Hat die Arbeiterkammer ein Legitimationsproblem?
Die hohen Einnahmen der Kammern sorgen für Schlagzeilen. Ein großer Budgetposten sollte dabei aber besser berücksichtigt werden: der für die Arbeiterkammer-Wahlen.
Die Kammer für Arbeiter und Angestellte, kurz Arbeiterkammer, ist die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer:innen in Österreich. Ihre Aufgabe ist es, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen von Arbeitnehmer:innen zu vertreten und zu fördern. Da die Mitgliedschaft in der Arbeiterkammer verpflichtend ist, ist vollumfassende Transparenz im Umgang mit Zwangsbeiträgen – die sonst den Arbeitnehmer:innen direkt zukommen würden – mehr als nur angebracht.
Überschüsse in Höhe von 54 Millionen Euro. Rücklagen in Höhe von 600 Millionen Euro. Das sind Zahlen, die sich aus den einzelnen Rechnungsabschlüssen schön herauslesen lassen und auch in den vergangenen Wochen für heftige Schlagzeilen gesorgt haben. Und da redet noch niemand über einen weiteren großen Brocken im Budget der Arbeiterkammer: Dem für die AK-Wahlen.
Die untenstehenden Zahlen und darauf aufbauenden Grafiken basieren auf einer Recherche der im Sommer 2023 veröffentlichten Rechnungsabschlüsse der Arbeiterkammern aller neun Bundesländer, wobei die Bundesarbeitskammer und die Arbeiterkammer Wien de facto eine Entität darstellen. Diese Rechnungsabschlüsse erscheinen einmal jährlich und bringen jedes Mal aufs Neue jede Menge Informationen mit sich, die – sofern sie auch gefunden werden – durchaus Aufmerksamkeit und vor allem Unverständnis auslösen können.
Hohe Beiträge, hohe Rückstellungen
Die erste AK-Wahl fand wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs statt, im Jahr 1949. Seither werden diese Wahlen alle fünf Jahre abgehalten. Dieser und viele weitere Abläufe rund um die AK-Wahl lassen sich leicht in der 61-Paragraf-hauchdünnen Arbeiterkammerwahlordnung nachschlagen. Was sich jedoch auch leicht nachschlagen lässt – und zwar anhand der Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre – ist die sogenannte Wahlrückstellung.
Genauso wie viele Menschen in Österreich für wiederkehrende Ereignisse wie beispielsweise Reisen eine gewisse Summe ansparen, macht dies logischerweise auch jede seriöse Organisation. So auch die Arbeiterkammer. Der Unterschied vom privaten Leben zur Wahlrückstellung der Arbeiterkammer ist jedoch, dass der Kreativität der Kammer von Seiten der Aufsichtsbehörde offensichtlich keine Grenzen gesetzt werden. Die Einnahmen aus Zwangsmitgliedsbeiträgen sind im Kern aufgrund der Inflation und Mehrbeschäftigung gestiegen. Nun weiß man offensichtlich nicht, wohin mit dem vielen Geld, das von den Mitgliedern erarbeitet wurde.
Denn: Die AK-Wahlrückstellung befindet sich im Jahr 2022 – also zwei Jahre vor der kommenden AK-Wahl – auf einem absoluten Rekordniveau: 37 Millionen Euro.
Als diese Zahlen öffentlich wurden, gab es zunächst nur auf Twitter, später aber auch beispielsweise in Medien wie dem Standard zahlreichen Diskussionsbedarf ob dieser Zahlen. Der Nationalratsabgeordnete Gerald Loacker sprach in diesem Kontext von „dubiosen Rücklagen“, die gebildet werden würden, da man nicht mehr wisse, wohin man das viele Geld stecken solle. Arbeiterkammer-Direktorin Silvia Hruška-Frank entgegnete daraufhin, dass es „demokratiepolitisch problematisch“ sei, Kosten für eine Wahl als „unerhört“ darzustellen.
So weit, so klar. Aber mit einem Blick auf die Zahlen wird schnell klar, dass es neben der viel zu hohen Wahlrückstellung eine weitere Schwachstelle in der Argumentation der Arbeiterkammer geben muss.
Eine sehr teure Wahl für die Zwangsmitglieder
Wie bereits erwähnt wurde, finden die Arbeiterkammer-Wahlen alle fünf Jahre statt. Wahlberechtigt sind all ihre Mitglieder, zuletzt waren es knapp 3,1 Millionen. Zum Vergleich: Bei der letzten Nationalratswahl, die im selben Jahr wie die letzte Arbeiterkammerwahl stattgefunden hat, sind etwas mehr als doppelt so viele, nämlich 6,4 Millionen Bürger:innen wahlberechtigt. Davon gehen aber nicht viele wirklich wählen:
Ein genauer Blick auf die Wahlbeteiligung lässt erkennen, dass der Trend bei den Arbeiterkammerwahlen deutlich negativer ist als bei den Nationalratswahlen – auch da sinkt die Wahlbeteiligung zwar generell, aber liegt immer noch bei über 70 Prozent.
Die Arbeiterkammer hat für ihre Wahl im kommenden Jahr 37 Millionen Euro zurückgestellt. Aber jetzt kommt das pikante Detail an der Sache: Eine Nationalratswahl kostet 20 Millionen Euro. Während also 6,4 Millionen Menschen bei der Nationalratswahl um 20 Millionen Euro ermöglicht wird, von ihrem demokratischen Grundrecht Gebrauch zu machen, hortet die Arbeiterkammer fast das Doppelte für die Abwicklung ihrer eigenen Wahlen – bei der nur die Hälfte der Personen teilnimmt.
Das aufzuzeigen, ist weder demokratiepolitisch problematisch noch unerhört. Dass die Wahlrückstellung im Vergleich doppelt so hoch ist wie noch unmittelbar vor der Arbeiterkammerwahl im Jahr 2014, ist eine Tatsache. Die Wahrheit ist, dass die Arbeiterkammer es selbst in der Hand hätte, etwas Gutes für Ihre Mitglieder zu vollbringen – nämlich sie nicht mehr in Geiselhaft zu halten. Wer gute Arbeit leistet, braucht keine Zwangsmitgliedschaft, um seine Existenz zu sichern.