Auf der Suche nach transparenten Gemeindefinanzen
Es ist wieder still geworden ums Transparenzgesetz. Dem Vernehmen nach war der Widerstand der Gemeinden zu groß, sie können oder wollen kein umfassendes Auskunftsrecht umsetzen. Künftig soll anhand der Bevölkerungszahl gemessen werden, wie transparent die Auskünfte sind.
Im Bereich Gemeindefinanzen gibt es jedoch schon länger klare Regelungen: Die Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung 2015 (VRV 2015) regelt, dass Gebietskörperschaften ihre Voranschläge und Rechnungsabschlüsse im Internet „barrierefrei“ und ohne „schützenswerte persönliche Informationen“ publizieren müssen. Einzelne Bundesländer haben in ihren Gemeindeordnungen weitergehende Bestimmungen.
Bei vielen Gemeinden ist der Rechnungsabschluss auch entsprechend auf der Website der Gemeinde zu finden – meist als durchsuchbares, aber mehrere hundert Seiten langes, detailliertes PDF-Dokument. Die einzelnen Positionen sind nach einem gemeinsamen System, das für alle Gemeinden vom Dorf bis zur Bundeshauptstadt gilt, geordnet. Zum Beispiel gibt es die Kategorie „3 Kunst, Kultur und Kultus“, darin wiederum „36 Heimatpflege“, und schließlich „362 Denkmalpflege“ überall. Damit sind die Gemeindeabschlüsse auch untereinander vergleichbar.
Offene Gemeindefinanzen durch privates Engagement
Es gibt jedoch auch Gemeinden, die keine Website haben oder auf deren Website kein Rechnungsabschluss auffindbar ist. Hier springt in vielen Fällen die Website OffenerHaushalt.at ein. Die Webseite wird vom KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung betrieben, sie ist also kein offizielles Angebot der Republik Österreich oder etwa des Gemeindebundes. Sollte einmal die Finanzierung nicht reichen, oder das KDZ das Interesse daran verlieren, haben wir keine Garantie, diese Ressource weiter zu haben. Aber derzeit gibt es sie noch – und das ist gut.
OffenerHaushalt wirbt bei den Gemeinden aktiv darum, ihre Daten einzusenden und für die Veröffentlichung freizugeben, weil sie damit die Pflicht aus der VRV 2015 erfüllen, ohne sich selbst um die Publikation ihrer Haushaltsdaten kümmern zu müssen. Diese Strategie ist von einem gewissen Erfolg gekrönt: Aktuell sind Daten von 1.487 Gemeinden verfügbar, also immerhin fast drei Viertel der etwas über 2.000 Gemeinden in Österreich. Viele Gemeinden haben ihre Daten sowohl auf ihrer eigenen Website als auch bei OffenerHaushalt.
Für die Präsentation der Ergebnisse einzelner Gemeinden ist OffenerHaushalt sehr gut nutzbar. Die Gemeindefinanzen lassen sich auf verschiedene Arten grafisch darstellen, sowohl im Überblick als auch auf die einzelnen Unterkategorien (z.B. 362 Denkmalpflege) heruntergebrochen. Auch Jahresvergleiche sind möglich.
Das ist ein erheblicher Mehrwert gegenüber den doch recht unübersichtlichen PDF-Dateien von den Gemeinde-Websites, für die weder eine gemeinsame Suchmaschine noch eine visuelle Aufbereitung existiert. Für Kontrollzwecke sind die Original-Rechnungsabschlüsse der Gemeinden natürlich noch immer detaillierter.
Schwierigkeiten bei Daten zur eigenen Analyse
Die Herzen von Menschen, die sich gerne mit Datenanalyse beschäftigen, schlagen noch höher, wenn sie den Download-Button entdecken. Tatsächlich gibt es die zur Verfügung stehenden Daten der teilnehmenden Gemeinden in einer tabellarischen Form zum Herunterladen. Das ist für detaillierte Analysen noch besser als die Online-Darstellungen. Wer will, kann damit einfach verschiedene Gemeinden in speziellen Bereichen wie z.B. den Aufwendungen für Musikschulen über Jahre miteinander vergleichen.
