Gesetzesmarathon im Nationalrat – ein Finale voller Versprechen und Fragen
Die kommenden drei Plenartage im Nationalrat markieren das große Finale der aktuellen Gesetzgebungsperiode. Diese Sitzung ist mit fast 60 geplanten Entscheidungen an drei Sitzungstagen ein wahres Feuerwerk an Gesetzesbeschlüssen. Man könnte meinen, die Abgeordneten wollen in den letzten Zügen der Legislaturperiode noch einmal alles geben. Doch die zentrale Frage bleibt: Reicht die schiere Menge an Gesetzesbeschlüssen aus, um die relevanten Fragen unserer Zeit zu beantworten?
Geplante Gesetzesvorhaben
- Gesetzespaket zur Erleichterung von Sammelklagen: Ein großer Schritt, der geschädigten Konsument:innen die Durchsetzung ihrer Ansprüche erleichtern soll. Dies könnte ein Meilenstein für Verbraucherrechte werden oder lediglich ein weiteres Kapitel im Buch der EU-Vorgaben.
- Auflösung der COFAG: Die Aufgaben der COVID-19-Finanzierungsagentur sollen auf das Finanzministerium übertragen werden. Dies wird von vielen als längst überfällig betrachtet, da die COFAG immer wieder heftig kritisiert wurde.
- Neuer rechtlicher Rahmen für Telearbeit: Arbeitnehmer:innen, die außerhalb der eigenen Wohnung arbeiten, sollen zukünftig unfallversichert sein. Ob dies die ersehnte Flexibilisierung des Arbeitsmarkts oder nur eine weitere bürokratische Hürde darstellt, wird die Praxis zeigen.
- Steuertransparenz und Genossenschaftsrecht: Mehr Steuertransparenz bei multinationalen Konzernen und eine Reform des Genossenschaftsrechts sind ebenfalls geplant. Diese Maßnahmen könnten entweder zu mehr Steuergerechtigkeit führen oder nur ein weiteres Kapitel in der endlosen Geschichte der Steuervermeidung darstellen.
- Erhöhung der Zuverdienstgrenze: Im Sozial- und Gesundheitsbereich sind verschiedene Verbesserungen geplant, darunter die Anhebung der Zuverdienstgrenze bei der Familien- und Studienbeihilfe.
- Neuerungen für Zivildiener und Heimhelfer:innen: Zivildiener dürfen sich auf einen „Papamonat“ freuen, und Heimhelfer:innen erhalten erweiterte Befugnisse.
- Tierschutzgesetz und PV-Anlagen: Das Tierschutzgesetz wird novelliert, und ein „Made-in-Europe-Bonus“ für PV-Anlagen ist geplant.
- Steuerbefreiung für Lebensmittelspenden und Betrugsbekämpfung: Lebensmittelspenden sollen von der Umsatzsteuer befreit werden, und ein neues Betrugsbekämpfungsgesetz soll gegen Scheinfirmen und Abgabenhinterziehung vorgehen.
- Mehr Geld für Gemeinden und Feuerwehren: Ein Novum im Finanzausgleichsgesetz bringt 920 Millionen Euro für die Gemeinden.
- Internationale Hilfe und weitere Finanzvorlagen: Zur Unterstützung der Ukraine und zur Bekämpfung von Hunger und Armut sollen internationale Fonds gestärkt werden.
- Fahrgastrechte und digitale Verwaltung: Im Verkehrsbereich werden die Fahrgastrechte gestärkt, und es sind Weiterentwicklungen im Bereich digitale Verwaltung und Cybersicherheit geplant.
- Schulpaket und Verfassungsnovellen: Ein Digitalisierungspaket für Schulen und zwei Verfassungsnovellen stehen zur Diskussion.
- Podcast-Förderung und Medienpaket: Eine neue Podcast-Förderung wurde bereits beschlossen, und die Fördermittel für den Privatrundfunkfonds sollen aufgestockt werden.
- Volksbegehren und Berichte: Drei Volksbegehren stehen zur Beratung: Rückzahlung von Corona-Strafen, Aufhebung der Corona-Impfpflicht und bessere Bezahlung von Pflegekräften.
Aktuelle Stunde: Klimakrise im Fokus
Die Grünen haben das Thema der Aktuellen Stunde am Mittwoch gewählt: „Hitze, Unwetter und Klimakrise gefährden unsere Gesundheit – aktiver Klimaschutz schützt die Bevölkerung“. Trotz der Brisanz des Themas könnte man meinen, die Themen der Aktuellen Stunden kämen aus einem Drehbuch für politische Vorhersehbarkeit. Man hätte auch einfach das Klimaschutzgesetz beschließen können (siehe unten).
