Neue Abenteuer mit der Gießkanne
Auch 2023 kommen vom Staat wieder hohe Hilfs- und Ausgleichszahlungen. Diese sind selten treffsicher, heizen aber auf jeden Fall die Inflation an. Was es braucht, um einen besseren Umgang mit Steuergeld zu ermöglichen.
Es ist eine Situation, die man sich vor ein paar Jahren noch nicht hätte vorstellen können – aber mittlerweile ist es ein ganz normales Gesprächsthema, wie viel Geld man dieses Jahr vom Staat bekommt.
Was früher eine Wunschvorstellung linker Utopisten gewesen wäre, die irgendwo zwischen „bedingungslosem Grundeinkommen“ und Kommunismus angesiedelt sind, ist durch die zahlreichen Hilfszahlungen Realität geworden. Durch Boni, Zulagen, Förderungen und Ausgleichszahlungen versuchen Bund und Länder, das Schlimmste der Teuerung abzufedern.
Gießkannen-Bewusstsein – am Beispiel des Klimabonus
So wird z.B. der Klimabonus 2023 wieder an alle Haushalte ausbezahlt. Für alle, die sich nicht erinnern: Das sind die 500 Euro, die letztes Jahr jeder bekommen hat, nur eben nicht zur gleichen Zeit.
Durch die unsichere Energiesituation, steigende Strompreise und hohe Inflation haben viele vergessen, wozu der Klimabonus eigentlich gedacht war: Als Abfederungsmaßnahme zur CO2-Steuer. Wer in einer Stadt wohnt, in der öffentliche Verkehrsmittel besonders gut ausgebaut sind – also: wer in Wien wohnt – bekommt weniger Ausgleichszahlung, wer auf das Auto angewiesen ist und an der Tankstelle vorerst nicht anders kann, bekommt mehr. So sollte sichergestellt werden, dass niemand am Ende mehr zahlt als vorher, aber klimafreundliches Verhalten sich lohnt. Eine klassische Steuerungswirkung.
Der CO2-Preis ist jetzt da – aber durch die hohe Teuerung fällt er nur als ein weiterer Faktor unter vielen ins Gewicht. Während viele Menschen nicht wissen, wie sie ihre ständig steigenden Kosten für Mieten, Heizung und Lebensmittel stemmen können, wird der Klimabonus dieses Jahr zum „daily business“: Laut Website des BMK wird er dieses Jahr in der ursprünglichen Form ausbezahlt, also nach Wohnort und Verkehrssituation gestaffelt. „Geld vom Staat“ kommt jetzt also fürs Erste jedes Jahr.
Die Aufzählung wird länger
Das heißt aber nicht, dass andere Maßnahmen vom Tisch sind: Um die Teuerung weiter abzufedern, fordern die Grünen etwa eine Mietpreisbremse. Dieses Modell sorgte bisher überall, wo es ausprobiert wurde, kurzfristig dafür, dass sich Bauen, Vermieten und Sanieren nicht mehr lohnt – und langfristig dafür, dass Mieten umso teurer werden, sobald man das wieder korrigiert. Als Kompromiss wird jetzt über eine zusätzliche Wohnförderung nachgedacht, mit der Mieter:innen ihre steigenden Kosten kurzfristig besser stemmen könnten.
Dazu kommt noch, dass die Hilfen gegen die Teuerung paradoxerweise genau diese antreiben. Wenn Geld an Wert verliert, aber mehr Geld in den Markt gepumpt wird, wird die Nachfrage künstlich hochgehalten: Menschen verhalten sich also eigentlich anders, als sie es tun würden, wenn sie die Preissteigerungen rational sehen müssten. Wer sich etwas nicht leisten kann, wird es nicht kaufen können und schauen, wo man sparen kann – wenn aber der Staat mehrere hundert Euro pro Jahr ausbezahlt, völlig unabhängig von dem, was man eigentlich bräuchte, wird weiter konsumiert, als wäre nichts geschehen. Das Geld wird noch weniger wert.
Zielgerichtet zu helfen, gerade in einer Ausnahmesituation, ist eine nachvollziehbare Idee. Das Problem ist nur: In der Praxis scheitert es am „zielgerichtet“. Um das zu demonstrieren, muss man nur einen Blick auf die Liste an Maßnahmen werfen, mit denen Bürger:innen im letzten Jahr Geld bekommen haben: Corona-Kurzarbeit, Härtefallfonds, Corona-Hilfsfonds, Fixkostenzuschuss, Verlustersatz, Ausfallsbonus, Klimabonus, Energiekostenzuschuss und -ausgleich, Ökostrompauschale, Teuerungsausgleich, Erhöhung der Pendlerpauschale, Erhöhung des Kindermehrbetrags, Teuerungsprämie.
Wie viel hat das jetzt alles gekostet? Eine Analyse des NEOS Lab über die Corona- und Energiehilfen zwischen 2020 und 2022 zeigt, dass in Österreich pro Kopf 6.823 Euro ausgegeben wurden. Zählt man die Summe der bisher gesetzten Maßnahmen, die auch wirklich beziffert werden, zusammen, landet man bei über 50 Milliarden Euro. Gerade bei strukturellen Maßnahmen sind diese Zahlen aber nicht einfach festzustellen, weil sie langfristig wirken, etwa die Abschaffung der kalten Progression oder die Valorisierung von Sozialleistungen. Wie hoch die Hilfszahlungen durch die Gießkanne sind, entwickelt sich laufend, immerhin werden laufend neue Hilfsinstrumente geschaffen.
Österreich braucht Strukturreformen
Mittlerweile ist die Erkenntnis, dass „jeder wird schon etwas bekommen“ nicht der beste Ansatz ist, hoffentlich auch in der Bundesregierung angekommen. Als erstes positives Zeichen darf man die Ankündigung verstehen, dass beim neuen Wohnkostenzuschuss auf Treffsicherheit geachtet wird – wer ihn wirklich braucht, kann ihn beantragen, wer sich die Wohnkosten weiterhin einfach leisten kann, bekommt nichts. Das Geld dafür geht allerdings an die Länder, die sich um diese treffsichere Ausgestaltung kümmern sollen. Ob das in der Praxis funktioniert, muss erst beobachtet werden.
Aber auch diese Maßnahme ändert nichts am Grundproblem: Österreich agiert im Blindflug. Solange der Staat keine Ahnung hat, was das Volk braucht, kann er auch nicht effektiv helfen. Das hindert die Bundesregierung nicht daran, weiterhin munter Geld auszugeben und zu hoffen, dass bei jedem irgendetwas ankommen wird. Aber das ist keine anständige Lösung – das ist Improvisieren und Hoffen.
Für einen besseren Umgang mit Steuergeld bräuchte die Republik Strukturreformen, die beim Umgang mit Daten anfangen. Könnte man z.B. Daten aus dem Melderegister mit Daten aus FinanzOnline verbinden, wäre schon viel möglich: Wer unter einer gewissen Grenze verdient, bekommt mehr Förderung als Ausgleich, wer fünfstellige Beträge verdient, braucht keine Unterstützungszahlungen.
Natürlich müsste die Politik sich dann mit der Frage beschäftigen, wer Hilfszahlungen wirklich verdient, keine leichte Frage. Aber das wäre allemal besser, als allen in Österreich Geld zu schenken, das in vielen Fällen gar nicht gebraucht wird, aber auf jeden Fall die Inflation anheizt. Dieses Geld wäre in Zukunftsinvestitionen für Bildung, Forschung oder Klimaschutz wesentlich effizienter verwendet – im Unterschied zur Gießkanne wäre das wirklich im Interesse aller, die Steuern zahlen.