Die 6 größten Hürden für Österreichs Unternehmen
Der Start des eigenen Unternehmens ist mit Sicherheit in jedem Land eine große Herausforderung. Unternehmer:innen brauchen viel Mut, um das finanzielle Risiko tragen zu wollen. Gleichzeitig kosten zahlreiche bürokratische Pflichten sie viel Kraft und Zeit. Dazu kommt, dass die Rahmenbedingungen und damit die Ausdauer, die Unternehmer:innen mitbringen müssen, sich von Land zu Land ganz wesentlich unterscheiden. Eine Regierung kann und muss sogar wesentlich dazu beitragen, dass das wirtschaftliche Umfeld und die Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich mithalten können. Nur so kann der Wohlstand für das Land und die Menschen, die darin wohnen, erhalten bzw. sogar erhöht werden.
Gerade in Österreich ist viel Arbeit offen geblieben. Die so dringend notwendigen Reformschritte sind dabei umfassend.
1. Financial Literacy
Viel Potenzial wird bereits lange vor dem Start ins Unternehmertum liegen gelassen, wie OECD-Studien zeigen. Österreicher:innen dümpeln im Bereich Finanzbildung nur im Mittelfeld dahin. Dies wird auch durch Umfragen bestätigt, wie z.B. im Jugendbericht des Financial Life Park der Erste Bank, wonach 60 Prozent der Jugendlichen sich diesbezüglich nicht hinreichend vorbereitet fühlen. Das erscheint auch nicht verwunderlich, wenn ein Drittel noch nie über den Umgang mit Geld gesprochen hat und Begriffe wie „Zinseszinsen“ bis ins Erwachsenenalter unklar bleiben.
Verbesserungen in diesem Bereich würden nicht nur die Unternehmer:innen von morgen vom Start weg mit optimierten unternehmerischen Fähigkeiten ausstatten, sondern der gesamten Bevölkerung dringend notwendige Qualifikationen mitgeben: Das beginnt beim Unterzeichnen des ersten Handyvertrags, geht weiter zur Frage der Bewertung eines Kreditvertrags und endet bei der Einschätzung der Notwendigkeit einer privaten Pensionsvorsorge – weg von der Nullnummer Sparbuch hin zu diversifizierten Anlageformen. Angesichts der anhaltend niedrigen Leitzinsen würde ein solcher Verhaltensumschwung das Vermögen österreichischer Haushalte nachhaltig erhöhen und nebenbei den Kapitalmarkt in Österreich beleben. Vonseiten der Bundesregierung wurden immerhin erste Schritte in Sachen Finanzbildung gesetzt, von Ländern wie Schweden oder Dänemark ist Österreich aber noch sehr weit entfernt.
2. Schwierigkeiten beim Gründen
Ganz massiv treten die ungleichen Wettbewerbsbedingungen während der ersten Schritte der Unternehmensgründung hervor. Gründungen, die in Lettland oder Frankreich maximal vier Tage dauern, brauchen in Österreich das Fünffache an Zeit. Noch im Herbst 2021 bestätigte der damalige Finanzminister Gernot Blümel, dass bereits ein erster, einfacher Schritt – die Ausstellung einer Steuernummer – nur in 25 Prozent der Fälle innerhalb von 24 Stunden möglich ist.
Eine rein digitale Gründung ist in Österreich nach wie vor nur selten möglich – lediglich bei zwei Rechtsformen, dem Einzelunternehmen und der Ein-Personen-GmbH. Selbst diese Lösung stellt die Anwender vor viele Probleme, die sich in komplexen Verfahren allein gelassen fühlen, ohne Antworten zu speziellen Fragen einholen zu können. Dieser Umstand erklärt wiederum die von Ex-Bundesministerin Margarete Schramböck dargelegten Zahlen: Nur 4 Prozent aller Gründungen erfolgen ausschließlich elektronisch. Bei allen anderen Gesellschaftsformen steht den angehenden Unternehmer:innen lediglich eine als One-Stop-Shop bezeichnete Linksammlung namens „Unternehmensserviceportal“ zur Verfügung.
