Bewegung umgesetzt. Ein Verbrenner mit E-Fuels braucht für dieselbe Strecke also fünfmal mehr Energie als ein E-Auto.
Das Argument der E-Fuel-Fans: Das ist egal. Denn E-Fuels lassen sich ja leicht transportieren, und gerade Ökostrom ist nicht immer an dem Ort und Zeitpunkt verfügbar, an dem wir ihn bräuchten. E-Fuels wären also eine gute Art, diesen Strom zu speichern und später woanders nutzbar zu machen, sprich: Wir produzieren E-Fuels mit Solarstrom in Gebieten, wo Sonnenenergie im Überfluss vorhanden ist, und können dann damit in Europa unsere Autos betreiben.
Mal ganz abgesehen davon, dass wir uns hiermit bei unserer Treibstoffproduktion wieder in die Abhängigkeit anderer Länder begeben, scheitert diese Argumentation am Realitätscheck aus dem Basiskurs Volkswirtschaftslehre – bei Angebot und Nachfrage.
9,36 Milliarden Liter E-Fuel zum Mitnehmen bitte
Beginnen wir beim Angebot: Um E-Fuels in großem Stil produzieren zu können, muss ein Standort sowohl erneuerbare Energien im Übermaß (sprich viel Sonne oder Wind) bieten als auch über genügend Wasser verfügen. Zudem wird es auch eine CO2-Quelle – also Industrie – brauchen, bis die Herstellung mittels DAC praktisch und finanziell möglich ist. Gerade Regionen mit viel Sonne haben meist kein Wasser übrig, um E-Fuels im großen Stil zu produzieren, oder es fehlt ihnen die Industrie, die das CO2 liefern soll. Bis jetzt sind Pläne zu E-Fuel-Produktionsstätten darum auch noch relativ zurückhaltend: Weltweit wurden 60 industrielle Produktionsanlagen bis zum Jahr 2035 angekündigt – und die allerwenigsten haben bereits eine Entscheidung zur Finanzierung.
Und dann zum Bedarf: Der Pkw-Verkehr ist nicht der einzige Sektor, in dem auf E-Fuels gebaut wird, um Klimaziele zu erreichen. Schifffahrt, Luftfahrt, Kunststoffproduktion, Betrieb schwerer Geräte – in vielen Branchen gibt es Maschinen und Prozesse, die (noch) nicht elektrifizierbar sind. E-Fuels sind in diesen Branchen unverzichtbar, um Klimaneutralität zu erreichen – anders als im Personenverkehr, wo es mit dem E-Auto eine klimafreundlichere und effizientere Alternative gibt, die inzwischen kaum mehr Nachteile hat. Der unverzichtbare Bedarf muss zuerst gedeckt werden, erst dann ist es sinnvoll, E-Fuels für Pkws zu verwenden.
Das Potsdam-Institut für Klimaforschung hat analysiert, wie wahrscheinlich es ist, dass E-Fuels 2035 den Kraftstoffbedarf deutscher Autos abdecken können. Das Ergebnis: Selbst wenn alle geplanten Anlagen gebaut werden und die gesamte globale Produktion an E-Fuels 2035 nach Deutschland ginge, wären damit gerade einmal 10 Prozent der unverzichtbaren Nachfrage in Deutschland gedeckt, etwa durch Schiffe, Flüge oder den Chemiesektor. Geht man von einem Wachstumspfad analog zu dem vom Wachstumschampion Solarenergie aus, könnte 2035 mit der globalen Produktion circa die Hälfte des unverzichtbaren Bedarfs in Deutschland gedeckt werden. Wie man es dreht und wendet: Für Pkws bleibt 2035 in keinem Szenario auch nur ein Tropen E-Fuel über.
Damit sollte feststehen: E-Fuels gehören zwar in Zukunft in den Mix klimafreundlicher Technologien, ihr Anwendungsbereich wird aber nicht im Individualverkehr sein. Meinen wir es ernst mit der Klimaneutralität, geben wir der effizienteren, bereits heute breit verfügbaren Option den Vorzug.
Lösung ohne Zukunft, trotzdem Hoffnungsträger
Trotzdem tut die FDP, die in Deutschland den Verkehrsminister stellt, genau das Gegenteil – und twittert weiterhin Behauptungen zu den Potenzialen von E-Fuels im Individualverkehr:
Auch die CDU macht mit, allerdings mit durchwachsenem Erfolg. Eine Karte, die laut CDU-Politiker Christoph Ploß Tankstellen zeigen sollte, an denen man jetzt schon E-Fuels tanken kann, enthielt stattdessen Daten zu synthetischen biogenen Kraftstoffen – also zu hydriertem Pflanzenöl. Der österreichische Bundeskanzler war also in bester Gesellschaft, als er Österreich zum Autoland schlechthin erklärte und sich gegen ein Verbrennerverbot aussprach.
„Wenn es uns also gelingt, mit E-Fuels den Verbrennermotor über 2035 hinaus zu erhalten, ist das ein wichtiges Zeichen für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Österreich.“
Karl Nehammer
Vielleicht ging es nie wirklich um E-Fuels
Der Bundeskanzler deutet es schon an: Der Grund für die Abneigung gegen E-Autos liegt wahrscheinlich weder in wissenschaftlichen Argumenten noch in der Angst vor einer Wählerschaft, die ihre Verbrenner, Gasherde und Ölheizungen mit Zähnen und Klauen verteidigen wird – sondern beim lieben Geld. Bei Maischberger gibt CDU-Politiker Jens Spahn freimütig zu, dass die deutsche Autoindustrie eben massenhaft Geld einbringe, und das basierend auf dem Verbrennungsmotor. Mit einem Schwenk auf Elektroautos beschneide man einen der stärksten deutschen Wirtschaftszweige. Für Österreich gilt Ähnliches: Österreichische Betriebe sind wichtige Zulieferer der Automobilbranche.
Diesem Einsatz zum Trotz werden E-Fuels wohl mit oder ohne Verbrennerverbot in Zukunft in der Automobilbranche nur eine untergeordnete Rolle spielen. Viele Autobauer haben ihren Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie bereits angekündigt: DS ist bereits ab 2024 voll elektrisch, Hyundai verkauft ab 2026 nur noch Alternativantriebe in Deutschland, bei Alfa Romeo soll 2027 Schluss mit dem Verbrenner sein, Opel hat 2028 im Visier, Fiat, Mini und Volvo sind 2030 raus aus dem Verbrennerbusiness, und Audi und Volkswagen peilen 2033 an. Einige andere deutschen Marken zieren sich noch – Porsche setzt mit der eigenen Produktionsanlage in Chile ganz auf E-Fuels und BMW und Mercedes investieren zwar verstärkt in Elektromobilität, halten sich aber Spielraum in alle Richtungen offen.
Auf Twitter wurde eine Stellvertreterdebatte geführt: Eigentlich ging es gar nicht um den Sinn oder Unsinn synthetischer Kraftstoffe im Personenverkehr – spätestens der Blick auf die Produktionspotenziale in den entscheidenden nächsten Jahren hätte diese Frage klären sollen. Es ging eher um die Frage, ob die Autoindustrie weiterhin ihren Exportschlager Verbrennungsmotor produzieren darf. Und bei dieser Frage werden Klimabedenken und wissenschaftliche Realitäten gerne unter den Teppich gekehrt.