Das Dilemma der Uni-Finanzierung
Ein Studium an einer öffentlichen Universität ist in Österreich für alle gratis – sofern sie aus EWR-Ländern kommen und in der Mindeststudienzeit bleiben. Das heißt aber noch lange nicht, dass der akademische Weg kostenfrei ist – ganz im Gegenteil. Im Schnitt verursacht ein Studium jährliche Kosten in Höhe von ca. 14.000 Euro pro Studierendem:r. Betrachtet man die durchschnittlichen Ausgaben pro Absolvent:in, fallen Kosten in Höhe von über 100.000 Euro an.
Getragen wird diese finanzielle Last vom Staat: 12,3 Milliarden Euro wendet das Bildungsministerium laut Universitätsbericht in einem Zeitraum von drei Jahren alleine für die öffentlichen Universitäten auf. Die Summen klingen auf Anhieb hoch – doch wie steht es eigentlich um die damit finanzierte Bildungsqualität? Leben wir in Österreich die schönsten Bildungsträume? Wer zahlt das alles letztendlich? Und reicht das überhaupt?
Bildung zwischen Soll- und Ist-Zustand
Als langjähriger Studierendenvertreter halte ich wenig von den KPIs und Wirkungskennzahlen des Ministeriums zur Bildungsqualität. Ein Kriterium greife ich aber dennoch exemplarisch auf, weil es zeigt, wie weit das behördliche Verständnis von Bildungsqualität von der tatsächlichen Lebensrealität entfernt ist: Das Ziel der „Betreuungsrelation“, also dem Verhältnis zwischen der Anzahl von Lehrenden und Studierenden. Gemäß Wirkungsmonitoring 2021 ist dieses Ziel „zur Gänze erreicht“ – Studierende haben aber trotzdem wenig bis gar keinen Kontakt zu ihren Lehrenden, die über die Begegnung in der Vorlesung hinausgehen. Ein trauriger Ist-Stand, wo doch der Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden essenziell für die Bildungsqualität ist. Derlei Bildungsalbträume lassen sich an vielen Ecken und Enden des Universitätsstudiums feststellen – und dafür reicht ein kurzer Blick auf das Leben an den Hochschulen.
Die klassische Vorlesung am Studienbeginn verbringt ein großer Teil der Studierenden nicht auf alten Sesseln oder kleinen Vorlesungsbänken, sondern auf der Treppe oder am Boden. Livestreams oder Aufzeichnungen gibt es selten; teilweise fehlt die Technik, teilweise das Know-how bei den Lehrenden. Das ist der Ist-Zustand. Im Soll wären das Raumproblem gelöst und die Kapazität der Universitätsgebäude tatsächlich der Gesamtanzahl der Studierenden angepasst. Im Soll wären alte Gebäude längst renoviert und Vorlesungssäle modernisiert. Moderne Technologien wären zur Ergänzung, Verbesserung und Flexibilisierung der Lehre längst Standard, und das entsprechende Know-how dafür wäre fachgerecht an die Lehrenden vermittelt worden.
EDV-Räume, in denen sich Studierende im Ist-Zustand vor Not-really-Full-HD-Bildschirmen mit 4GB RAM durch moderne Softwareanforderungen kämpfen, wären längst auf modernste Hochleistungsgeräte umgerüstet worden. Im Soll würde man bereits im Studium mit entsprechenden Geräten auf frei zugänglichen Lizenzen durch die Expertise der Lehrenden lernen, die modernsten Technologien, Tools und Software zu nutzen. Gar nicht zu sprechen von der Modernisierung von Bibliotheken, der Förderung wissenschaftlicher Projekte, Exkursionen, simplen Verbesserungen wie ausreichend Steckdosen oder dem riesigen Ziel, die teils enorm alten Universitätsgebäude klimaneutral zu machen.
Das aktuelle Budget reicht für den Ist-Stand gerade so und erhält diese Missstände, ohne die notwendigen Schritte in Richtung Soll – in Richtung echte Bildungsqualität – gehen zu können. Ohne diese vielen Bedürfnisse und Wünsche nach einer besseren Universität und einem besseren Studium. Ohne die Bildungsträume erfüllen zu können. Die Bildungsträume kosten Geld – viel Geld –, und genau das fehlt den österreichischen Universitäten.
