Wir haben das Budget durchgeackert, damit ihr nicht müsst
Der Budgetbericht der Bundesregierung zeigt, wie sich die Einnahmen und Ausgaben der Republik verändern – und trotz Aufruf zum Optimismus liest er sich wie ein Krisendokument.
„In Zahlen gegossene Politik“ – schon mal gehört? Eine der vielen Plattitüden, wenn es um die Relevanz des Budgets geht. Aber was steht eigentlich wirklich drin? Auf 350 Seiten (exklusive Teilberichte), die von der Bundesregierung am Tag vor der Budgetrede veröffentlicht werden, wird klar, wofür Österreich Geld ausgibt und was Priorität ist.
Und ja, ihr habt richtig gelesen: 350 Seiten am Tag vor der Debatte. Denn dass die Opposition informiert Stellung nehmen kann, das dürfte im politischen Prozess gar nicht gewollt sein. Der NEOS Parlamentsklub ackert den Bericht traditionell in der Nacht vor der Budgetrede des Finanzministers durch, nur darum haben wir bereits erste detaillierte Erkenntnisse zum Budget. Und einige davon sind so brisant, dass die Bürgerinnen und Bürger sie möglichst schnell erfahren sollten.
1. Österreich gibt konstant mehr aus, als es einnimmt
Man kann kein Geld ausgeben, das man nicht hat – logisch, oder? Für Staaten gilt das allerdings nicht: Denn ein Defizit kann relativ einfach mit Staatsschulden ausgeglichen werden. Und das scheint auch der Plan zu sein, den die Bundesregierung weiterhin verfolgt: Bis 2027 wird jedes Jahr ein Minus von mindestens 16 Milliarden Euro finanziert.
2. Staatsschulden werden immer teurer – durch Zinsen
Das dauerhafte Defizit, das die Republik einfährt, ist aber keine smarte Finanzierungsstrategie oder irgendwie nachhaltig, sondern kostet jedes Jahr. Denn auf diese Staatsschulden werden Zinsen fällig, und die steigen mit dem jährlichen Defizit immer weiter.
3. Steuer- und Abgabenquote steigt weiter
Das mit den Staatsschulden müsste aber nicht so sein – denn Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Immerhin steigt die Gesamtbelastung durch Steuern und Abgaben im nächsten Jahr weiter: 43 Prozent geben wir bereits an den Staat ab, der trotzdem Schulden aufnehmen muss, um seine Aufgaben zu erfüllen.
4. Mehr Geld ist nicht gleich mehr Geld
Viele Passagen im Budget lesen sich wie gute Nachrichten – denn davor steht ein Plus, und ein Plus bedeutet mehr Geld. Aber bei einer Teuerung von 7,7 Prozent im Jahresvergleich ist nicht jedes Plus davon real: Wenn unter der Inflation erhöht wird, ergibt das ein reales Minus. Das Bildungsbudget etwa wächst von 11,17 auf 11,43 Milliarden, was ein nominelles Plus von 2,3, aber ein reales Minus von 5,4 Prozent ergibt.
Jetzt ist es nicht per se schlecht, wenn die Bundesregierung in manchen Bereichen sparen will, aber es gibt auch einige Bereiche, in denen zu unrecht gekürzt wird: Im Außenministerium etwa wird ein Plus von 6 Prozent bilanziert. Unter anderem wird dort im Bereich Entwicklungszusammenarbeit gespart, trotz einem bilanzierten Plus von 2 Milliarden. In manchen wird aber sogar auf dem Papier gespart: etwa bei den Beiträgen für internationale Organisationen, die um 8 Prozent zurückgehen.
5. Fast jeder vierte Euro geht in die Pensionen
Hand hoch: Wer wusste, dass die Pensionen der größte Ausgabenblock des Budgets sind? Und damit sind nicht alle Pensionsausgaben gemeint – alleine der Zuschuss zur Pensionsversicherung, also die Differenz aus Einnahmen und Ausgaben, macht mit 16,6 Milliarden Euro bereits den größten Brocken aus. Zum Vergleich: Für den gesamten Bereich „Gesundheit“ werden 3,2 Milliarden budgetiert, für die Justiz 2,3. Dazu kommt noch die Summe der Beamtenpensionen mit 12,8 Milliarden, wobei die auch in ihrem Erwerbsleben schon aus dem Budget bezahlt werden. Diese 29,4 Milliarden Euro sind fast die gesamten Einnahmen, die durch die Lohnsteuer in die Staatskasse wandern.
Der Grund dafür ist einfach: Immer mehr Menschen beziehen eine Pension, da die geburtenstarken Jahrgänge langsam ihr Antrittsalter erreichen. Für sie gibt es auch dieses Jahr eine Pensionserhöhung, die über das gesetzliche Ausmaß der Inflationsanpassung hinausgeht. Dazu kommt eine sogenannte „Aussetzung der Aliquotierung“, was bedeutet: Wer mit 1. Jänner 2024 in Pension geht, bekommt sofort eine Anpassung, auch wenn er die Pension an diesem Tag zum ersten Mal bezieht. Diese Erhöhung bekommen alle, die nächstes Jahr ihren Ruhestand antreten – unabhängig davon, wann. Wer also im April in Pension geht, „verliert“ drei Monate. Ein klarer Anreiz, früher in Pension zu gehen.
6. Wo ist das Geld für die Kinderbetreuung?
Vor kurzem hat der Bundeskanzler angekündigt, bis 2030 4,5 Milliarden Euro für die Kinderbetreuung zur Verfügung zu stellen. Dieses Geld sucht man im Budgetbericht aber vergeblich, es ist weder im Finanzausgleich, noch im Bereich Bildung budgetiert. Das Familienministerium fühlt sich zwar „verantwortlich“ für den Ausbau – aber auch dort kommen die Mittel im Budgetbericht nicht vor.
Was das zu bedeuten hat? Möglichkeit 1: Die Mittel für die Kinderbetreuung sind unauffällig in anderen Budgets versteckt, die nicht offensichtlich damit zu tun haben. Möglichkeit 2: Für nächstes Jahr ist der Ausbau noch nicht angesetzt. Das würde bedeuten, Nehammer und die ÖVP sehen diese Mittel als Aufgabe der nächsten Bundesregierung. Damit wäre aber auch klar, dass die Ankündigung eine leere war.
7. Wir alle sollten uns mehr um das Budget kümmern
Und warum ist das alles relevant? Weil die Budgetverhandlungen im Parlament bestimmen, was in Österreich Geld bekommt und was nicht. Wer lange auf einen Termin in der Kassenarztpraxis wartet, mittelmäßige Leistungen im Schulsystem kritisiert oder mehr Ambition im Klimaschutz einfordert, findet die Antwort in den 350 Seiten, die unsere Abgeordneten in der Nacht vor der Budgetrede geschickt bekommen. Denn die hohen Zinsen für die Staatsschulden, die steigenden Zuschüsse ins Pensionssystem über die Inflation hinaus – das sind politische Entscheidungen, die nicht alternativlos sind.
Darum sollten wir auch darüber reden, was es über unsere Demokratie aussagt, wenn der Budgetbericht erst in der Nacht vor der Budgetrede zu den Abgeordneten kommt. Jedenfalls zeigt das den Zustand der politischen Debatte: Kritik und Widerworte werden nach Möglichkeit verhindert, und die Regierung will hauptsächlich zeigen, wer der Boss ist. Zu hoffen bleibt, dass es das letzte Mal zu dieser Nacht-und-Nebel-Aktion gekommen ist. Immerhin war das das letzte Budget dieser Regierung.