Schweinerei in NÖ: Behörde sperrt Vorzeigehof zu
St. Pölten ist nicht unbedingt ein Ort, den man mit Landwirtschaft verbindet. Aber zumindest im gleichnamigen Bezirk findet man sie – nur 15 Autominuten vom Bahnhof entfernt. Hier sind die Höfe und Grundstücke der Brüder Thomas und Andreas Hubmann, die sich der „regenerativen Landwirtschaft“ verschrieben haben. Ein Konzept, das Schule machen könnte – wenn da nicht die Bürokratie wäre.
Wie es hier aussieht, so stellt man sich nachhaltige Landwirtschaft vor. Neben einem großen Zelt mit viel Platz für einige Hühner und einem großen Feld, auf dem gerade Soja angepflanzt wird, halten die Hubmanns eine Tierart, die zuletzt auch durch Tierqual-Vorwürfe in den Medien war: Schweine.
Das Problem der Brüder ist nur: Die Art der Haltung, die regenerative Landwirtschaft in mobilen Zelten, ist der zuständigen Bezirkshauptmannschaft (BH) St. Pölten fremd. Dabei steckt dahinter das, was viele wohl als Kreislaufwirtschaft bezeichnen würden: eine Landwirtschaft ohne Tierqual.
Was regenerative Landwirtschaft kann
Zusammen haben die Hubmanns 140 Hektar mit etwa tausend Schweinen. Eigentlich hat aber jeder seinen eigenen Hof – Thomas und Andreas haben jeweils eine Landwirtschaft von den Eltern geerbt und entsprechend aufgeteilt. Und weil sie eben genug Platz haben, können sie mobile Landwirtschaft betreiben. Es gibt also keinen stationären Stall, der immer an der gleichen Stelle steht, sondern die Tiere und ihre Unterbringung wandern.
Angefangen haben die Hubmanns mit Hühnern, deren Zelt sie je nach Witterung alle paar Tage, spätestens aber nach zwei Wochen verschieben. Für die Schweine reicht ein ganzer Mastzyklus, also etwa vier Monate, bevor die mobilen Zaunanlagen weiterwandern. Der Mist, den die Schweine machen, wird danach nicht liegen gelassen, sondern von den Hubmanns entfernt und wird zu Kompost, der bis zum Horizont neben den Soja-Feldern sichtbar ist. Und obwohl das alles idyllisch aussieht, droht dem Betrieb die Schließung: wegen Auswirkungen auf die Umwelt.
Dabei ist diese Form der Landwirtschaft eigentlich besonders gut für den Boden. Als Nebenprodukt der Schweinehaltung stellen die Hubmanns nämlich ihren eigenen Kompost her. Dieser wird dann wiederum von den Schweinen im Boden verteilt, wenn sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen: in der Erde wühlen. „Die Pflanze steht da gleich ganz anders“, sagt Thomas stolz neben der Sojaernte. Für den Boden sei anaerobe Gülle nämlich viel schlechter, weil er kein Bakterienwachstum zuließe – und das merke man eben auch daran, wie gesund die Pflanzen und Tiere aussehen.
Und auch sonst scheint es den Schweinen gut zu gehen. Futter und Wasser kommen aus der Tränke und einem Automaten, zwischendurch kommen die Hubmanns vorbei und werfen noch etwas mehr hinein. Aber vor allem wird ihnen nicht fad – denn wenn Schweine keinen Platz und keinen erdigen Boden haben, führe das schnell zu gestörtem Verhalten, sagt Thomas. „Wenn die Ferkel zu uns kommen, passiert etwas ganz Interessantes: Die ersten paar Stunden tun sie nichts anderes, als im Boden zu wühlen. Das steckt in ihnen drinnen.“
Trotzdem droht seit Monaten die Schließung, die nur noch an der Durchführung durch die Behörde scheitert. Denn die öffentliche Hand hat keinen rechtlichen Rahmen, um diese Art der Haltung zu bewilligen, müsste aber vorbeikommen, um sie zu schließen – was sie auch wieder vermeiden will. Der Grund für diesen Streit ist aber keine Notwendigkeit, sondern ein rechtliches Missverständnis – gepaart mit mangelndem politischem Willen.
