Plenarvorschau: Stilles Ende einer Ära
Ade, „Wiennerisches Diarium“.
Ende Juni soll die Wiener Zeitung zum letzten Mal erscheinen. Zumindest wenn der betreffende Gesetzesvorschlag am Donnerstag durch den Nationalrat geht. Die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt – 1703 erstmals als Wiennerisches Diarium erschienen – ist damit Geschichte.
Der Todesstoß der Wiener Zeitung heißt „EVI“, das ist die neue elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform des Bundes. Die mit Kosten verbundene Pflichtveröffentlichung von Bilanzen und Jahresabschlüssen im Amtsblatt der Wiener Zeitung entfällt, und damit auch ein Großteil der Einnahmen des Traditionsmediums.
Dass das Geschäftsmodell der Wiener Zeitung überholt war, das ist auch den allermeisten Kritiker:innen des Regierungsantrags klar. Die Kritik bezieht sich dann auch eher darauf, dass ein Neuanfang mit Würde im vorgeschlagenen Modell kaum möglich scheint. Die Wiener Zeitung soll in Zukunft online über das Tagesgeschehen berichten und gleichzeitig als Monatsmagazin im Print erscheinen – ein journalistisch schwieriger Spagat. Die Chefredaktion war in die Entscheidung nicht eingebunden, die Möglichkeit einer Übernahme wurde nicht ernsthaft geprüft.
Außerdem bedenklich: Unter dem Schirm der Wiener Zeitung wurden in den letzten Jahren eine Contentagentur und ein dem Bundeskanzleramt unterstelltes Ausbildungsprogramm für Journalist:innen aufgebaut – der Umbau der Wiener Zeitung ermöglicht jetzt noch weitere Eingriffe der Regierung in den Journalismus, und zwar an einem Ort, der nicht der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.
Zur Sicherheit eine Zeitenwende
Eine weitere Zeitenwende erwartet uns in der Sicherheitsdebatte: Die Jahrzehnte der Unantastbarkeit der Neutralität sind vorbei. Im internen „Risikobild 2032“ des Verteidigungsministeriums wurde das „Neutralitätsrisiko“ als neue Bedrohung aufgenommen. Im Grunde ist damit das Spannungsfeld zwischen Neutralität und Solidarität gemeint – das stets heikler wird, nachdem die Möglichkeit eines Angriffs auf EU-Mitgliedstaaten, denen Österreich per Beistandsklausel zur Hilfe verpflichtet wäre, wahrscheinlicher denn je wird.
Die Diskussionen zu Rechnungshofberichten über Miliz und Beschaffungsplan des Österreichischen Bundesheers dürften im Plenum diese Woche also hitzig werden – zwischen denjenigen, die sich an vergangenen Zeiten festklammern, und denen, die sich sicherheitspolitisch an den neuen Realitäten orientieren wollen.
U-Ausschuss: Da war doch was
Still und leise zu Ende gegangen ist unterdessen der Untersuchungsausschuss zur ÖVP-Korruption. Am Donnerstag wird der Bericht zur „Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder“ im Nationalrat besprochen. Die letzten Vernehmungstage sind erst ein paar Monate her, die Kontroverse um eine etwaige zweite Befragung von Thomas Schmid war noch 2023, aber die mediale Aufmerksamkeit liegt – gefühlt schon seit Monaten – woanders.
Die dem Bericht beiliegenden Fraktionsberichte zum U-Ausschuss bleiben trotzdem relevant, schließlich harren die versprochenen Antikorruptionsmaßnahmen der Regierung weiterhin ihrer Umsetzung. Bei allen Enden, die sich am Donnerstag zutragen: Die Ära der Korruption ist wohl noch nicht vorbei.