Der Aufstieg von Awareness-Teams in der Wiener Clubkultur
Manchmal sieht man sie in Lichterketten, dann wieder an einem Stand. Und manchmal sehen sie wie normale Party-Gäste aus: In der elektronischen Clubszene Wiens breiten sich gerade Awareness-Teams aus. Doch wer sind sie, und wozu braucht man sie?
„Psychotherapeuten für die woke Bubble der Gen Z.“
So in etwa hat ein Standard-Forum-Kommentator die Awareness bei unseren Partys beschrieben. Für alle über 35 mag es auch so wirken – immerhin hat es bis dato auch gepasst, oder? Die Securitys sind für die Sicherheit da, die Bar für die Drinks, die dunklen Ecken für das risikohafte Erleben und der Club selbst für die musikalische und die eigene Ekstase. Besonders Männer trauern der Zeit hinterher, in der eine Party eine Party war und Grenzüberschreitungen Teil des Erlebens.
Vielleicht ist es also doch in der Gen Z begründet: der Generation, die dann doch nicht mehr so gerne trinkt wie die Generationen davor, mit dem Rauchen nicht mal anfängt, und die während #metoo noch die Schulbank gedrückt hat. Ihr Zugang und Verständnis von Risiko und Grenzüberschreitung sind andere als die der Gen X, die sich unter Falco im damaligen U4 das noch unbekannte Heroin auf gut Glück gegönnt hat und deren Chauvinismus noch zum Schmäh gehörte.
So gesehen mag es stimmen: Die Anforderungen an Kulturschaffende in elektronischen Clubs haben sich tatsächlich verändert. Die Zielgruppe dieser Clubs ist seit Jahrzehnten dieselbe: 20somethings im Studium. Was aber geboten werden muss, ist anders als vor zehn Jahren – weniger überraschend als logisch eigentlich.
Das ist aber nur ein Teil der Antwort. Bevor wir die Funktion der Awareness-Teams verstehen, erkläre ich in aller Kürze, was sie so machen: Die Awareness-Teams in Clubs sind für Gäste ansprechbare Menschen, die gegebenenfalls bei Konflikten vermitteln, bei Übergriffen einschreiten oder sich bei unguten Rauschzuständen um einen kümmern. Erfahrene Clubgänger:innen werden jetzt stutzig anmerken, dass das doch die Aufgabe von Securitys ist. Das Sicherheitspersonal hat sich aber nicht als zugänglicher Freund auf Partys erwiesen – nicht nur, weil oft Homophobie, Sexismus und Rassismus sowie gewaltvolle Handlungen von ihnen ausgehen, sondern weil die Securitys eine gänzlich andere Aufgabe verfolgen. