Wie steht es wirklich um die Armut in Österreich?
Im vergangenen Jahr entfachte die Diskussion rund um die angeblich gestiegene Armut in Österreich regelrecht ein unkontrolliertes Feuer.
Klar – die Politik aller Couleurs muss als Ziel haben, Armut zu bekämpfen. Gerade aus diesem Grund ist es unerlässlich, in der Diskussion um Armut saubere Definitionsabgrenzungen vorzunehmen, um an den richtigen Stellschrauben drehen zu können. Armutsgefährdung und manifeste Armut sind zwei verschiedene paar Schuhe: Während die Armutsgefährdung gerne von linker Seite für politische Meinungsmache missbraucht wird, gibt die manifeste Armut Einblick über die tatsächliche Lage.
Warum die Armutsgefährdung das falsche Maß ist
Gemäß der offiziellen EU-SILC-Befragung – einer Erhebung über die Lebensbedingungen in der Europäischen Union – werden jene Personen als armutsgefährdet bezeichnet, deren Nettohaushaltseinkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens liegt. Nehmen wir einfachheitshalber an, alle Einkommen würden sich verdoppeln – damit würde sich der Median ebenso verdoppeln. Der Anteil der Armutsgefährdeten würde unterm Strich jedoch gleich bleiben, trotz doppelt so hohem Einkommen.
Was ist mit dem Justus-Studenten aus dem Bilderbuch, der kein eigenes Einkommen hat, weil seine Wohnung, seine Grundbedürfnisse, sein gesamtes Leben von Mama und Papa abgedeckt werden? Er gilt laut der Definition ebenso als „armutsgefährdet“, aber er ist nicht arm. Warum? Das verfügbare Nettohaushaltseinkommen setzt sich aus Erwerbseinkommen, Kapitalerträgen, Pensionen und Sozialleistungen aller Personen im Haushalt zusammen. Ob da innerfamiliär Geld fließt oder nicht, geht den Staat natürlich nichts an – zumal er das nicht erfasst.
Manifeste Armut als aussagekräftige Größe
Anders ist es bei der aussagekräftigen „erheblichen materiellen und sozialen Deprivation“, der manifesten Armut. Diese schaut sich konkret an, welche der 13 festgelegten Merkmale im Detail auf Haushalte zutreffen – bei mehr als sieben gilt man als manifest arm.
Beispiele dafür sind: unerwartete Ausgaben in Höhe von 1.300 Euro nicht tätigen, nicht einmal im Jahr auf Urlaub fahren oder beispielsweise auch Miete, Betriebskosten oder Kredite nicht pünktlich bezahlen zu können. Genau diese erhebliche materielle und soziale Deprivation hat sich innerhalb weniger Jahre (2015–2021) von 3,6 auf 1,8 Prozent halbiert. Das ist sehr erfreulich – und zeigt, dass hier in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht wurde.
Kinderarmut steigt? Au contraire!
Auch im Bereich Kinderarmut – definiert als „children living in severe material and social deprivation“ – ist eine klare Reduktion sichtbar. Österreich leistet hier stetig seinen Beitrag, um die ohnehin geringe Armut zu dämpfen. Mit Ausnahme von Spanien ist im Beobachtungszeitraum von 2015 bis 2021 die Kinderarmut in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union deutlich zurückgedrängt worden.
Was es nun braucht
Jedes Jahr verteilt unser Sozialstaat insgesamt mehr als 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts um – das sind rund 140 Milliarden Euro. An der Menge des Geldes scheint es also nicht zu scheitern. Viel eher an der mangelnden Treffsicherheit. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt – und dennoch gibt es Aufholbedarf, die manifeste Armut weiter zurückzudrängen.
Neben der fehlenden Treffsicherheit ist das Verhältnis zwischen Geldleistungen und Sachleistungen der zweite entscheidende Maßstab: Durch höhere Sachleistungen anstelle hoher Geldleistungen stellt der Staat nämlich sicher, dass das Geld nur für die Dinge eingesetzt wird, für die es gedacht ist. Während beispielsweise die Sozialdemokratische Partei 2015 noch den Bundeskanzler stellte und behaupten könnte, dass die Reduktion der manifesten Armut auf von ihr gesetzte Maßnahmen zurückgeht, entscheidet sie sich nun unter Andreas Babler dafür, der Bevölkerung eine faktenverzerrende Erzählung aufzutischen. Er tut so, als ob die Armut in den letzten Jahren in lichte Höhen geschossen wäre.
Anstatt mit billigem Populismus zu operieren und den Teufel an die Wand zu malen, sollte sich die Politik viel eher auf die im Trend erfreulichen Zahlen, Daten und Fakten besinnen und dafür innerhalb der Bevölkerung ein Bewusstsein schaffen. Ja, es gibt noch einiges zu tun – aber so schlecht, wie es von linker Seite lautstark propagiert wird, ist es nun auch nicht.