Ohne Europa: Der Arbeitsplatz als Schleudersitz
Vom Maibaum zum Aufmarsch. Vom Feiertag zum Kampftag. Am Staatsfeiertag dem 1. Mai wehen auch heuer wieder die Flaggen, die Reden klingen kämpferisch, das Recht auf einen guten Arbeitsplatz mit fairer Entlohnung wird hochgehalten.
Heuer mittendrin: der EU-Wahlkampf, der wieder einmal schrille Öxit-Schreiereien und Unmengen von Unwahrheiten der FPÖ bringt. Fragen wir also genau anlässlich des 1. Mai: Was sichert unsere Jobs? Was ermöglicht uns Wohlstand? Die Antwort: Wir sind auf den gemeinsamen Markt ohne Grenzen innerhalb der Europäischen Union angewiesen. Ohne Europa, ohne die EU, wird der Arbeitsplatz heute schnell zum Schleudersitz.
Zahlen und Daten des Wifo/FIW zeigen, dass in Österreich mehr als 15 Prozent der Arbeitsplätze an der EU hängen. 15 Prozent: Das sind 690.000 Jobs, die wir unserer Mitgliedschaft in der EU und der Teilnahme am gemeinsamen Markt verdanken.
Wer also mit dem Öxit liebäugelt oder gerne „den roten Knopf gegen den EU-Wahnsinn“ drücken will, soll klar und deutlich sagen, was er damit vernichtet: Hundertausende Arbeitsplätze und 40 Milliarden an zusätzlichem Wohlstand in unserem Land.
Österreichs Industrie steckt in einer Rezession, die Teuerung macht nicht nur den täglichen Einkauf, die Mieten und die Energiekosten empfindlich teuer, auch die Wettbewerbsfähigkeit leidet darunter. Die Arbeitslosigkeit wird in den nächsten Monaten steigen. Gleichzeitig sind wir mit einer demographischen „Bombe“ konfrontiert: Die Babyboomer gehen in Pension und bis 2030 werden 125.000 Menschen weniger zwischen 15 und 65 Jahre in Österreich leben und auch arbeiten können.
Personal fehlt aber jetzt schon an allen Ecken und Enden, insbesondere das mit den nötigen Qualifikationen. Jede, die aktuell auf eine Behandlung im Spital wartet, merkt: Es fehlen Ärztinnen und Pfleger. Jeder, der Kinder hat, merkt: Es fehlen Pädagoginnen und Pädagogen. Betriebe müssen Aufträge ablehnen, weil qualifizierte Arbeitskräfte nicht zu finden sind.
Wer glaubt, dass es „qualifizierter Zuzug“ mit den bisherigen Mitteln schon richten wird, der irrt. Österreich ist absolut unattraktiv für hochqualifizierte Arbeitskräfte. Die Steuerlast ist hoch und die Rot-Weiß-Rot-Karte ein viel zu bürokratisches Instrument. Ein echtes Zuzugsgesetz mit Punktesystem nach kanadischem Vorbild muss dringend angegangen werden – und zwar am besten europaweit mittels einer weiterentwickelten „Blue Card“, die auch mithalten kann mit einer amerikanischen „Green Card“.
Aber es kommen doch schon so viele zu uns nach Österreich? Ja, aber über das Ticket „Asyl“ bzw. den Familiennachzug. Und damit ungesteuert und ohne die nötigen Qualifikationen. Ein Umdenken muss dringend her, irreguläre Migration muss ein Ende haben. Wir benötigen die Menschen, die bereit sind anzupacken, die Qualifikationen mitbringen, die sich auch selbst erhalten können – und die wir dringend benötigen. Auch hier ist die EU nach zähem Ringen einen Schritt weitergegangen und hat mit einem neuen Asylrecht die Möglichkeit zu Schnellverfahren an der Außengrenze geschaffen und damit auch rascher Rückführungen. Das reicht wohl nicht. Verfahren müssten außerhalb der EU abgewickelt werden, Schutz vor Verfolgung in Drittstaaten gewährleistet.
Letztlich geht es aber darum, gerade den jungen Menschen bei uns die beste Bildung- und Ausbildung auf dem Weg mitzugeben. Im Kampf um die besten Köpfe kann Österreich, kann Europa die Nase vorne haben – wenn es will.
Und auch hier kann und muss die Europäische Union eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen Europa durch Bildung verbinden. Österreichs Modell der Lehre, die Kombination aus Berufsausbildung in einem Betrieb und in der Berufsschule, kann und muss ein Exportschlager werden, um die Jugendarbeitslosigkeit in Europa zu senken. Und Bildung muss neben dem freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr die fünfte Grundfreiheit werden. Das heißt, dass Zeugnisse und Abschlüsse leichter anerkannt werden und lle Schülerinnen und Schüler, alle Lehrlinge und alle Studierenden die Gelegenheit bekommen sollen, zumindest sechs Monate im EU-Ausland verbringen zu dürfen.
Gerade also am 1. Mai sollten wir sehr klar darin sein, dass Arbeitsplätze und Wohlstand vom vereinten Europa abhängen. Wir brauchen davon mehr: mehr Freiheiten, mehr Binnenmarkt und freien Marktzugang, weniger Bürokratie und nationalstaatliche Insellösungen. Zeigen wir den Nationalisten die „Blue Card“ und arbeiten wir darauf hin: auf die Vereinigten Staaten von Europa.