Zum Vergleich: In Neuseeland können alle relevanten Schritte über eine zentrale Stelle gebündelt online abgewickelt werden – vom Firmennamen über die Steuernummer bis hin zur Anmeldung als Arbeitgeber:in. Gleichzeitig gibt es auch für ausländische Unternehmen, die sich in Neuseeland ansiedeln möchten, eine zentrale und einfache Anlaufstelle, was viel mehr der Idee eines One-Stop-Shops entspricht. Obwohl das Problem erkannt wird, werden die vielen Antragsstellen in Österreich nicht gebündelt, sondern einfach nur um Verweise auf die anderen Websites ergänzt und umetikettiert. Das beschleunigt aber keine Prozesse und schafft auch nicht die dringend nötige Übersichtlichkeit.
3. Die Gewerbeordnung
Nicht nur der Wille von Jungunternehmer:innen steht aber auf dem Prüfstand. Stark in die Jahre gekommene Regelungen zur Berufsausübung schreiben vor, was man mit welchen Nachweisen darf und wie viel das zusätzlich kosten muss. Hierfür sind zahlreiche Anträge der Gründer:innen nötig, die eine empfindliche Mehrbelastung verursachen. Die Gewerbeordnung, deren Neugestaltung zu den innenpolitischen Dauerbrennern gehört, gilt mit 75 reglementierten Gewerbearten als Musterbeispiel an Bürokratismus. Reformaufrufe von Europäischer Kommission oder Rechnungshof verhallten unter anderem angesichts der wirtschaftlichen Interessen der Wirtschaftskammer, die an jedem einzelnen Gewerbeschein mit der Grundumlage dazuverdient.
Von Grund auf neu verfasst, könnte ein neuer Rahmen den Wirtschaftsstandort wesentlich attraktiver machen. Nur jene Bereiche wären reglementiert, wo der Schutz für Leib und Leben (z.B. bei Elektriker:innen oder Optiker:innen), Umwelt (z.B. bei technischen Berufen wie der Kunststoffverarbeitung) und Vermögen gewährleistet werden soll.
Mit einer Reduktion auf 26 Branchen würde diesem Prinzip Rechnung getragen werden. Befähigungsnachweise wären auch weiterhin zur Qualitätssicherung des Angebots wichtig. Eine Liste der Tätigkeiten, die einen Befähigungsnachweis erfordern, könnte vom Parlament beschlossen und alle fünf Jahre evaluiert werden. Bei neu entstehenden Tätigkeiten wäre bis zu einer Festlegung des Erfordernisses eines Befähigungsnachweises durch das Parlament grundsätzlich kein solcher Nachweis nötig. Allgemein sollte eine neue Gewerbeordnung inhaltlich logisch aufgebaut und offen für zukünftige Entwicklungen sein, jedenfalls aber nicht von den Strukturen der Wirtschaftskammer abhängen. Unternehmer:innen würden stark entlastet werden, wenn sie nur noch einen Gewerbeschein bräuchten und auch nur für diesen zahlen müssten.
4. Steuern, Abgaben und Gebühren
Auch andere anachronistische Hindernisse wurden aber selbst nach all der Zeit nicht aus dem Weg geräumt. So sorgen Rechtsgeschäftsgebühren – zur Zeit ihrer Entstehung als Papierverbrauchssteuern konzipiert – selbst in digitalisierter Form für unnötige Kosten und Unverständnis bei den Betroffenen. Noch bevor das eigene Geschäft eröffnet wurde, entstehen diese Kosten: eine auf fünf Jahre befristete Anmietung einer Gewerbefläche für 5.000 Euro pro Monat führt beispielsweise zu einer Gebühr von 3.000 Euro. Diese Belastung erscheint heutzutage unverhältnismäßig, da das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch keinen Cent eingenommen hat und auf der anderen Seite auch keine Leistung des Staates diesen Ausgaben gegenübersteht. Selbst in den Krisenjahren 2020 und 2021 nahm der Finanzminister damit 229 Millionen Euro ein.
Neben all den Schwierigkeiten zu Beginn zeigen sich weitere konstante Belastungen auf der österreichischen Laufbahn. Die dritthöchsten Abgaben auf den Faktor Arbeit in Europa machen ein Fortkommen schwierig. Nur in Deutschland und Belgien ist die Steuerlast auf Arbeit höher. Dies engt den Spielraum für Unternehmer:innen stark ein, neue Mitarbeiter:innen einzustellen oder bestehende besser zu bezahlen und schädigt damit auch die Attraktivität des heimischen Wirtschaftsstandorts für Investor:innen und Arbeitnehmer:innen. Zudem quält eine komplizierte Lohnverrechnung, vergleichbar mit einem Regelwerk voll mit Jahrzehnten an Post-its, alle, die damit zu tun haben müssen.
