Ein kritischer Blick auf das Budget für 2024
Jedes Jahr Mitte Oktober ist es wieder so weit: Nationalratsabgeordnete aller Klubs und Farben strömen an einem meist schon kühlen Mittwochmorgen ins Parlament, um über das Budget zu verhandeln und eine Rede des Finanzministers zu hören.
Diese Budgetrede – Finanzminister Brunner unterhielt damit im Vorjahr Parlament und Öffentlichkeit fast zwei Stunden lang – läutet die herbstlichen „Budgetwochen“ ein. In dieser Zeit verhandelt und beschließt das Parlament das Bundesbudget. Konkret geht es dabei eigentlich um zwei Gesetze: Das Bundesfinanzgesetz für das jeweilige Folgejahr und das Bundesfinanzrahmengesetz für eine mittelfristige budgetäre Planung für die folgenden vier Jahre.
Beide Gesetze bilden den finanziellen Rahmen für nahezu jeden Atemzug der Politik und Verwaltung. Das Budget finanziert jeden Bleistift, der 2024 in einem Ministerium verwendet wird, jedes Fenster, das dort im neuen Jahr geputzt wird, jedes Schulbuch, das verteilt wird, aber auch jede Film- oder Photovoltaikförderung. Jede Familienbeihilfe und jede Karenzgeldzahlung, die 2024 ausgezahlt wird, ergibt sich aus diesen Verhandlungen. Ohne Budget kein Geld – und ohne Geld läuft in Österreich nichts.
Die Ausgangslage für 2024
Das Budget für 2024 ist also für alle Bürgerinnen und Bürger spannend. Es ist nämlich das erste Budget seit 2019, das – zumindest theoretisch – nicht von einer akuten Krise geprägt ist.
Die Covid-Krise mit ihren milliardenschweren Hilfspaketen ist vorüber, die Dynamik der Inflation hat sich laut aktueller Prognose für 2023 auf 7,7 Prozent abgeschwächt, wenn auch die Inflation in Österreich immer noch deutlich höher ist als durchschnittlich in anderen EU- und Euro-Staaten. Für 2024 soll die Teuerung auf 4 Prozent zurückgehen. In Österreich kämpft man derzeit mit einer Rezession (-0,8 Prozent BIP-Wachstum), von der man sich aber bereits 2024 eine Erholung in Richtung 1,2 Prozent des BIP erwartet.
Man könnte also meinen, dass sich damit zu „business as usual“ zurückkehren ließe, man die krisenhaft hohen Budgetdefizite der letzten Jahre hinter sich lassen und zu einer nachhaltigen Budgetpolitik zurückkehren könnte.
Ein Budget wie in Krisenzeiten
Leider weit gefehlt. Auch 2024 werden wir rund 20 Milliarden Euro Defizit im Bund einfahren. Ziemlich unerwartet, wie das Finanzministerium freimütig zugibt, das die eigentlich für 2024 geplanten rund 9,7 Milliarden Euro Defizit um weitere 10 Milliarden nach unten revidieren musste.
Österreichs gesamtstaatliches Maastricht-Defizit wird 2024 mit 2,7 Prozent gerade so maastricht-konform sein – womit die budgetäre Konsolidierung weiter nach hinten verschoben wird. Dabei wäre es wichtig, rasch wieder budgetäre Spielräume für zukünftige Krisen und Herausforderungen zu schaffen – etwa durch ausgabenseitige Reformen.
Staatsschulden steigen weiter an
Der über die letzten Jahre stark angeschwollene Schuldenrucksack wird auch 2024 noch einmal schwerer: Die Zinsen, die für diese Schulden zu zahlen sind, steigen. Die sind bereits im laufenden Jahr aufgrund des geänderten Zinsumfelds regelrecht explodiert und sorgen für zusätzlichen Ausgabendruck, der auch im Bundesbudget sichtbar wird.
Dass es auch anders ginge, zeigt Schweden: Während Österreich in den Jahren 2019–24 zusätzliche Schulden in Höhe von insgesamt 105 Milliarden Euro aufgenommen hat, ist Schweden mit gerade einmal zwei Milliarden ausgekommen. Insgesamt! Das liegt nicht nur am anderen Umgang Schwedens mit der Covid-Politik, sondern auch an Schwedens konsequent umgesetzten Budgetregeln, darunter eine Ausgabenbremse, mit der staatliche Ausgaben und Neuverschuldung erfolgreich eingebremst werden.
