FlexCo: Die angekündigte Revolution, die nicht stattfand
Wer einen Gründungsprozess in Österreich schon hinter sich gebracht hat, kennt ihn: den Wunsch nach unbürokratischeren Wegen, um als Unternehmer:in endlich durchstarten zu können.
Das österreichische Gesellschaftsrecht gilt schon lange als reformbedürftig, und selbstverständlich hat auch die Politik dieses Thema seit einiger Zeit für sich entdeckt. Mit immer unterschiedlichen Namen – von light bis zero, ähnlich wie bei Softdrinks – wurden immer wieder schlankere Gesellschaftsgründungen versprochen.
Ambitionierte Ziele und ein Versprechen an die Europäische Kommission
Im letzten Anlauf sollte die neue Kapitalgesellschaft möglichst große Flexibilität bieten: Das Wort FlexCo war geboren.
Ein Gutachten im Auftrag von Wirtschaftsministerin Schramböck erschien im Jahr 2020 noch sehr ambitioniert. Darin wurden weitgehende Reformen angeregt: die Abschaffung der Notariatsaktpflichten, Vereinfachungen bei Kapitalerhöhungen, Zulässigkeit der englischen Sprache bei Gesellschaftsverträgen oder Einführung moderner Formen der Mitarbeiter:innenbeteiligung.
Voller Zuversicht wurde die Reform auch in den österreichischen EU-Wiederaufbauplan aufgenommen. Der Europäischen Kommission versprach die österreichische Bundesregierung die Einführung einer neuen Gesellschaftsform im Rahmen eines Gründer:innen- bzw. Deregulierungspakets. Dadurch sollte die Attraktivität des Wirtschaftsstandort erhöht werden. Man hat sich eine „starke Signalwirkung für Österreich als Gründerland“ erhofft.
Der darin vorgesehene Zeitplan? Für das 1. Quartal 2022 wurde das „Inkrafttreten einer gesetzlichen Grundlage zur Einführung einer neuen Gesellschaftsform“ versprochen. Zwei Quartale später ist aber noch immer keine neue solche in Sicht – weder Light noch Zero noch Flex.
Bürokratieweltmeister statt Gründerland
Gründungen dauern in Österreich im internationalen Vergleich besonders lang. Eine vom Wirtschaftsministerium beauftragte Studie bestätigte Mitte Mai 2022 „Hemmnisse und Engpässe einer weitreichenden und teils restriktiven Gründungsbürokratie“ in Österreich. Erwähnt wird auch, dass Österreich im Jahr 2019 Platz 105 von 141 bei der Dauer einer Gründung belegt.
Um welche Hemmnisse es sich handelt, ist bekannt. Zum Beispiel ist in vielen Fällen eine notarielle Beratung samt Anwesenheitspflicht nötig. Dazu kommt die Notwendigkeit der Gründung auf Deutsch, die viele Zwischenschritte für internationale Investor:innen nötig macht, und allgemein das Fehlen von Möglichkeiten, rein digital z.B. eine GmbH zu gründen, die mehr als eine:n Gesellschafter:in hat.
Dazu kommt, dass Mitarbeiter:innenbeteiligung in Österreich besonders kompliziert und daher höchstens für wenige große Unternehmen interessant ist. Gerade dieses Instrument ist international aber bereits State of the Art und wird besonders bei jungen Unternehmen genutzt, um gute Mitarbeiter:innen anzuwerben oder bestehende an das Unternehmen zu binden.
Blockade in Österreich – und ihre stolzen Väter und Mütter
Die Gründe für den Stillstand sind ebenso alt wie die Forderungen nach Reformen. In diesem Fall ist es die junge Justizministerin Zadić, die mit alten, konservativen Positionen ein Weiterkommen blockiert.
Selbstverständlich wehrt sich die Notariatskammer, ganz im Schutz eigener Interessen, gegen eine Streichung von Notariatsaktspflichten. Immer wieder wird daher der Rechtsschutz als Grund für den Erhalt des österreichischen Formalismus ins Treffen geführt. Unbestritten ist, dass Notar:innen bei der Wahrung des Rechtsschutzes eine wichtige Funktion zukommt. Insbesondere dort, wo einer Partei Übervorteilung oder rechtliche Fehleinschätzungen drohen, z.B. beim Kauf von Immobilien durch Private oder bei Erbverträgen.
Anders sieht dies aber bei Gründungen von Gesellschaften aus. In manchen Fällen sind dutzende Anwält:innen und Rechtsabteilungen Monate davor mit der Vorbereitung dieses Rechtsgeschäfts beschäftigt. Es liegt somit auf der Hand, dass in solchen Fällen kein Mehrwert durch das Vorlesen des Vertrags gegeben ist. Letztlich wird das Schutzargument komplett von der Tatsache ausgehebelt, dass jene Unternehmer:innen, die diesen zusätzlichen Schutz haben wollen, diesen auch weiterhin freiwillig in Anspruch nehmen könnten. Diese Bevormundung klingt mehr nach dreistem Interessenschutz heimischer Notar:innen als nach Nächstenliebe oder Rechtspflege.
Mit Sorgen dogmatisch-populistischer Natur wird die Mitarbeiter:innenbeteiligung blockiert. Diesem international von Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen weit genutzte und beliebte Instrument stehen ÖGB und AK skeptisch gegenüber. Gewarnt wird davor, dass Mitarbeiter:innen überfordert werden oder sie z.B. auf wertlosen Anteilen eines Restaurants sitzenbleiben könnten. Hierbei wird aber übersehen, dass solche Beteiligungen vorwiegend in jungen, innovativen Unternehmen ausgegeben werden und es Mitarbeiter:innen auch freisteht, ob sie diese in Anspruch nehmen. Der Arbeitnehmer:innenschutz sollte also selbstverständlich dabei berücksichtigt werden – allein deshalb sollte die Einführung eines so gängigen wie beliebten Instruments aber nicht blockiert werden.
Was die Gründung auf Englisch angeht, wehrt sich die Bürokratie selbst: Es soll deshalb nicht möglich sein, da kein:e Rechtspfleger:in über entsprechende Sprachkenntnisse verfügt. Dieses Argument erscheint geradezu absurd, da man solche Kapazitäten zumindest an ein paar Stellen in Österreich bereitstellen könnte. Stattdessen verwehrt man sich der internationalen Realität und bleibt weiterhin unattraktiv.
Nicht nur in der Startup-Szene wächst die Verwunderung über den unnötigen Stillstand mitten in einer schweren Wirtschaftskrise. Ganz nebenbei sei erwähnt, dass dies auch zur Folge hat, dass Gelder aus dem EU-Wiederaufbauplan nicht fließen. Alle Steuerzahler:innen in Österreich sitzen somit im selben Boot – direkt wie indirekt geschädigt vom anhaltenden Stillstand in der österreichischen Wirtschaftspolitik.