5. Internationale Talente fehlen
Wer auf Unterstützung in Form von personeller oder finanzieller Verstärkung hofft, ist im internationalen Vergleich arm dran. Das Anwerben neuer Mitarbeiter:innen aus Drittstaaten braucht nicht wenige Wochen, wie in anderen Ländern, sondern benötigt zwei bis drei Monate. Der Antrag für eine Rot-Weiß-Rot-Karte muss nämlich davor von zwei regional zuständigen Stellen, der Bezirksverwaltungsbehörde und dem AMS, genehmigt werden. Befähigungsnachweise werden dann oft mühsam hin und her geschickt, bis auch der letzte Zweifel ausgeräumt ist. Ein großes Problem ist in diesem Zusammenhang auch das mangelhafte Know-how der Behörden im ländlichen Österreich, die wenig bis keine Erfahrung in der Überprüfung solcher Anträge haben. Im harten Wettbewerb um spezialisiertes Top-Personal führt dies oft dazu, dass die Entscheidung zum Nachteil des österreichischen Unternehmens ausfällt. Hier bräuchte es eine schlankere Verwaltung. In anderen Ländern, wie zum Beispiel Schweden, reicht der Nachweis, dass das Gehalt über dem Niveau des Kollektivvertrags liegt.
6. Schlechte Rahmenbedingungen für Startups
Wer in Österreich neue Kraft aus frischem Kapital schöpfen möchte, muss sich mit einem der schwächsten europäischen Kapitalmärkte begnügen: nur ein Drittel so groß wie der EU-Schnitt und ein Zehntel so groß wie jener des Best-Practice-Landes Luxemburg.
Hintergrund ist auch hier ein anhaltender Reformstau, der nicht der Zeit entspricht. Das österreichische Gesellschaftsrecht sieht große administrative und steuerliche Hürden für Beteiligungsgesellschaften vor. Das ist auch der Grund, warum es gerade an Möglichkeiten der Wachstumsfinanzierung mangelt, während es immer mehr Startups in der Vorgründungsphase gibt. In den letzten Jahren hat sich in Österreich ein immer größerer Markt zur Finanzierung der Anfangsphasen junger Unternehmen etabliert. Große Player interagieren da direkt mit den Startups und helfen dabei, das Unternehmen aufzubauen. Was fehlt, ist eine rechtliche Konstruktion, um sich unkompliziert bei außerbörslichen Unternehmen über Fonds zu beteiligen – in Österreich wären für den damit verbundenen Ein- und Ausstieg aus dem Unternehmen einige Notariatsakte nötig.
Dazu würden die Gewinne zur Einkommensteuer gezählt werden, statt zur Kapitalertragsteuer wie in anderen Ländern. Diese toxische Mischung hat dazu geführt, dass sich über die Jahre ein auffallender Rückstand zu anderen europäischen Ländern aufgebaut hat. Wenn ein Unternehmen den Betrieb erweitern oder neue Märkte erschließen möchte, findet es nur schwer Risikokapitalgeber:innen in Österreich. Es ist also wenig überraschend, dass in Umfragen unter Startups die wichtigste Forderung an die Politik ist, für mehr Risikokapital in Österreich zu sorgen. Eine Umsetzung hat die österreichische Bundesregierung der Europäischen Kommission bis zum Ende des ersten Quartals 2022 zugesagt, ohne Ergebnisse zu liefern.
Mehr Flexibilität wäre auch in puncto Mitarbeiterbeteiligung nötig. Dies hat sich gerade in der Startup-Szene als gutes Instrument erwiesen, um Talente anzuwerben, zu halten und zu Bestleistungen zu motivieren. Der österreichische Rahmen ist jedoch viel zu komplex und höchstens für ganz große Unternehmen geeignet.
Unternehmer:innen verdienen also umso größeren Respekt, weil es an vielen Stellen Verbesserungsbedarf gibt. Letztlich braucht es aber nicht nur ihr Engagement, sondern Reformen: Denn es gibt einige Schrauben, an denen die Politik drehen könnte, um den Standort wettbewerbsfähiger zu machen.