Wenig Budget für Zukunftsinvestitionen
Mit steigenden Ausgaben für den Schuldendienst steht weniger Geld für Zukunftsausgaben zur Verfügung. Das sind Ausgaben für Kinderbetreuung, Bildung, Forschung und Investitionen in Klima- und Umweltschutz, Innovation und Energiewende. Diese Investitionen sind nicht nur im Hier und Jetzt sinnvoll – man stelle sich ein Leben ganz ohne Kindergarten und Schule vor –, sondern sorgen auch für zukünftiges Wachstum und Wohlstand.
Da die Politik aber oft einen kurzfristigen Zeithorizont hat – in Österreich stehen 2024 EU- und Nationalratswahlen bevor – werden diese wichtigen Ausgaben zugunsten von Wahlzuckerln vernachlässigt. Dieses Jahr gibt es etwa außergesetzliche Pensionserhöhungen und weitere Einmalzahlungen wie Antiteuerungsbonus und Energiegutscheine.
Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, diese Ausgaben im Budget sichtbar zu machen. Das NEOS Lab berechnet daher jedes Jahr eine „Zukunftsquote“, also wie hoch die Zukunftsausgaben im Vergleich zu den sonstigen Ausgaben im Budget sind. Mit einer Zukunftsquote von 20 Prozent fließt nur jeder fünfte Euro in langfristig sinnvolle Ausgaben. Eindeutig zu wenig – ein verantwortungsvolles und generationengerechtes Budget müsste eine Zukunftsquote von mindestens 25 Prozent aufweisen.
Symbolbild, produziert mit Midjourney AI
Das Aufgabenheft des Finanzministers
Aber es gibt auch einen Gewinner bei diesem Budget: Finanzminister Magnus Brunner. Der kann sich nämlich auch im kommenden Jahr über sprudelnde Steuern freuen – und damit über solide Einnahmen. Zu verdanken hat er das Österreichs erfolgreichen Unternehmen, seinen fleißigen Arbeitskräften und einer im internationalen Vergleich hohen Abgabenbelastung, insbesondere auf den Faktor Arbeit.
Allerdings laufen ihm angesichts hoher Inflationsraten und fehlender Reformbereitschaft bei wesentlichen Kostentreibern die Ausgaben regelrecht davon: Wesentliche Kostentreiber im Budget des Bundes sind derzeit neben den Zinszahlungen vor allem die Pensionen (23,8 Prozent des Budgets und 15,62 Prozent Steigerung) und die exorbitant gestiegenen Ausgaben für Subventionen und Förderungen. Österreich gibt mittlerweile EU-weit am viertmeisten für Subventionen aus, Überförderung, Doppel- und Mehrfachförderung stehen auf der Tagesordnung. Und so ziemliche alle Experten – zuletzt Rechnungshof und IHS-Chef Bonin – halten das Pensionssystem für akut reformbedürftig, weil sonst Unfinanzierbarkeit droht. Die Regierung müsste also dringend Reformen angehen, zum Beispiel die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters.
Was der Finanzminister jetzt tun sollte
Aktuell hätte die Regierung die Chance gehabt, über die Verhandlungen zu einem neuen Finanzausgleich eine Gesundheitsreform umzusetzen. Allerdings hat sie diese Chance ungenutzt verstreichen lassen – und damit schrottreife Strukturen und eine nicht tragfähige Ausgabendynamik auf weitere fünf Jahre einzementiert. Am Ende zahlen die Leute doppelt: Mit ihren Steuern zur Finanzierung dieses öffentlichen Gesundheitssystems, und dann mit ihrem Einkommen für private Zusatzversicherungen, weil das öffentliche Gesundheitssystem trotz hoher Kosten, bzw. Input, Leistungen, bzw. Output nicht mehr adäquat bereitstellen kann.
Durch echte Reformen und das Heben von Effizienzpotenzialen könnte Österreich bei den öffentlichen Ausgaben viel Geld einsparen. Allein 2022 bis zu 17,4 Milliarden Euro, wenn die öffentliche Leistungen bei uns so effizient bereitgestellt würden wie in anderen EU-Ländern. Für jeden Menschen in Österreich wären das 1.900 Euro pro Jahr, die für eine effektive und nachhaltige Senkung der Abgabenlast, insbesondere des Faktors Arbeit, zur Verfügung stünden.
Um diese Entlastung zu ermöglichen, müsste die Bundesregierung aber ihren Kurs ändern. Eine Ausgabenbremse nach schwedischem Vorbild würde die Regierung dazu verpflichten, die Kontrolle über ihre Ausgaben zurückzubekommen.