Der nächste logische Schritt wäre, die Daten automatisiert herunterzuladen, um sie z.B. in eine eigene Datenbank zu übernehmen. Damit wäre ohne manuellen Download von 1.487 Gemeinden jeweils für mehrere Jahre, also zehntausende Klicks, die gesamte Datenbasis nutzbar, nach Bundesland, Einwohner:innenzahl oder anderen Kriterien durchsuchbar, summierbar und in anderer Weise analysierbar. Das ist jedoch auf der OffenerHaushalt-Seite nicht vorgesehen – den Download-Button gibt es nur für einzelne Gemeinden, nicht aber für die größeren Einheiten Bezirk, Bundesland, Österreich. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Eine weitere Suche fördert ein Formular zu Tage, mit dem etwas größere Datenmengen heruntergeladen werden können: etwa pro Bundesland, Gemeindegröße und funktionelle Gliederung der Finanzdaten. Das sind also auch noch, in allen Kombinationen, viele Klicks und Schritte. Und die Daten hören mit 2019 auf. Auch nicht zufriedenstellend.
data.gv.at: Offene Daten sehen anders aus
Eine Suche nach weiteren Quellen für die Gemeindedaten ergibt zwei gute Ansätze: Die Statistik Austria und den Open-Data-Server der Republik. Auf Open Data verweist auch OffenerHaushalt. Open Data oder Open Government Data ist ein wesentlicher Schritt Richtung mehr Transparenz, und Österreich ist im internationalen Vergleich in diesem Punkt ganz gut unterwegs. Also ist data.gv.at die nächste Anlaufstelle.
Dieser Open-Data-Server wird vom Finanzministerium betrieben. Er verpflichtet sich den Open-Data-Prinzipien, also dem Ziel, die Daten leicht zugänglich, zeitnah, diskriminierungsfrei, maschinenlesbar und zur freien Verwendung anzubieten. Im Portal sind aktuell über 45.000 Datensätze von über 1.300 veröffentlichenden Stellen und Organisationen verfügbar – über 35.000 der Datensätze, also mehr als drei Viertel, kommen von OffenerHaushalt.at.
Normalerweise lassen sich von solchen Open-Data-Sites die Daten direkt und automatisiert herunterladen. Das wäre also ein gangbarer Weg, alle Gemeindedaten zu bekommen. Nur funktioniert er genau bei den OffenerHaushalt-Daten nicht. Statt die Tabellen zu hinterlegen, verweisen die Download-Links wieder auf OffenerHaushalt.at, wo man nochmal in einem Formular die bereits ausgewählten Daten (Gemeinde, Jahr, …) bestätigen muss, um die Download-Datei zu erhalten. Das ist also keine Verbesserung, um die Daten mehrerer Gemeinden automatisch beziehen zu können.
OffenerHaushalt missbraucht damit den Open-Data-Server der Republik für Eigenwerbung. Diese Vorgehensweise widerspricht mehreren Punkten der Open-Data-Prinzipien. Weder sind die Daten „möglichst einfach und barrierefrei“ zugänglich, noch werden „technische Hürden“ vermieden, somit ist keine „automatisierte, strukturierte Verarbeitung“ möglich. Der Anbieter, der angeblich mehr als drei Viertel der Daten beigesteuert hat, verstößt aktiv gegen die Prinzipien der Offenen Daten, die bei der Anmeldung für die Datenpublikation natürlich genannt werden.
Ein Irrtum ist ausgeschlossen – wer zehntausende Datensätze auf einem Open-Data-Server publiziert, weiß eigentlich, wie das geht. Die Entwicklung des Download-Formulars und das Hochladen der Verweise darauf ist technisch aufwendiger, als wenn einfach die Datendateien hochgeladen worden wären. Das ist anders als mit Absicht nicht erklärbar. Die Betreiber:innen von OffenerHaushalt wollen, dass die von ihnen gesammelten Daten, die sie von den Gemeinden bekommen, nur bei ihnen verfügbar sind, und zwar nur einzeln. Dafür nutzen sie öffentliche Ressourcen als Werbeplattform.
Statistik Austria: Gut, aber kostenpflichtig
Die nächste Anlaufstelle ist die Statistik Austria. Auch OffenerHaushalt bezieht Daten von dort. Hier besteht die Hoffnung, dass die Daten vollständig sind, weil die Gemeinden ihre Daten übermitteln müssen. Dies wird in der „Standarddokumentation“ bestätigt: Die Gemeinden müssen in einem gemeinsamen Datenformat ihre Daten an die Bundesländer melden, die diese dann zentral einbringen. Die Daten gibt es also – wie können wir sie nutzen?