Wer bezahlt meinen Profit? Sozial gerechter Bildungstraum
Im aktuellen Modell finanzieren die Steuerzahler:innen die besseren Berufs- und Verdienstchancen von angehenden Akademiker:innen. Es bezahlen also all jene für die Hochschulbildung, die am wenigsten davon haben, während Akademiker:innen ihr Studium gratis verfolgen können und am meisten profitieren. Der Ist-Stand kostet bereits 12,3 Milliarden Euro, ohne die Frage gestellt zu haben, wer eigentlich davon profitiert und wer dafür bezahlen soll. Wenn man bedenkt, dass es für hochqualitative Hochschulen noch mehr Geld braucht, entkommt man der Frage nicht mehr, woher dieses Geld kommen soll.
Käme dieses Geld also weiterhin vom Staat, würde die soziale Ungerechtigkeit zwischen denen, die zahlen, und denen, die profitieren, weiter verschärft werden. Maurer:innen, Bäcker:innen und Alleinerzieher:innen müssten noch mehr abgeben, um Akademiker:innen noch hochwertigere Titel und höhere Einkommen zu verschaffen.
Träume Wirklichkeit werden lassen: Ein Lösungsansatz
Vereint man die beiden Aspekte des Soll/Ist-Vergleichs im Hinblick auf die Bildungsqualität und die Frage der sozialen Gerechtigkeit, wird deutlich, dass das aktuelle Modell nicht zukunftsfähig ist. Eine Lösung bietet ein Finanzierungsmodell mit mehreren Säulen, das sowohl für soziale Gerechtigkeit als auch für eine höhere Bildungsqualität sorgt. Das 3-Säulen-Modell verwirklicht Bildungsträume.
Dabei kommen neben der staatlichen Grundfinanzierung der Universitäten mittels 2 Prozent des BIP – im Vergleich zu aktuell 1,13 Prozent – , noch mehr Drittmittel und nachgelagerte Studienbeiträge als zweite und dritte Säule hinzu. Bei Ersteren erreicht Österreich im OECD-Schnitt 2020 nur 9 Prozent, während der Durchschnitt bei 30 Prozent Drittmittelfinanzierung des Hochschulsektors liegt. „Nachgelagert“ bedeutet bei Letzteren, dass die Studienbeiträge zwar direkt in die Universität und das Studium fließen und damit direkt die Bildungsqualität heben, aber erst nach dem Studium bezahlt werden müssen, wenn das Einkommen dafür ausreicht.
Dieses Modell wird in Australien bereits seit über 30 Jahren erfolgreich eingesetzt. Dort zeigt sich, dass die negativen Effekte sofort zu zahlender Studiengebühren nicht eintreten. Ganz im Gegenteil: Das System trägt durch die Nachlagerung zu besserer sozialer Gerechtigkeit bei. Durch den Beitrag der Akademiker:innen finanzieren eben jene die Bildungsqualität mit, die am meisten davon profitieren. Alleine durch nachgelagerte Studienbeiträge in Höhe von 500 Euro pro Semester würden zu den 12,3 Milliarden Euro für drei Jahre zusätzliche 1,2 Milliarden Euro dazukommen. Damit ließe sich alle drei Jahre zweieinhalbmal ein WU-Campus bauen. Das regt zum Träumen an, was man damit noch alles machen könnte.
Wer träumt denn überhaupt noch?
Wie viel und woher das Universitätsbudget kommt, und was überhaupt unter einer erstrebenswerten Bildungsqualität verstanden wird, ist letztendlich eine politische Frage. Erfahrungsgemäß kann ich sagen, dass nur noch wenige träumen. Nur wenige sehen die tatsächlichen Folgen des Budgetdefizits wirklich. Wieder andere ignorieren die mangelnde Bildungsqualität, und nochmal andere sehen die Probleme klar, träumen auch von besserer Bildung – aber die pragmatische Lösung wollen sie dann doch nicht hören.
LUKAS SCHOBESBERGER hat Wirtschaft und Soziologie studiert und macht aktuell einen Wirtschaftsmaster in Organization Studies in Innsbruck. Er befasst sich primär mit Bildungspolitik, explizit mit dem Hochschulbereich. Seit vier Jahren ist er für JUNOS in der ÖH aktiv – zwei Jahre davon als Stellvertretender ÖH-Vorsitzender. Bei der ÖH-Wahl 2023 ist er Spitzenkandidat der JUNOS-Studierenden.