Bauflaute in Wahlkampfzeiten: Ein kritischer Blick auf das Wohnbaupaket
In der Dynamik zwischen Politik und Wirtschaft ist insbesondere vor Wahlen eines gewiss: Wenn die Konjunktur schwächelt, haben Geldgeschenke Hochsaison. 2024 ist da keine Ausnahme.
Die Ausgangslage in der Baubranche gibt durchaus Grund zur Sorge: Trotz eines historischen Baubooms in den Jahren 2016 bis 2021 und eines kontinuierlichen Bevölkerungswachstums ist die Anzahl der erteilten Baugenehmigungen auf den niedrigsten Stand seit 2005 gesunken. Laut Prognosen werden die Investitionen in den Bausektor im aktuellen Jahr auf 36,59 Milliarden Euro zurückgehen, was einem nominalen Rückgang von 7,3 Prozent und einem inflationsbereinigten Minus von über 20 Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht. Die steigenden Kosten der Hauserrichtung, die seit Januar 2021 um 30 Prozent zugelegt haben, werden als Vorboten einer möglichen Wohnraumknappheit interpretiert.
Konjunkturmaßnahme oder Wahlgeschenk: Ein Wohnbaupaket für alle
Ende Februar 2024 verkündete die österreichische Bundesregierung in zwei aufeinanderfolgenden Pressekonferenzen ihre weitreichenden Pläne für ein Wohnbaupaket. Laut Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist vorgesehen, bis zum Jahr 2027 Investitionen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro zu tätigen, um den Wohnungssektor zu stärken. Im Rahmen dieser Offensive sollen 25.000 Wohnungen neu errichtet oder modernisiert werden. Hierfür wird den Bundesländern eine Summe von einer Milliarde Euro bereitgestellt.
Zudem ist geplant, den Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern: Für die ersten 500.000 Euro des Kaufpreises sollen Erstkäufer von den anfallenden Eintragungsgebühren befreit werden. Diese Regelung ist auf zwei Jahre befristet. Ein weiterer Aspekt der Offensive ist der Sanierungs- bzw. Handwerkerbonus, der mit bis zu 2.000 Euro pro Maßnahme gefördert wird und für einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren gelten soll. Schließlich erhalten die Länder die Option, eine Abgabe auf leerstehende Wohnungen einzuführen, um dem Wohnungsmangel entgegenzuwirken und Anreize für die Nutzung und Instandhaltung des vorhandenen Wohnraums zu setzen.
Wohnbauförderung ohne Mascherl
Dass die Bundesländer jetzt eine zusätzliche Milliarde für leistbares Wohnen bekommen, wirft eine Frage auf: Was tun sie denn bisher mit der Wohnbauförderung? Derzeit werden Wohnbauförderungsbeiträge zu gleichen Teilen von Unternehmen und Beschäftigten finanziert. Allerdings ist die Wohnbauförderung nicht zweckgewidmet – was zur Folge hat, dass ein erheblicher Teil der Mittel in die allgemeinen Budgets der Bundesländer fließt und nicht unmittelbar dem Wohnbau zugute kommt.
Zwischen 2000 und 2019 hat sich das Aufkommen fast verdoppelt, während die Ausgaben für Wohnbauförderungen um 15 Prozent gesunken sind. Im Jahr 2022 wurden nur etwa 37 Prozent der Beiträge für den eigentlichen Zweck verwendet. Es stünde somit viel mehr Geld für den Wohnbau zur Verfügung, wenn man die Wohnbauförderungsbeiträge zweckwidmen würde. Die Signalwirkung der zusätzlichen Milliarde ist also durchaus zu hinterfragen. Die Belastung von Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeber:innen bleibt gleich hoch, während die Bundesländer weiterhin frei über die Wohnbauförderungsbeiträge verfügen können – und dafür mit noch mehr Steuergeld belohnt werden.
Immer wieder Handwerkerbonus
Der „Handwerkerbonus Plus“ ist ein Förderprogramm, das Handwerksarbeiten bis zu einem Wert von 10.000 Euro unterstützt, wobei maximal 2.000 Euro (20 Prozent des Rechnungsbetrags) erstattet werden. Das Ziel dieses Programms ist es, die Schaffung und Renovierung von Wohnraum zu fördern, lokale Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen und Schwarzarbeit zu reduzieren. Ein Kritikpunkt ist jedoch, dass der Bonus auch jenen zugutekommt, die Handwerkerleistungen ohne weiteres selbst bezahlen könnten. Das führt zu sogenannten Mitnahmeeffekten – und Preissteigerungen.