Brisante Punkte und Misstrauensantrag
Ein weiterer brisanter Punkt ist der Misstrauensantrag der FPÖ gegen Umweltministerin Leonore Gewessler. Anlass ist ihre Zustimmung zum EU-Renaturierungsgesetz. Zudem wird der Nationalrat erst im September über die neuen Regeln für die Beschlagnahme und Datenauswertung von Handys beraten.
Dringlichkeit der Bildung zu Beginn der Ferien
NEOS fordern in einem Dringlichen Antrag umfassende Reformen im österreichischen Bildungssystem, um bessere Bildungschancen und faire Möglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten. Eine Umfrage zeigt, dass Eltern das Schulsystem und die Arbeit des Bildungsministers kritisch sehen. Hauptsorgen sind Lehrkräftemangel, unzureichende Vorbereitung auf das Leben, schwieriges Verhalten, Mobbing und Integrationsprobleme.
Ziele und Maßnahmen:
- Bürokratieabbau: Schulen sollen autonomer werden, Verwaltung digitalisiert und Verwaltungspersonal aufgestockt werden.
- Personalaufstockung: 20.000 neue Pädagog:innen und Lehrkräfte in den nächsten zehn Jahren.
- Umgang mit Fehlverhalten: Mehr Fortbildung für Lehrkräfte und Einsatz von Sozialarbeiter:innen und Psycholog:innen.
- Lebensnahe Bildung: Lehrpläne sollen praxisbezogener gestaltet werden, mit Fokus auf Selbstmanagement, Finanzbildung und Berufsorientierung.
Eine Mehrheit wird es dafür wahrscheinlich nicht geben. Es steht aber symbolisch für die vielen verpassten Chancen dieser Gesetzgebungsperiode.
Verpasste Chancen
Trotz der vielen Gesetzesvorhaben gibt es zahlreiche Bereiche, in denen die türkis-grüne Regierung ihre Versprechen nicht eingelöst hat:
- Steuerbelastung erhöht: Die versprochene Senkung der Steuer- und Abgabenquote auf 40 Prozent wurde nicht umgesetzt.
- Mehr Schulden: Die Schuldenquote ist gestiegen, statt gesenkt zu werden.
- Zu viel Bürokratie: Die geplanten Bürokratieabbau-Pläne fehlen.
- Keine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte: Effiziente Verfahren für qualifizierte Zuwanderung fehlen.
- Arbeitslosengeld kein Sprungbrett: Die Weiterentwicklung des Arbeitslosengelds wurde nicht umgesetzt.
- Kein Klimaschutzgesetz: Das Klimaschutzgesetz wurde nicht verabschiedet.
- Mittlere Reife fehlt: Das 9. Schuljahr bleibt eine Sackgasse.
- Kein Bundesstaatsanwalt: Eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft wurde nicht geschaffen.
- Spekulationssteuer bleibt: Kleine Sparer zahlen hohe KESt.
- Keine neue Sicherheitsstrategie: Die Sicherheitsstrategie von 2013 ist veraltet.
- Keine gerechten Pensionen für Frauen: Das automatische Pensionssplitting wurde nicht umgesetzt.
- Verschärfte Lage in der Elementarbildung: Die versprochenen Qualitätsstrategien für Kindergärten fehlen.
- ORF bleibt politischer Spielball: Ein Gesetz zur Unabhängigkeit des ORF wurde verschoben.
- Abschiebungen unmöglich: Es fehlen Rücknahmeabkommen für kriminelle Asylwerber.
- Abhängigkeit von Russland: Österreich importiert weiterhin viel russisches Gas.
Fazit: Qualität über Quantität
Während die Vielzahl der geplanten Gesetze beeindruckend ist, bleibt die Frage, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die relevanten Probleme effektiv anzugehen. Ein Ansatz, der allein auf Quantität setzt, kann die tiefgreifenden und oft komplexen Fragen, die die Gesellschaft bewegen, nicht beantworten. Es bedarf qualitativer, durchdachter und langfristiger Lösungen, um nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Die aktuelle Gesetzgebungsperiode war geprägt von einer Fülle an Regelungen (man erinnere sich an die Corona-Notfallgesetzgebung), doch fehlten oft die richtigen Prioritäten und die notwendige Qualität. Es ist Zeit für eine neue Gesetzgebungsperiode, die den Fokus stärker auf nachhaltige und durchdachte Lösungen legt.