Finanzausgleich: Kampf um den post-pandemischen Steuerkuchen
Die Verhandlungen zum Finanzausgleich sind im vollen Gange – aber kaum jemand weiß, worum es dabei geht. Komplizierte Begriffe wie „Paktum“ und „15a-Vereinbarung“ schrecken davor ab, aber eigentlich wäre es wichtig, diesen Prozess im Auge zu behalten. Ein Erklärstück dazu, was der Finanzausgleich ist, wie er funktioniert und was das für alle von uns bedeutet.
Du lebst und arbeitest in Österreich. Das heißt auch, dass du laufend Steuern, Gebühren und Beiträge zahlst. Damit finanzierst du öffentliche Leistungen wie die Trinkwasserversorgung, öffentliche Kindergärten und vieles mehr, die du dann wiederum in Anspruch nehmen darfst (oder musst). Welche öffentliche Stelle im Land wie viel von dir bekommt – und wer es wieder wofür ausgeben darf – das regelt der sogenannte Finanzausgleich.
1. Worum geht es beim Finanzausgleich?
Der Österreichische Finanzausgleich (FAG) regelt die Verteilung von Steuermitteln und die finanziellen Transferverflechtungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Gesetzlich ist das derzeit im Finanzausgleichsgesetz aus dem Jahr 2017 festgelegt. Darüber hinaus sind auch andere rechtliche Regelungen an dieses Gesetz geknüpft, zB die „Zielsteuerung Gesundheit“, oder diverse Fonds wie der Pflege- oder Katastrophenfonds. Der aktuelle FAG gilt seit 2017 und wurde aufgrund der Pandemie um zwei Jahre verlängert, bis 31. Dezember 2023. Bis Ende 2023 soll der neue Finanzausgleich beschlossen werden.
Derzeit hat jedes Gebietskörperschaftsebene – also Bund, Länder und Gemeinden – ein paar Steuern, die ihnen jeweils ausschließlich alleine zufließen: Der Bund bekommt die Mittel aus den Dienstgeberbeiträgen für den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) und die CO2-Abgabe, die Länder die Mittel aus dem Wohnabuförderungsbeitrag (1,2 Mrd. EUR ohne Wien), die Gemeinden bekommen die Kommunalsteuer, Grundsteuer und (einen Großteil der) Gebühren.
Darüber hinaus gibt es sogenannte Gemeinschaftliche Bundesabgaben – das sind die große Mehrheit der Steuereinnahmen, zB Lohnsteuereinnahmen und die Einnahme aus der Umsatzsteuer. Dieser gemeinschaftliche Steuerkuchen wird dann zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgeteilt, die sich diese Mittel über Bevölkerungsschlüssel untereinander aufteilen. Ergänzt wird das durch ein komplexes Geflecht von Transfers von Bund an Ländern und Gemeinden (Kostentragungen, Zweckzuschüsse, Finanzzuweisungen), und zwischen Ländern und Gemeinden.
Das klingt nicht nur verwirrend, tatsächlich verlieren beim Finanzausgleich manchmal auch Expert:innen den Überblick: Eine Entflechtung der bestehenden Finanzverflechtungen steht daher bei vielen ganz oben auf der Liste der Reformvorhaben.
2. Worum geht es in den Verhandlungen?
Bei den FAG-Verhandlungen sitzen sich die sogenannten „Finanzausgleichspartner“ gegenüber: Das sind das Bundesministerium für Finanzen (BMF) stellvertretend für den Bund, die Landeshauptleute bzw. deren Finanzreferent:innen für die Länder und die Vertreter:innen von Städte- und Gemeindebund. In mehreren Gesprächsrunden. Über mindestens sechs Monate hinweg wird über die (Neu-)Verteilung des Steuerkuchens und der damit zu finanzierenden Ausgaben und Aufgaben verhandelt. Denn wichtige Zukunftsinvestitionen (Bildung, Kinderbetreuung, Elementarbildung, Investitionen in den Klimaschutz), aber auch ein großer Teil der rasant ansteigenden altersbedingten Ausgaben (Pflege, Gesundheit) werden in Österreich über eine komplexe Aufgaben- und Lastenteilung von Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam finanziert, und bereitgestellt. Gestritten wird zwischen den Verhandlungspartnern unter anderem darum, wer was zahlt bzw bekommt, aber auch um dringend notwendige Strukturreformenin in diesen Bereichen.