Diese Maßnahme erstaunt einigermaßen, da sie nicht neu ist und immer wieder über alle Parteien hinweg für Kritik gesorgt hat. Trotz der negativen Erfahrungen aus vergangenen Krisen und der Kritik an ähnlichen Maßnahmen in der Vergangenheit wurde erneut auf dieses Gutscheinmodell gesetzt. Eine Evaluierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) aus dem Jahr 2016 kritisierte den damaligen Handwerkerbonus dafür, dass dieser hohe Mitnahmeeffekte hatte und eine Verhaltensänderung dadurch als unwahrscheinlich eingeschätzt wurde.
Pikant erscheint, dass gerade Bundesminister Kocher diesen umsetzen soll, der im Jahr 2016 zum Leiter des IHS wurde. ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling räumte 2017 selbst ein, dass er kein Freund des Handwerkerbonus sei. Auch die Grünen sahen dieses Instrument in der Vergangenheit schon einmal kritischer als jetzt. 2016 sprachen sie sich noch gegen den Handwerkerbonus aus und stattdessen für eine Senkung der Lohnnebenkosten. Im Gegensatz zu den restlichen Teilen des Pakets wurde der Handwerkerbonus nicht wie geplant im Finanzausschuss am 14. März 2024 behandelt, da sich die Regierungsparteien noch nicht einigen konnten. Die genaue Ausgestaltung der Gießkanne Handwerkerbonus bleibt somit noch ungewiss.
Eigentum ermöglichen – aber nur kurz
Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung des Eigentumserwerbs beinhalten die Abschaffung bestimmter Nebengebühren und steuerliche Erleichterungen, die darauf abzielen, private Investitionen zu stimulieren. Diese Maßnahmen sollen den finanziellen Spielraum für potenzielle Eigentümer:innen erweitern und die Gesamtkosten für den Erwerb von Eigentum besser abbilden. Speziell Erstkäufer könnten durch diese Regelungen bevorzugt werden.
Die zeitliche Befristung der Maßnahmen auf zwei Jahre erscheint jedoch fragwürdig – dadurch sprechen wir eher über kurzfristige Anreize statt über nachhaltige Lösungen im Wohnbereich. Weiteres Entlastungspotenzial gäbe es angesichts vieler weiterer Nebenkosten genug. Denkbar wäre auch die Befreiung von der Grunderwerbsteuer bis zu einem gewissen Betrag beim Kauf der ersten Wohnimmobilie. Die gewählte Entlastung ist sicher ein positives Signal an alle zukünftigen Häuslbauer, auch wenn mehr Ambition möglich gewesen wäre. Und auch obwohl die Befristung der Maßnahmen diese als „Wahlzuckerl“ erscheinen lässt.
Fazit: Viele Ausgaben und ein wenig Entlastung auf Zeit
Die aktuellen Entwicklungen im österreichischen Bausektor und am Wohnungsmarkt zeigen eine komplexe Wechselwirkung zwischen politischen Entscheidungen, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den Bedürfnissen der Bevölkerung. Während die Regierung mit verschiedenen Maßnahmen auf die Herausforderungen reagiert hat, bleibt die Frage offen, ob diese ausreichen, um den Wohnungsmarkt langfristig zu stabilisieren und bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen.
In Wahlkampfzeiten offenbart sich oft die Diskrepanz zwischen politischen Versprechen und realwirtschaftlichen Bedürfnissen. Das jüngste Wohnbaupaket der Bundesregierung, das Investitionen in den Wohnungsbau und Erleichterungen beim Eigentumserwerb verspricht, wirft kritische Fragen auf. Während die Förderung der Bauwirtschaft und die Unterstützung von Erstkäufern auf den ersten Blick positiv erscheinen, bleibt die Effektivität der Maßnahmen angesichts ihrer Befristung und der potenziellen Mitnahmeeffekte zweifelhaft. Die zusätzliche Milliarde für die Bundesländer, die weiterhin nicht zweckgebundenen Wohnbauförderungsbeiträge und die Wiedereinführung des umstrittenen Handwerkerbonus lassen vermuten, dass es sich hier eher um kurzfristige Anreize als um nachhaltige Lösungen handelt.
Diese Maßnahmen können somit weniger als konkrete Konjunkturförderung interpretiert werden, sondern vielmehr als Wahlgeschenke, die das strukturelle Problem eines angespannten Wohnungsmarkts nicht lösen.