Warum die Republik wirklich an der WZ festhält
Die Print-Ausgabe der Wiener Zeitung wurde eingestellt, das Online-Medium lebt weiter. Der Grund dafür liegt wohl nicht nur im hehren Anliegen der Medienvielfalt – sondern in einer Struktur, die vieles möglich macht.
Am 30. Juni des vergangenen Jahres erschien die gedruckte Ausgabe der Wiener Zeitung das letzte Mal. Die Bundesregierung wollte den Betrieb des Mediums – gegen Widerstände aus Branche und Belegschaft – nicht weiterführen. Seitdem erscheint die „WZ“ als Online-Magazin.
Aber warum eigentlich? Wenn die Regierung schon der Meinung ist, dass es die älteste Zeitung der Welt nicht mehr braucht, warum finanziert sie dann ein neues, öffentlich-rechtliches Medienprodukt mit Digital-Schwerpunkt? Wenn es um die Art der Inhalte geht, könnte das auch der ORF erledigen, immerhin leistet sich Österreich schon ein teures öffentlich finanziertes Medienhaus. Das wird also nicht der Grund sein – was dann?
Die Antwort liegt in der Struktur der „WZ“
Die neue Wiener Zeitung liegt weiterhin im Eigentum der Republik – und im Einflussbereich des Bundeskanzleramts. Das war sie zwar auch schon davor, und auch da gab es keinen akuten Verdacht, dass ein Kanzler in die Berichterstattung hineingepfuscht hätte. Trotzdem ist diese strukturelle Nähe ein Konstruktionsfehler. Und apropos Konstruktion: Die „Wiener Zeitung GmbH“ besteht aus mehreren Teilen:
- Redaktion: Die journalistische Arbeit der digitalen WZ ist mit 7,5 Millionen Euro dotiert.
- Media Hub: Unter diesen Bereich fällt vor allem die Journalismus-Ausbildung.
- Elektronische Verlautbarungs-Plattform: Diese soll das Amtsblatt der Print-Version ersetzen und ist mit 3 Millionen Euro angesetzt.
- Content Agentur: Mit diesem Namen wird quasi die Content-Agentur des Bundes gemeint. Sie setzt kommunikative Projekte für die EU-Kommission und andere Stellen im öffentlichen Bereich um.
Warum es diese vielen einzelnen Stellen gibt? Das ist eigentlich sinnvoll, immerhin sind dadurch die Berichterstattung und die Werbedienstleistungen klar getrennt, wie bei jeder anderen seriösen Redaktion. Der Clou an dieser Struktur ist aber ein anderer: Man könnte sie jederzeit ändern, um andere Unternehmungen unterzubringen.
Dieses Organigramm der Wiener Zeitung GmbH ist in dieser Form also nicht in Stein gemeißelt. Denn laut Gesetz müssen nur das Media Hub und die Content Agentur weiterbetrieben werden. Dass wir diese Struktur kennen, ist der Reform geschuldet, aber kein Muss – denn obwohl dieses Medienunternehmen steuerfinanziert ist, sind Entscheidungen über sein Tun keine öffentliche Angelegenheit.
Ein potenzielles Loophole für Partei-Aktivitäten
Nehmen wir an, es gebe die Absicht, eine ÖVP-nahe Agentur für PR-Arbeit zu einem Thema zu beauftragen, das der Partei im Wahlkampf hilft. In unserem Szenario wird der Plan verfolgt, Bewusstsein für die wichtige Arbeit der Lokalpolitik zu machen – wissend, dass ein Großteil der Gemeindepolitik von türkisen Bürgermeister:innen ausgeführt wird.
Möglichkeit 1: Nichts hindert die Geschäftsführung der Wiener Zeitung GmbH daran, eine neue Abteilung mit neuen Aufgaben zu gründen. Die Arbeit der Redaktion, die Erstellung von „Content“ für Social-Media-Kampagnen, die Ausbildung der zukünftigen Journalismus-Größen, das ist alles fein säuberlich getrennt. Wenn es jetzt eine neue Aufgabe für „Bewusstseinsbildung“ geben soll – was ja alles heißen könnte –, kann diese einfach gegründet werden. Inklusive Budget für die befreundeten ÖVP-nahen Kommunikationstalente.
Möglichkeit 2: Wenn diese Neuen im Unternehmen gar nicht aufscheinen sollen, muss aber gar keine neue Abteilung gegründet werden. Man könnte sie auch in der Content Agentur unterbringen, die einfach mit neuen Aufgaben ausgestattet wird: „Kommunikation Lokalpolitik“ ist einfach ein neues Türschild im bestehenden Unternehmen. Auch so könnte die GmbH diese Auftragsarbeit unterbringen.
Greift die Kontrolle?
Was praktisch an diesen Optionen ist – und die Versuchung für strukturelle Korruption groß macht: Das wären keine politischen, sondern einfache Management-Entscheidungen. Wie jedes andere Unternehmen kann auch die öffentlich-rechtliche Mediengruppe jederzeit bestimmen, welche Abteilungen und Zuständigkeiten es gibt. Und da die WZ wesentlich kleiner und unbekannter als der ORF ist, gibt es nicht die gleiche kritische Öffentlichkeit dazu.
Dazu kommt, dass der Aufsichtsrat der Mediengruppe nicht unbedingt unabhängig ist. Mit Werner Suppan ist etwa auch der Anwalt einiger ranghoher ÖVP-Größen dort vertreten, der die Partei auf dem Höhepunkt ihrer Korruptions-Meldungen sogar selbst in der ZIB2 vertreten hat. Dieses Ausmaß an Nähe kann man selbstverständlich nicht allen im Aufsichtsrat zuschreiben. Wichtig wäre, dass er seine Aufgabe im Sinne der Öffentlichkeit und der Steuerzahler:innen wahrnimmt.
Zusammengefasst: Die Struktur der Wiener Zeitung GmbH macht es möglich, Kommunikations-Aktivitäten der öffentlichen Hand einzutakten und möglicherweise zu verstecken. Man sollte also genau hinsehen, was dort passiert.
Genau hinschauen bei strukturellen Versuchungen
Dass dieses Loophole möglich ist, heißt nicht, dass das momentan passiert oder dass das so gedacht ist. Und es sagt auch nichts über die Arbeit der neuen Redaktion aus – diese hat seit Start ihrer Aktivitäten nicht nur auf Social Media an Reichweite gewonnen, sondern mit Geschichten rund um ein umstrittenes Bauprojekt eines ranghohen ÖVP-Politikers auch angedeutet, dass sie sicher keinen gesteuerten Journalismus macht. Trotzdem sollten wir uns die Frage stellen, wie stark die Strukturen von öffentlich-rechtlichen Einrichtungen sind – und wo Korruption möglich wäre, die noch dazu von Steuergeldern finanziert wird.
Und eine andere Frage, die uns beschäftigen sollte: Rund um die Auflösung der alten Wiener Zeitung wurde auch bekannt, dass es 17 Millionen Euro an Rücklagen gibt, die durch die Pflichtveröffentlichung von Unternehmen im Amtsblatt möglich wurden. Was wurde eigentlich aus diesem Geld?