Eine Auswahl an Verhandlungs-Schwerpunkten, die für die Bürger:innen in den nächsten Jahren besonders wichtig werden:
- Neuverteilung der gemeinschaftlichen Bundesabgaben: Die Länder und Gemeinden fordern ein größeres Stück vom Steuerkuchen – mit dem Argument, dass die Ausgabendynamik in Bereichen, die großteils von ihnen bereit gestellt werden (zB Bildung, Gesundheit, Pflege), besonders stark sei. Der Bund hält dagegen, dass er die Hauptlast der multiplen Krisenbewältigung der letzten Jahre trage (und daher entsprechend hohe Defizite einfahre, während Länder und Gemeinden sogar Budgetüberschüsse erzielen).
- Gesundheit und Pflege: Beide Bereiche brauchen eine nachhaltige Finanzierung und Strukturreformen, um z.B. gegen den Personalmangel und schlechte Arbeitsbedingungen vorzugehen. Die Kostendynamik ist in beiden Bereichen extrem hoch, weshalb Länder und Gemeinden hier die Hand aufhalten. Im Kampf gegen die Kostenexplosion fordert BM Rauch hier im Gegenzug von den Ländern mehr Willen zu strukturellen Reformen.
- Kinderbetreuung: Angebots- und Qualitätsverbesserungen kosten Geld. Die Gemeinden fordern eine konstante Finanzierung, vor allem auch des laufenden Betreibes. Insgesamt wird es um den Ausbau qualitativ hochwertiger Elementarbildung gehen.
- Klimaschutz und Anpassung: Ein großer Teil der öffentlichen Infrastrukturinvestitionen kommt bereits von den Gemeinden – diese fordern daher zwecks Planungssicherheit eine konstante Finanzierung, vor allem in Hinblick auf Klimaschutz-Maßnahmen. Der Bund schnürte daher Ende 2022 noch ein Gemeindeinvestitionspaket iHv insgesamt einer Milliarde EUR.
- Aufgabenautonomie: Die Reformansätze des Finanzausgleichs 2017 wurden nicht umgesetzt, jetzt fordern die Städte und Gemeinden, einzelne Abgaben selbst einheben zu können, z.B. durch eine Reform der Grundsteuer.
3. Was ist das „Paktum“ zum Finanzausgleich?
Das sogenannte Paktum enthält ergänzende Vereinbarungen zum Finanzausgleichsgesetz. Das sind zum Beispiel Kostendämpfungspfade in den Bereichen Gesundheit und Pflege, aber auch Reformvereinbarungen (z.B. Aufgabenorientierung, Transferreform) und Koordinierungs- und Kooperationsübereinkommen (z.B. Klimaschutzkoordinierungsmechanismus, Transparenzdatenbank). Diese Vereinbarungen sind eine politische Absichtserklärung – umgesetzt wurden die vereinbarten Verbesserungen und Reformen nur, wenn der politische Wille da, das hei0t konkret leider, meist gar nicht oder nur teilweise.
Das stellte auch der Rechnungshof in seiner Evaluierung fest. Als Reaktion darauf forderte er in Zukunft finanzielle Konsequenzen für die verantwortlichen Gebietskörperschaften, wenn sie ihre vereinbarten Aufgaben nicht erfüllen. Auch das dürfte Gegenstand der Verhandlungen sein, die gerade hinter den Kulissen stattfinden.
4. Was ist eine 15a-Vereinbarung?
Der Bund und die Bundesländer können Vereinbarungen über die Angelegenheiten ihres jeweiligen Wirkungsbereiches abschließen, so steht es in Artikel 15a des Bundesverfassungsgesetzes. Daher heißen diese Einigungen eben „15a-Vereinbarungen“, und sie sind für Bund und Länder bindend.
