Über 41 Millionen Euro für Regierungswerbung
Die Regierung wirbt für sich und ihre Politik. Soweit, so normal. Aber in den letzten Jahren kann man argumentieren, dass das Ausmaß an Steuergeld, das für Eigenwerbung verwendet wird, aus dem Ruder gelaufen ist.
Ein Blick auf die Daten der Medientransparenzdatenbank zeigt, welchen Umfang diese Eigenwerbung hat – und wie sie im Lauf der Jahre gewachsen ist. So wurden in zwei Amtszeiten zu je zwei Jahren alleine im Bundeskanzleramt 41 Mio. Euro für Inserate ausgegeben.
Wie mit Inseraten Politik gemacht wird
Das ist nicht nur relevant, weil es um so viel Steuergeld geht – sondern auch, weil der Verdacht der Inseratenkorruption im Raum steht. Damit bezeichnet man vereinfacht gesagt den Vorgang, mit Inseraten – also Werbeschaltungen in Medien – Geschäfte zu machen, die über die bloße Bezahlung für Reichweite hinausgehen. So wurden in der Vergangenheit immer wieder Vorwürfe laut, dass Medien positiv über Politiker:innen, aber auch über Unternehmen berichten würden, wenn diese nur fleißig inserieren würden.
Demnach könne man sich also Berichterstattung kaufen – was die öffentliche Aufgabe des Journalismus, der kritischen und objektiven Information, konterkarieren würde. Unter diesem Gesichtspunkt darf man durchaus hinterfragen, wie viel Steuergeld für Inserate ausgegeben wird. Und wer das mit welcher Motivation veranlasst. Wollen Politiker:innen wirklich nur informieren? Oder will man sich positive Berichterstattung anfüttern?
Der Vorwurf der Inseratenkorruption wurde zum ersten Mal geäußert, als Sebastian Kurz noch Außenminister war. Zwischen 2014 und 2017 gab er zwischen 1,2 und 1,5 Mio. Euro im Jahr für Inserate aus. Zum Vergleich: Seine Nachfolgerin, Karin Kneissl, kam mit viel weniger zurecht – „nur“ 300.000 im Jahr 2018. Der Trend war schon damals erkennbar.
Inserate: Ein Trend unter Kanzler Kurz
Diese Daten, die in der Medientransparenzdatenbank einsehbar sind, zeichnen ein eindeutiges Bild: Bevor Sebastian Kurz Bundeskanzler wurde, gab das Bundeskanzleramt niemals mehr als 3 Mio. Euro pro Jahr für Inserate aus. 2018 lagen die Ausgaben dafür bereits bei 3,5 Mio. Euro im Jahr.
Den Rekord erreichten die Inserate aus dem Bundeskanzleramt im ersten Jahr der Pandemie: Stolze 21 Mio. Euro wurden 2020 für Inserate ausgegeben, 2021 folgten weitere 20 Mio. Euro.
Jetzt mag man einwenden, dass das erhöhte Inseratenvolumen nur durch Corona erklärt werden kann. Aber das ist nur zum Teil richtig.
Braucht es wirklich so viel Geld für Eigenwerbung?
Ein Vergleich mit den Inseraten des Gesundheitsministeriums zeigt, dass nicht überall um so viel mehr Geld ausgegeben wurde – und dieses Ministerium wäre an und für sich zuständig für Informationen rund um die Pandemie. So wurde unter der FPÖ-Ministerin Beate Hartinger-Klein mehr Geld für Inserate ausgegeben, als während der Pandemie unter grüner Regierungsbeteiligung.
Und dadurch erklärt sich der Vorwurf der Inseratenkorruption. Wo keine objektive Notwendigkeit belegbar ist, gibt es Chat-Protokolle, die in diese Richtung deuten. So schrieb z. B. Thomas Schmid, der frühere Generalsekretär im Finanzministerium und zentrale Figur der Korruptionsvorwürfe gegen die ÖVP, nach der Aufstockung des Inseratenbudgets im Außenministerium: „Kurz kann jetzt Geld scheißen.“
Dabei ist es natürlich nicht immer schlimm, zu inserieren. Immerhin ist es ein legitimes Geschäft, Medien für ihre Reichweite und Zugang zur Leserschaft zu bezahlen. Bedenklich wird es, wenn Inserate zu einer Art „informellen Presseförderung“ werden – positive Berichterstattung wird belohnt, negative bestraft. Das ist der Vorwurf, mit dem sich Politiker:innen immer wieder auseinandersetzen müssen.
Ein Blick auf die Medienauswahl
Sieht man sich die Daten der RTR-Datenbank an, stellt sich die Frage, warum so viel Geld in den Boulevard fließt. Die Kronen Zeitung, Heute und das Fellner-Medienhaus oe24 bekamen mit Abstand die meisten Inserate – auf Platz 4 folgt die Kleine Zeitung.
Man darf diese Medienauswahl durchaus hinterfragen. Heute z. B. bekam 3,4 Mio. Euro für Inserate – als Printmedium, das nur in einem der neun Bundesländer aufliegt und noch dazu hauptsächlich in U-Bahnen gelesen wird, deren Nutzung während der Lockdowns stark eingeschränkt war. Dass eine Regierung in einer Pandemie über Medien informieren will, ist klar. Aber warum so ein starker Fokus auf Print?
Dieser Fokus ist nämlich generell stark ausgeprägt: Die Top 10 der größten Nutznießer von Regierungswerbung bestehen ausschließlich aus Printmedien, erst auf Platz 11 folgt der Radiosender Kronehit. Das ist aber nicht die einzige Auffälligkeit in der Medienauswahl. Die Bauernzeitung – ein ÖVP-Medium – bekam 112.000 Euro durch Inserate, die ihre Mutterpartei mit Steuergeld geschalten hat.
41 Millionen Euro – und das ist noch nicht alles
Die Daten der Medientransparenzdatenbank zeigen: Insgesamt wurden unter Bundeskanzler Sebastian Kurz in rund vier Jahren 41 Millionen Euro an Steuergeldern für Inseratenschaltungen ausgegeben. Die „Expertenregierung“ der Übergangs-Kanzlerin Brigitte Bierlein kam in ihrer Amtszeit von einem halben Jahr mit nur 50.000 Euro für Eigenwerbung aus, und das Kanzleramt hat vor Sebastian Kurz weniger Geld für Inserate verwendet.
Und das betrifft nur die meldepflichtigen Inserate – denn der RTR müssen Inserate nur gemeldet werden, die 5.000 Euro oder mehr kosten und in periodischen Medien geschalten werden. Es ist also wahrscheinlich, dass die Dunkelziffer der BKA-Ausgaben noch höher liegt, als wir durch diese Daten wissen.
Ob die Höhe der Werbeausgaben und die konkrete Verteilung der Gelder angemessen sind, darüber kann sich jede:r selbst eine Meinung bilden. Hier hast du die Möglichkeit dazu: