FAQ: Warum das Klima auch die nächste Regierung beschäftigen wird
Wenn in Österreich Wahlkampf ist, konzentriert sich ein großer Teil der Medienlandschaft gerne auf „Politics“: Wer will mit wem, wer könnte mit wem, wer wird was etc. Was dabei aber oft zu kurz kommt, ist die Ebene der „Policy“: die Frage nach konkreten Gesetzen und politischen Maßnahmen, die mit zukünftigen Regierungen möglich wären.
Oder eben unmöglich. Zumindest wenn es um das Thema Klimaschutz geht, zeichnen sich da in Umfragen eher wenig Fortschritte ab. Denn die FPÖ, deren Parteichef gerne von der „Klima-Sekte“ redet und jedweder Forderung nach Klimaschutz-Maßnahmen eine Absage erteilt, führt die Umfragen an – die Politics-Berichterstattung konzentriert sich darauf, in welcher Form die FPÖ die Macht übernehmen könnte.
Dabei kann das Klima der nächsten Bundesregierung gar nicht egal sein – und da spielt die Meinung der handelnden Personen gar keine große Rolle.
Warum kann das Klima der nächsten Regierung nicht egal sein?
Weil sich Österreich zur Erfüllung der internationalen Klimaziele verpflichtet hat. Geschehen ist das auf der Pariser Klimakonferenz im Jahr 2015, als sich die Staaten der Welt auf einen verbindlichen Pfad zur CO2-Reduktion geeinigt haben. Von vielen wird das als der letzte richtig große Wurf der internationalen Klimapolitik gesehen. Jetzt geht es aber darum, diese Verpflichtungen umzusetzen – was sich in der Praxis oft schwierig gestaltet.
Was ist eigentlich das Pariser Klimaabkommen?
Das Pariser Abkommen wurde 2015 als Teil der United Nations Framework Convention on Climate Change beschlossen und ist ein weltweiter Vertrag, der darauf abzielt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen und Anstrengungen zu unternehmen, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Als Vertrag ist er auch ein völkerrechtliches Dokument, zu dem wir uns verpflichten.
Wie funktioniert diese Verpflichtung?
Jedes Unterzeichnerland des Pariser Abkommens ist verpflichtet, seine eigenen national festgelegten Beiträge vorzulegen, die seine Absicht zur Reduzierung nationaler Treibhausgasemissionen und zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels darlegen. Diese Beiträge müssen alle fünf Jahre aktualisiert (und vorzugsweise verschärft) werden, um den zunehmenden Ambitionen des Abkommens Rechnung zu tragen.
Warum sind die Klimaziele so wichtig?
Die Klimaziele sind wesentlich, um die schlimmsten Folgen des Klimawandels aufzuhalten. Mit jedem Grad Erwärmung mehr steigen etwa sowohl die Häufigkeit als auch der Schweregrad diverser Naturkatastrophen: Wirbelstürme werden stärker und häufiger, Dürren werden länger, Hochwässer und Fluten verheerender. Aber auch beim Artenschutz, beim Abschmelzen der Gletscher, beim Austrocknen von Gewässern oder bei der Erwärmung der Meere geht es darum, die Erwärmung zu begrenzen – daher das Pariser Abkommen.
Was bedeutet ein stärkerer Klimawandel für Österreich?
In einem heimischen Sommer bedeutet das etwa, dass Hitzewellen länger und heißer werden, bevor der stärkere Platzregen das Hochwasser wahrscheinlicher macht. Apropos Wasser: In Kärnten musste die Feuerwehr 2023 schon einige Höfe mit Wasser versorgen, weil die zur Versorgung notwendigen Quellen über den Winter versiegt waren. Und: Wir wissen, dass die Temperaturanstiege in Mitteleuropa verglichen mit anderen Weltregionen besonders hoch ausfallen werden.
Und was, wenn wir unsere Klimaziele ignorieren?
Dann drohen Strafzahlungen. Denn in Sektoren wie Verkehr, Gebäuden und Landwirtschaft sind nationale Emissionsreduktionsziele festgelegt. Wenn ein Mitgliedstaat seine jährlichen Emissionsziele nicht erreicht, muss er Emissionszertifikate auf dem EU-Markt kaufen, um die Lücke zu schließen. Die Kosten dafür variieren je nach Marktpreis der Emissionszertifikate. Und da fangen wir noch gar nicht damit an, dass die Folgen des Klimawandels stärker ausfallen: längere Dürren, größeres Artensterben etc. Welche Auswirkungen besonders wahrscheinlich werden, ist von Land zu Land unterschiedlich.
Welche Anreize folgen daraus?
Vor allem, dass kein Staat in die Lage kommen will, die Klimaziele nicht zu erfüllen, weil dann eine unklare Nachzahlung folgt. Als Richtwert kann man aber „in Milliardenhöhe“ angeben. Das ist ein klarer Anreiz, der auch in die umgekehrte Richtung funktioniert: Würde Österreich seine Klimaziele also übererfüllen, könnte es selbst Zertifikate verkaufen – und damit Gewinn machen, wenn andere Staaten ihre Vorgaben nicht erfüllen. Es braucht also kein großes Umweltbewusstsein in einer Bundesregierung, um Umweltschutz als Chance zu sehen.
Aber wäre Unternehmen nicht geholfen, wenn wir keine Klimaziele hätten?
Nein, denn auch Unternehmen unterliegen EU-Recht. Spezifisch dem EU-Emissionshandelssystem, also dem „Geschäft“ mit CO2-Zertifikaten. Unternehmen, die ihre Emissionsgrenzen überschreiten, müssen diese Zertifikate kaufen – und damit Strafen zahlen. Die Menge an verfügbaren Zertifikaten sinkt über die Jahre ab: Ein klarer Anreiz für jedes Unternehmen, seine eigenen Emissionen zu senken, weshalb auch in Österreich emissionsstarke Konzerne wie die Voestalpine bereits teure Aus- und Umbauarbeiten vornehmen. Eine engagierte Klimapolitik setzt Rahmenbedingungen, die es Unternehmen leichter machen, auf emissionsarme Wirtschaft umzusteigen. So sparen sich Staat und Wirtschaft dauerhaft Mehrkosten.
Und was, wenn die nächste Bundesregierung trotzdem aufs Klima pfeift?
Dann wird sich das bald bemerkbar machen. Kurzfristig darin, dass weniger Menschen auf E-Autos, öffentliche Verkehrsmittel oder andere Maßnahmen für einen nachhaltigeren Lebensstil umsteigen können, weil es an den politischen Maßnahmen dafür fehlt. Mittelfristig darin, dass Österreich Milliarden nachzahlen muss, weil wir unsere Ziele nicht erreichen. Dieses Geld fehlt dann bei Bildung, Gesundheit und anderen staatlichen Aufgaben – und dann wird es richtig ungemütlich, ganz unabhängig von der Außentemperatur.