Streit um Umweltbelastung
Wenn man mit den beiden über die BH spricht, hört man Geschichten über Zwangsstrafen, Bescheide ohne Datum und Anrufe ohne Erfolg. Und man merkt: Dieser Streit zieht sich schon lang. Aber im Kern geht es um die rechtliche Frage, wie viel Stickstoff durch den Betrieb in den Boden gelangt und ob diese Menge ausreichen könnte, um das Grundwasser zu verunreinigen.
Anders als Kühe haben Schweine nämlich Nistplätze. Dadurch kann es gut sein, dass in einem landwirtschaftlichen Betrieb mit Schweinen zu viel Stickstoff in den Boden kommt. Laut EU-Nitratrichtlinie darf die maximale Menge von Dung pro Hektar 170 Kilogramm enthalten. Eine Praxis, die auch bei Betrieben mit Legehennen nur schwer zu erreichen sein dürfte, wie Hubmann betont. Im Gespräch mit der Bezirkshauptmannschaft soll der Satz gefallen sein: „Wenn wir da hinschauen würden, wüssten wir nicht, was wir tun sollten“.
Die Idee dieser regenerativen Landwirtschaft haben die Hubmanns aus dem Ausland importiert. Damit wird nicht nur CO2 gebunden, sondern die mobile Verteilung auf großen Flächen ermöglicht auch eine artgerechte Haltung. Ein Konzept, das gerade in Staaten Schule macht, die wir sonst nicht für ihre hohen Lebensmittelstandards kennen: dem Vereinigten Königreich und den USA. „Amerika ist eben das Land der großen Gegensätze: Sie haben oft die größten Probleme, aber sind eben auch die ersten bei der Lösung“, so Andreas.
Bevor sie selbst ihren Betrieb umstellten, holten sich die Brüder noch Inspiration aus Deutschland. Dort fanden sie ein Beispiel vor, das sie nur beneiden können: Denn dort im Ruhrgebiet steht mitten in der Naturschutzzone eine regenerative Landwirtschaft. Ihre Errichtung war eigentlich verboten, immerhin steht sie in der Nähe einer Anlage, die für die gesamte Wasserversorgung der Stadt Essen relevant ist. Aber die deutschen Behörden prüften den Fall – und kamen zum Schluss, dass die Auswirkungen auf den Boden völlig sicher sind.
Hof droht Schließung – aufgrund von Annahmen
Die Behörde hat also eigentlich ein legitimes Ziel: die Einhaltung von Gesetzen. Aber sie kennt den Fall Hubmann nur auf dem Papier. Sie weiß, wie viele Schweine auf welcher Fläche sind, und eben wie viel Mist so ein Schwein macht. Dadurch ergibt sich – eben in der Theorie – eine Menge an Dünger, von der nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie den zulässigen Höchstwert überschreitet. Messungen aus dem Boden wurden aber nie veranlasst. Im Gegenteil: Die Bezirkshauptmannschaft kennt die Hubmanns nur vom Vorbeifahren. Im Betrieb selbst war sie nie.
Um zu beweisen, dass die regenerative Landwirtschaft dem Boden nicht schadet, ließen die Hubmanns mittlerweile ein eigenes Gutachten erstellen. Mit den Bodenproben können sie zeigen, dass der maximal gemessene Stickstoff-Wert in ihrem Boden unter der höchsten zulässigen Belastung ist, an den meisten Stellen liegt er sogar deutlich darunter. Aber die Bezirkshauptmannschaft nimmt dieses Gutachten nicht zur Kenntnis.
Das führt zu einer rechtlichen Grauzone auf beiden Seiten. Die Behörde will die Schließung des Betriebs, ist sich aber nicht sicher, wie sie diese durchsetzen kann – denn es gibt keinen Prozess dafür. Und für die Gewässerverschmutzung kann sie nicht strafen, weil diese nicht bewiesen ist. Um den Beweis in die ein oder andere Richtung anzutreten, müsste sich die Verwaltung bewegen. Aber es scheint mehr darum zu gehen, keinen Präzedenzfall zu schaffen. Denn dann müsste man auch anderswo genauer hinschauen.
Lautes Schweigen in der ÖVP
An die Politik haben sich die Hubmanns schon gewandt, aber gerade bei der ÖVP stößt man auf taube Ohren. Denn der Bürgermeister im Ort rede schlecht über sie. Und wer die Schneeräumung im Winter von den Hubmanns machen lässt, macht sich keine Freunde in der Gemeinde, flüstert man im Ort.
