Österreich gehen die Lehrkräfte aus
Österreichs Bildungssystem hat in einigen Bereichen Reformbedarf. Eines dieser Probleme ist auch ein demografisches: Österreich drohen die Lehrkräfte auszugehen.
Wie drängend das Altersproblem in der Bildung ist, merkt man an dieser einen Zahl: 35 Prozent der Lehrer:innen in Österreich sind älter als 55 Jahre. Das bedeutet, dass die Pension ansteht – und Stunden anfallen, die jemand anderer bedienen muss.
Dass sich das nicht ausgeht, legt das andere Ende der Statistik nahe: 22 Prozent sind unter 35 Jahre, also etwas mehr als jede:r Fünfte.
Dass die wenigen jungen Lehrer:innen die Arbeit der vielen älteren nicht 1:1 übernehmen können, ist logisch. Dazu kommt aber noch ein Problem: Viele arbeiten Teilzeit, z.B. um ihr Masterstudium abzuschließen.
Auch international ist das übrigens ein „Top-Wert“, nur eben leider negativ. Nur in Lettland, Litauen, Griechenland, Bulgarien und Ungarn steht ein noch größerer Teil der Lehrkräfte so kurz vor der Pension.
Je nach Fach und Bundesland ist dieser Mangel unterschiedlich ausgeprägt. Rechnet man z.B. die Lehrkräfte unter 35 und die Lehramt-Studierenden zusammen, sieht man, dass die Rechnung in Volksschulen leicht aufgehen könnte – in Berufsschulen und der BMHS scheint es aber eng zu werden.
Ungleiche Aufteilung auf Fächer
Ein weiterer Grund, warum der Lehrkräftemangel in den nächsten Jahren gravierender werden dürfte, ist die ungleiche Aufteilung in den Fächerkanon. Während es z.B. an Englischlehrer:innen kaum mangelt, drohen Engpässe in den wissenschaftlichen Fächern Physik, Chemie und Biologie, aber auch z.B. in Bewegung und Sport, Musik oder Bildnerischer Erziehung. Dazu kommen Fächer wie Kroatisch im Burgenland, wo es vor allem regional einen Bedarf gibt.
Die Folgen des Lehrer:innen-Mangels
Fassen wir also zusammen: Die Branche steht vor einer großen Pensionierungswelle, die nicht im gleichen Ausmaß durch Junge ersetzt wird. Diese arbeiten länger Teilzeit und können damit nicht alle Stunden schultern, die ihre Vorgänger:innen im Klassenzimmer geleitet haben. Je nach Fach ist das Problem unterschiedlich ausgeprägt – und in einigen wird es besonders eng.
Konkret bedeutet das, dass viele Stellen nicht besetzt werden können. In Niederösterreich, wo schon im März 2022 vor einer Notsituation gewarnt wurde, konnten z.B. laut Bildungsdirektion nicht alle Stellen besetzt werden. Der einzelne Ausreißer in der Statistik liest sich weniger dramatisch als die Folgen vor Ort. Wo sich keine Lehrkraft für Fächer wie Physik findet, haben die Kinder konkrete Bildungsnachteile – und bekommen vielleicht nie die Chance, sich für den Bereich zu begeistern, in dem ihre Zukunft liegen könnte.
Aktuell können viele drohende Engpässe noch ausgeglichen werden, indem man auf pensionierte Lehrkräfte und auf Studierende zurückgreift. Diese leisten damit allerdings Überstunden, während der Aufwand des Studiums nicht weniger wird. Und es ist keine nachhaltige Lösung, auf Dauer auf Mehrarbeit zu setzen, die eigentlich im System nicht vorgesehen ist.
Für die Politik bedeutet das Handlungsbedarf. Es muss die Frage gestellt werden, wie man mehr junge Menschen für den Lehrberuf begeistern kann, wie man die Arbeitsbedingungen verbessert und wie man gerade in besonders akuten Mangelfächern Anreize schafft.