5. Was hat das mit der Kinderbetreuung zu tun?
Die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern im Bereich Elementarbildung und Kinderbetreuung verpflichten den Bund zur Zahlung von Zweckzuschüssen für Investitionen in die Elementarbildung. Die Länder wiederum verpflichten sich im Gegenzug zur Umsetzung von vereinbarten Maßnahmen und Zielen bei Kinderbetreuung, Kindergarten und Elementarpädagogik, z.B. um eine Erhöhung der Betreuungsquoten von über 33 % der Unter-Drei-Jährigen und mehr Sprachförderung.
6. Was hat das mit dem Gesundheitssystem zu tun?
Auch im Gesundheitsbereich gibt es 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern, z.B. zu Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens oder zur Zielsteuerung Gesundheit. So wollen Bund, Länder und Sozialversicherung seit 2017 über die gemeinsame Zielsteuerung-Gesundheit die Finanzierbarkeit des öffentlichen Gesundheitswesens durch eine Ausgabendämpfung sichern, vor allem dadurch, den stationären Bereich und Akut-Krankenanstalten dadurch zu entlasten, mehr in den niedergelassenen Bereich zu bringen. Bisherige Erfolge sind enden wollend – das Thema bleibt daher auch in den laufenden FAG-Verhandlungen brisant.
7. Was hat das mit Klimaschutz zu tun?
Seit 2017 gibt es auch eine 15a Vereinbarung zwischen Bund und Ländern im Bereich Klimaschutz: Und zwar für den Gebäudesektor. Dabei verpflichten sich Bund und Länder, Förderungsmodelle für die Verbesserung des Wärmeschutzes und für einen vermehrten Einsatz von CO2-armer Haustechnikanlagen. Bund und Länder verpflichten sich zudem, diese Maßnahmen auch bei den von ihnen bewirtschafteten Gebäuden anwenden – zwecks Vorbildwirkung.
8. Wie geht das alles jetzt weiter?
Die FAG-Verhandlungen laufen derzeit über drei Arbeitsgruppen zu Gesundheit, Pflege sowie den FAG-Kernthemen. An den Gesprächen der Arbeitsgruppe Gesundheit nehmen auch Vertreter der Sozialversicherung Teil, auch Experten aus Wirtschaft und Gesundheit werden einbezogen. Insgesamt müssen die Verhandlungen bis zum Herbst abgeschlossen sein, damit die Regierungsvorlagen für Finanzausgleichsgesetz und 15a-Vereinbarungen vor Jahresende beschlossen werden können. Der Fortschritt bei diesen hinter verschlossenen Türen stattfindenden Verhandlungen wird dabei nur strategisch an die Öffentlichkeit kommuniziert – z.B. wenn man konkrete Ergebnisse erzielt hat oder es der eigenen Verhandlungsposition nützt.
So machten die Landeshauptleute Anfang Juni medial Druck auf Finanzminister Brunner, indem sie am Rande ihrer Konferenz mit „massiven Leistungsabbau“ drohten, „wenn der Bund nicht zusätzliche Mittel zur Verfügung stellt“. Daher käme auch eine Verlängerung des bestehenden Finanzausgleichs für sie nicht in Frage. Der Finanzminister hält dem entgegen, dass die Länder und Gemeinden Covid- und Teuerungskrise nicht zuletzt aufgrund der Hilfspakete des Bundes finanzielle gut überstanden hätten. Und verweist auf die positiven Maastricht-Salden von Ländern und Gemeinden, die Zahlen des Bundes hingegen sind seit 2020 tiefrot.
Bei diesem Tauziehen um den post-pandemischen Steuerkuchen geht die Diskussion um dringend notwendige Reformvorhaben, wie eine stärkere Aufgabenorientierung und eine massive Entflechtung des Finanzausgleichs, bisher nicht nur medial unter. Große Würfe sollte man sich daher bei diesem Finanzausgleich wohl nicht erwarten – aber die Hoffnung stirbt zuletzt.