So wird Österreich wieder ein verlässlicher Partner
Österreich sieht sich außenpolitisch gern als „verlässlicher Partner“. Die jüngsten Entwicklungen in der Außenpolitik zeigen aber, dass das Gegenteil der Fall ist: Außenpolitisch sind wir ein unberechenbarer Trittbrettfahrer, immer darauf aus, die EU für unsere eigenen Fehler zu kritisieren.
Das Selbstverständnis Österreichs als verlässlicher Partner in der internationalen Gemeinschaft ist das Herzstück der Außenpolitik des Landes.
Verlässlichkeit schafft Vertrauen – ein Vertrauen, das auf der Einhaltung von Abmachungen, dem Respekt vor internationalen Verträgen und der Verbindlichkeit gegenüber globalen Verpflichtungen fußt. Davon profitiert Österreich nicht nur durch die Mitgliedschaft in der Europäischen Union, sondern auch durch eine starke Außenwirtschaft.
Aber auch Konsistenz und Berechenbarkeit sind essenziell, um internationalen Partnern die Stabilität unserer Zusagen zu garantieren. Geschichtlich war das lange gegeben, gerade durch das Engagement im Bereich Entwicklungszusammenarbeit und unsere Beteiligung an internationalen Friedensmissionen konnten wir diese Zuverlässigkeit unter Beweis stellen. In einer sich ständig wandelnden Welt ist es jedoch notwendig, diese Verlässlichkeit stetig zu erneuern und zu verteidigen – und daran scheitert Österreich heute.
Um in der internationalen Arena effizient zu agieren, ist es entscheidend, dass Österreich als verlässlicher Partner im EU- und internationalen Kontext auftritt. Nur so können unsere Diplomatinnen und Diplomaten uns glaubwürdig im Ausland vertreten – und diese sind unser wesentlichstes außenpolitisches Asset. Es ist also an der Zeit, unsere außenpolitischen Strategien den neuen globalen Gegebenheiten anzupassen und dabei die Balance zwischen Neutralität und Verlässlichkeit zu wahren. Eine Intensivierung unseres Engagements in der strategisch bedeutenden Region Westbalkan–– sollte dabei im Fokus stehen.
Österreichs außenpolitische Umfaller
Die Außenpolitik Österreichs wurde in der Vergangenheit durch verschiedene Ereignisse herausgefordert. Auch die Energiepolitik und die Abhängigkeit von Energieimporten sind Themen, die die Position Österreichs als einheitlichen und starken Partner innerhalb der EU beeinflussen. Darüber hinaus werfen internationale Finanzskandale und die Frage der Migration Schatten auf die Glaubwürdigkeit des Landes.
Episode 1: Der angebliche Impfstoff-Bazar
„Die Kritik an der Verteilung von Corona-Impfstoffen in der EU lässt Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Partei zunehmend an der Koalition mit den Grünen rütteln. Von heimlicher Impfstoff-Beschaffung und Nebenabsprachen kann indes keine Rede sein, erklärt die Europäische Kommission schlüssig.“ So schreibt die „Presse“ im Jahr 2021. Durch eine Aussage von Sebastian Kurz wurde die Solidarität und das gemeinsame Vorgehen innerhalb der EU in der Pandemie auf die Probe gestellt – sorgen bald alle Staaten für sich selbst, weil die EU keine Ergebnisse liefert?
Inhaltlich war die Kritik am angeblichen Basar schnell ausgeräumt: Dass manche Staaten weniger Impfungen zur Verfügung hatten als andere, war einem freiwilligen „Opt-out“ geschuldet. Bulgarien etwa zog diese Option, und auch Österreich hätte mehr bestellen können, tat das aber nicht. Kurz’ Sager ist also nicht nur realitätsferne EU-Kritik, sondern bezog sich auf das Verhalten seiner eigenen Bundesregierung. Dass die ÖVP dann auch noch auf ihre eigenen Spitzenbeamten losging, war dann nur noch ein Symptom dafür, dass sehr viel mit dem Finger gezeigt, aber sicher nicht vertrauensvoll umgegangen wurde. Diese und andere Vorfälle zeigen, wie kurzfristige Interessen die langfristige Partnerschaft belasten können.
Episode 2: Fatale Abhängigkeit
Die aktuelle Energiekrise verdeutlicht einmal mehr, dass die Energiepolitik und die damit verbundene Abhängigkeit von Energieimporten eine Achillesferse für die Stellung Österreichs in Europa darstellen. Andere Staaten diversifizieren, suchen Alternativen zu Russland und bauen erneuerbare Energien aus. Hierzulande scheitert es schon am dafür notwendigen Netzausbau, im Westen des Landes sucht man vergeblich nach Windrädern.