Und die Landwirtschaftskammer? Die habe eigene Stellen für Stallungen, Förderanträge und alles, was eben die konventionelle Landwirtschaft ausmache. Dinge, die die Hubmanns nicht brauchen – sie fühlen sich nicht als Klientel ihrer Interessenvertretung. Auch der Bauernbund habe zwar „nichts dagegen“, wolle aber kein öffentliches Bekenntnis zur Freilandhaltung abgeben. Ein Termin mit dem Präsidenten des Bauernbunds wird seit 2020 besprochen, findet aber nie statt.
„Stroh auf Beton ist Tierwohl, für Stroh ohne Beton gibt’s nichts.“
Andreas Hubmann
Einmal gab es aber doch ein kurzes Zeitfenster, da hätte sich die mächtige ÖVP Niederösterreich fast mit dem Thema beschäftigt. Durch einen persönlichen Kontakt brachten die Hubmanns den Landtagspräsidenten dazu vorbeizuschauen und sich selbst ein Bild zu machen. Andreas Hubmann wollte die Gelegenheit nutzen – und lud auch den Bürgermeister ein, seinen Parteikollegen zum Betrieb zu begleiten. Eine halbe Stunde später kam der Anruf: Der Termin, der im Vorfeld dreimal bestätigt wurde, wurde abgesagt. Und werde auch nicht nachgeholt.
Wird er auf den Besuch der NEOS-Abgeordneten Katharina Werner (Nationalrat) und Helmut Hofer-Gruber (Landtag Niederösterreich) angesprochen, antwortet Andreas locker: „Ihr seid auch jederzeit eingeladen“. Aber in landwirtschaftlichen Kreisen, wo er auch viele ÖVP-Funktionäre kenne, werde diese Einladung nicht angenommen. Zu groß ist wohl der Respekt vor dem Einfluss der Partei in Niederösterreich.
Andreas und Thomas Hubmann (v.l.n.r.)
Eine Geschichte der falschen Anreize
Fassen wir die Situation der Hubmann-Brüder also zusammen: Ihnen wird vorgeworfen, Gewässer zu verschmutzen. Grundlage dafür ist eine Schätzung der Bezirkshauptmannschaft, die aufgrund der rechnerischen Werte nicht ausschließen könne, dass der Einfluss der Landwirtschaft auf den Boden zu hoch sein könnte. Das Gutachten, mit dem das Gegenteil bewiesen wird, lässt sie nicht gelten, und eine eigene Überprüfung kommt für sie nicht in Frage. Und von der ÖVP Niederösterreich, die an den wesentlichen Schalthebeln im Land sitzt, ist keine Hilfe zu erwarten – sie bekämpft die Hubmanns als Konkurrenz.
Die Geschichte der Hubmanns ist ein Symbolbild dafür, was in Österreich schiefläuft: Eine rechtliche Situation führt zu konkreten Problemen in der Praxis, aber anstatt etwas zu ändern, wird weggeschaut. Die Verwaltung will verhindern, sich um weitere praktische Probleme kümmern zu müssen – und in der Politik gibt es kaum Interesse, weiterzuhelfen. Während andere landwirtschaftliche Betriebe mit Steuergeld subventioniert werden, wird in Gerersdorf das Geld dafür ausgegeben, den Betrieb der Hubmanns zu schließen.
Das besonders Bittere daran ist: An und für sich läuft der Betrieb gut. Probleme, die andere Landwirte haben, etwa die nachvollziehbare Überforderung, wenn sich Schweine auf Vollspaltenboden gegenseitig beißen, haben die Hubmanns nicht. Sie kommen ohne Pestizide aus, das Geschäft läuft, beide beziehen keinerlei Subventionen. Mit weniger Tierwohl wäre es einfacher, weil konventionelle Betriebe ins Förderschema passen: Das Beispiel wirft die Frage auf, ob der Staat in der Landwirtschaft die richtigen Anreize setzt.
Eine Mischung aus bürokratischer Willkür und politischem Unwillen führt also dazu, dass ein Positivbeispiel der Tierhaltung schließen muss. Sogar Betriebe, die noch immer auf Spaltenböden setzen, werden trotz der neuen Mindeststandards weiter gefördert – bei der mobilen Tierhaltung scheitert es schon an der Bewilligung. Und so sind die Schweine, die am Hof von Andreas Hubmann in der Erde wühlen, zwar ein großer Gewinn für hohe Lebensmittelstandards und den Tierschutz – aber in Niederösterreich wird weiterhin weggeschaut, wenn die Behörde mit Schließung droht.