Selenskyj-Rede und Aktuelle Stunde: Die Woche im Parlament
Mittwoch und Donnerstag ist wieder „full house“ im Parlament – in zwei Sitzungstagen werden Regierungsvorlagen, Anträge und Volksbegehren aus den verschiedenen Ausschüssen der letzten Wochen besprochen.
Die Tagesordnung für diese Sitzung wurde übrigens erst am Dienstag, also am Tag vor den Sitzungen, übermittelt. Dieser knappe Vorlauf ist nicht der Regelfall, kommt aber durchaus vor, wenn um die einzelnen Tagesordnungspunkte verhandelt wird.
Aktuelle Stunde zum Fachkräftemangel
Der Mittwoch beginnt mit einer Aktuellen Stunde mit BM Martin Kocher. Die ÖVP hat dafür das Thema „Wirtschaft, Standort, Arbeit – Österreich 2023“ ausgewählt. Traditionell darf in jeder Sitzung eine andere Partei das Thema und anwesende:n Minister:in für die aktuelle Stunde wählen. Regierungsparteien nutzen diese Möglichkeit meist, um ihre eigene Arbeit ins Rampenlicht zu rücken, Oppositionsparteien zeigen mit ihrer Themenwahl eher die Baustellen in der Regierungsarbeit auf.
Der Titel der Aktuellen Stunde knüpft sprachlich an die „Zukunftsrede“ von Bundeskanzler Nehammer an – 2023 ist von dieser Zukunftsvision allerdings noch nicht viel in Sicht. In der Diskussion am Mittwoch wird es um den Fachkräftemangel gehen, die Wirtschaftszuschüsse der näheren Vergangenheit, die gescheiterte Arbeitsmarktreform – es bleibt spannend, welche Verdienste die Bundesregierung hier zum Vorzeigen aus der Mottenkiste ziehen wird. Gerade die Zuschüsse und Hilfszahlungen der letzten Jahre waren teuer und halten retrospektiv analysiert meist nicht, was man sich von ihnen versprochen hatte.
Wohnkostenzuschuss und Dringlicher Antrag
In den letzten Wochen prominent in den Medien war die Mietpreisbremse, die am Mittwoch auf der Tagesordnung mit Abwesenheit glänzt. Stattdessen wird über 225 zusätzliche Millionen für den Wohnkostenzuschuss der Länder abgestimmt, ergänzt von einer Aufstockung des Wohnschirms des Sozialministeriums um 25 Millionen. Auch die flankierenden Vorschläge – ein Sanierungsbonus und der Wegfall der Grunderwerbssteuer für Beträge unter 500.000 € – schaffen es nicht ins Plenum. Dafür wird die Anschaffung klimafreundlicher Heizungen wie Wärmepumpen und Biomassekessel bzw. die Herstellung von Fernwärmeanschlüssen durch Investitionsfreibeträge steuerlich begünstigt.
Am Mittwoch stehen noch einige Volksbegehren mit COVID-Bezug und eine Gesetzesänderung zur Verbesserung der Qualität des häuslichen Unterrichts auf der Tagesordnung, die SPÖ will außerdem Pensionen thematisieren. Angekündigt ist ein Dringlicher Antrag zur Pensionsaliquotierung.
Selenskyj spricht im Parlament
Übrigens: Am Donnerstag startet die Sitzung erst um 10:30. Mit diesem Kunstgriff wird dem ukrainischen Präsidenten ermöglicht, per Videoschaltung eine Ansprache im Parlament zu halten. Gäste können nämlich nur in Ausnahmefällen und im Konsens der Parteien als Sprecher:innen in Nationalratssitzungen eingeladen werden – wie das zum Beispiel 2016 bei Ban Ki-Moon der Fall war. Wer Nationalratsdiskussionen zum Ukraine-Krieg mitverfolgt hat, weiß, dass insbesondere die FPÖ im österreichischen Parlament die Faktenlage zum Ukrainekrieg kreativ interpretiert.
Die Rede Wolodymyr Selenskyjs wird darum als separates Event vor der Sitzung am Donnerstag stattfinden; die Klubobleute sind dazu eingeladen, Statements abzugeben. Sollte die FPÖ sich dazu entschließen, Herbert Kickl in den Ring zu schicken, könnte das für Zündstoff sorgen. Aber auch bei der Rede der SPÖ sollte man genau zuhören: Bei der Sondersitzung des Nationalrats am 24. Februar befand sich die Sozialdemokratie in einem Balanceakt zwischen Unterstützung für die Ukraine und dem Liebäugeln mit einer pazifistischen Lösung. Vizekanzler Kogler bekam tosenden Applaus von ÖVP, Grünen und NEOS für die Worte „Wenn Russland aufhört, ist Friede. Wenn die Ukraine aufhört, ist die Ukraine ausgelöscht.“ Die FPÖ verzichtete demonstrativ auf jede Zufallsbekundung; bei der Sozialdemokratie klatschte eine Abgeordnete halbherzig, der Rest sah betreten woanders hin.
Nach der Ansprache Selenskyjs folgt eine Fragestunde an den Außenminister. Eine Novelle zum Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz soll älteren Personen den Zugang zu Krediten erleichtern. Der Zugang zur Rot-Weiß-Rot-Karte soll für Stammsaisoniers erleichtert werden, Ukrainer:innen sollen unbeschränkter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt gewährt werden. Den großen Wurf für „Wirtschaft, Standort, Arbeit“ sucht man vergeblich.