Als Nation, die sich für ein stärkeres und vereintes Europa einsetzt, müssen wir erkennen, dass unsere Energieabhängigkeit nicht nur unsere Wirtschaft, sondern auch unsere politische Handlungsfähigkeit beeinträchtigt. Dass gerade Österreich das Gas aus Russland kauft, wenn es andere tun und damit wie ein russischer „Gasschwamm“ agiert, ist auch nicht vertrauenerweckend. Dass auch der Economist Österreich als Russlands besten Freund im Westen beschreibt, ist nur ein Beispiel dafür.
Episode 3: Die Spionage-Hochburg
Die Herausforderungen im Bereich internationale Sicherheit, insbesondere die Spionageaktivitäten in Wien, erfordern ebenfalls eine entschlossene Reaktion. In Wien, das durch den Kalten Krieg als Spionagehochburg bekannt ist, hat die Spionageaktivität seit Russlands Invasion in der Ukraine zugenommen – doch Österreichs Regierung zeigt wenig Eile, dies zu ändern. Trotz Unterstützung durch die drei größten Oppositionsparteien für Gesetzesänderungen zur Kriminalisierung von Spionage wurden diese Bemühungen durch Regierungszögern blockiert.
Spionage in Wien hat das Ansehen Österreichs bei seinen europäischen Nachbarn beeinträchtigt. Viele internationale Organisationen sind in Österreich ansässig, und obwohl traditionell ein Auge zugedrückt wird, solange Österreich nicht das Ziel ist, hat sich das Land zum Mittelpunkt für Spione aus Russland, China, dem Iran, Israel, Saudi-Arabien und sogar westlichen Ländern entwickelt. Die konservativ-grüne Koalitionsregierung Österreichs hat jedoch andere Prioritäten und Abstimmungen über Spionagegesetze verschoben. Die aktuelle Gesetzgebung erlaubt keine Maßnahmen gegen Spionage, die nicht direkt Österreich schadet, was Wien zu einem idealen Ort für Spionageaktivitäten macht.
Österreichs Haltung scheint zu sein, das Problem zu ignorieren, da eine Änderung der Gesetze und deren Durchsetzung als peinlich angesehen wird. Die Financial Times fasst die Spionage-Situation in Wien so zusammen: „Es ist wirklich der wilde Westen.“
Episode 4: Wahlkampf mit dem Schengen-Veto
Seit etwas mehr als einem Jahr blockiert Österreich den Beitritt der EU-Mitgliedstaaten Rumänien und Bulgarien in den gemeinsamen Schengenraum. Dabei hätte deren Beitritt auch für unser Land viele Vorteile: weniger Stau an den Grenzen, dadurch kürzere Wartezeiten für LKWs und geringere Kosten in den Supermärkten. Aber auch berechenbare Wege für alle rumänischen und bulgarischen Beschäftigten, die auch wichtige Berufe im Gesundheitssystem ausüben.
Diese Entwicklung scheitert aber nach wie vor an Österreich. Denn im Jänner 2023, als die Entscheidung anstand, fand die niederösterreichische Landtagswahl statt. Innenminister Karner – wie Bundeskanzler Nehammer aus der ÖVP Niederösterreich – nutzte die Chance für billige Punkte. Das Schengen-Veto ist wie eine Checkliste der beliebten Populismus-Klassiker in Österreichs Geschichte: Man legt sich mit der EU an, bekämpft (angeblich) die illegale Migration und zeigt außenpolitisch, dass auch wir als kleines Land Einfluss ausspielen können.
Unsere Partnerstaaten in der Europäischen Union verstehen aber, dass es sich um ein innenpolitisches Spiel handelt. Und gerade unsere außenpolitischen Beziehungen mit Rumänien und Bulgarien leiden darunter, dass man ein Jahr nach der Niederösterreich-Wahl weiter daran festhält: Lieber verärgerte Bündnisse als einen Fehler zugeben – und in einem Jahr, in dem so viele Wahlen anstehen, kann man sich die „mehr Migration“-Geschichte nicht leisten, fürchtet man in der ÖVP.
Episode 5: Was meinen wir, wenn wir Neutralität sagen?