Unter „Öffentliche Finanzen/Gebarungen der öffentlichen Rechtsträger“ finden sich einige Übersichtstabellen und Publikationen – die neueste für 2021. Unsere Beispielfragen, also wie viel die Gemeinden etwa für Denkmalpflege oder Musikschulen ausgeben, lassen sich damit nicht beantworten; selbst das 143-seitige Dokument „Gebarungsübersichten 2020/21“ ist dafür nicht detailliert genug.
Aber die Statistik Austria bietet zusätzlich zu den Publikationen auch einen Dienst namens StatCube, die „Statistische Datenbank“. Darin finden sich tatsächlich Datenquellen wie „Gemeinden ab 2020, Ergebnishaushalt“. Das System ist nicht gerade einfach zu bedienen, aber mit etwas Übung klappt es. Die Gemeindedaten und die Klassifikation der Einnahmen- und Ausgabekategorien sind tatsächlich da – aber schon bei der Kategorienauswahl erscheint der Hinweis „Abo“. Diese Daten gibt es also nur mit einem kostenpflichtigen Zugang, ab 53 Euro für 14 Tage. Die Statistik Austria ist offensichtlich kein Open-Data-Anbieter.
Jedenfalls erhalten wir dort endlich die gewünschten Daten mit Registrierung und Zahlung eines Betrags, der eher für gewerbliche Kundschaft gedacht ist und mit freiem Datenzugang für freie Bürger:innen und NGOs nicht viel zu tun hat. Die Rohdaten bekommt man da zwar auch nicht (bzw. nur auf Anfrage, vermutlich für einen prohibitiv hohen Betrag), aber zumindest lassen sich die Analyse-Ergebnisse halbwegs detailliert zusammenklicken. Nur nicht zu detailliert, weil der 14-Tage-Zugang nur 100.000 „Werte“ beinhaltet.
Fazit: Kein freier Zugang zu Gemeindefinanzdaten
Das Ergebnis dieser beispielhaften Analyse ist enttäuschend. Gemeindefinanzen betreffen uns alle: Wir erwarten von einem modernen Staat, dass solche Basisinformationen über unsere Steuergelder frei zugänglich sind, und viele NGOs und Bürger:innen könnten mit der Analyse dieser Daten ihre Ziele besser erreichen oder sich umfangreicher informieren. Stattdessen haben wir Gemeinden, die ihre Informationen nicht publizieren, die Daten werden als Open Data nur unvollständig und mit großen Hürden publiziert, und die Statistik Austria verkauft die Daten der Bürger:innen an sie zurück.
Es gäbe viele einfache Verbesserungsmöglichkeiten, wenn die entsprechenden Stellen und die Regierung wirklich an Transparenz interessiert wären.
Die Bundesländer sammeln die Gemeindedaten bereits in einem gesetzlichen Format. Sie haben selbst Zugang zum Open-Data-Server des Bundes. Warum nicht einfach die Gemeindefinanz-Daten zusätzlich dort hochladen, wenn sie sowieso auch an die Statistik Austria gehen? Diese einfache Lösung würde wohl nicht einmal eine Verordnung erfordern – ein paar Gespräche mit den richtigen Leuten, und schon ist die Information über die Gemeindefinanzen vollständig und gut verwendbar für alle zugänglich. In einem System, das genau dafür gedacht ist und bereits gut funktioniert.
Diese Geschichte ist nur ein Beispiel von vielen, wie der Staat in einem Bereich Transparenz verspricht und dann nicht durchsetzt. Es ist bereits viel geschafft – aber niemand hat sich von Anfang bis Ende überlegt, wofür die Zahlen erhoben werden, was man mit ihnen noch machen könnte und wie man den mündigen Bürger:innen möglichst viel Information zur Verfügung stellen könnte.
BALÁZS BÁRÁNY ist selbstständiger Data Scientist in Niederösterreich. Er engagiert sich in netzpolitischen und säkularen Bereichen, unter anderem bei der Piratenpartei Österreichs und im Humanistischen Verband und publiziert unter anderem beim Humanistischen Pressedienst, seinem Blog „Athikan“ und im „Radio-Athikan-Podcast“.