Unser großes Damoklesschwert in außen- und sicherheitspolitischen Fragen ist die Neutralität. Was bedeutet sie, was verbietet sie? Was darf Österreich, was nicht? Fest steht: Wir dürfen mehr, als viele in der heimischen Politik wollen. Das führt so weit, dass unsere Verteidigungsministerin erst „neutralitätsrechtliche Bedenken“ anmeldet, wenn es um die Chance geht, eine gemeinsame Lösung im Bereich sicherer Luftraum zu finden.
Dabei passiert diese europäische Zusammenarbeit tagtäglich. Nicht nur, weil wir Mitglied in der Europäischen Union sind, was uns zahlreiche Vorteile gebracht hat, die längst selbstverständlich geworden sind: Wir engagieren uns bei PESCO und im NATO Partnership for Peace, auch dem Raketenschild Sky Shield entziehen wir uns nicht. Warum auch? Eine gemeinsame Luftraumüberwachung und Abstimmung mit europäischen Partnern sind absolute Notwendigkeiten – gerade wenn auf europäischem Boden Krieg geführt wird. Österreich sollte stolz auf diese Kooperationen sein.
„NATO oder Neutralität“ ist nicht die Frage, die unsere Außenpolitik beschäftigt. Dazwischen gibt es Graustufen. Die Neutralität verpflichtet uns nur, keinen Militärbündnissen beizutreten und keine fremden Militärbasen auf unserem Territorium zuzulassen. Sie verbietet nicht, uns selbstbewusst in der EU einzubringen und Maßnahmen zu ergreifen, die unsere Sicherheit stärken. Wir können und dürfen uns zusammen mit unseren europäischen Nachbarn abstimmen, wir können und dürfen uns auf einen Ernstfall vorbereiten. Wer sich davor fürchtet, das auszusprechen, kommt um diese Notwendigkeiten nicht herum – sondern sorgt nur dafür, dass sie unpopulär bleiben.
Für einen neuen Stil in der Außenpolitik
Um die Effizienz unserer Diplomatie zu gewährleisten, ist es unerlässlich, dass unsere politischen Aktionen in Brüssel nicht länger von innenpolitischem Kalkül beeinflusst werden. Andernfalls riskieren wir, als unzuverlässig wahrgenommen zu werden – was wiederum dazu führen könnte, dass sich unsere internationalen Partner von uns abwenden. So wie die Bundesregierung jetzt handelt, ist eine aktive Außenpolitik, wie wir sie beispielsweise auf dem Balkan anstreben, oder eine glaubwürdige Mittlerrolle, wie wir sie uns wünschen, nicht realisierbar.
Um wieder zum verlässlichen Partner zu werden, ist unerlässlich, dass Österreich als Teil der Europäischen Union eine Vorreiterrolle einnimmt. Dafür braucht es mehr als rhetorische Bekenntnisse, nämlich konkrete Maßnahmen:
- Österreich braucht eine kohärente Strategie, die auf europäischen Werten fußt und die Beziehungen zu unseren Schlüsselpartnern intensiviert – insbesondere am Westbalkan und innerhalb der EU.
- Eine einheitliche Außen- und Europapolitik braucht transparente und klare Kommunikation statt Innen- und Parteipolitik. Außenpolitische Maßnahmen gehören evaluiert.
- Um den diplomatischen Dienst weiter zu professionalisieren, braucht es verstärkte Aus- und Weiterbildung im Bereich Internationale Beziehungen und eine Verbesserung der Karrierechancen ohne Postenschacher.
- Um Spionage und Sicherheitsrisiken zu bekämpfen, braucht Österreich mehr Zusammenarbeit mit internationalen Partnern und eine Überarbeitung der Gesetzgebung zur Bekämpfung von Spionageaktivitäten.
- Vor allem sollte Österreich eine aktive Rolle in der EU einnehmen. Das bedeutet, sich konstruktiv in EU-Verhandlungen einzubringen, eine gemeinsame Energiepolitik zu fördern und proaktiv an der Weiterentwicklung der europäischen Sicherheitsarchitektur zu arbeiten.
Des Weiteren dürfen wir nicht zulassen, dass internationale Finanzskandale und die Herausforderungen der Migration unsere Glaubwürdigkeit und unseren Einsatz für die europäischen Werte untergraben. Es ist an der Zeit, dass wir als Nation Verantwortung übernehmen und durch Transparenz, Solidarität und eine proaktive Migrationspolitik unsere Rolle als vertrauenswürdiger und starker Partner innerhalb der EU festigen.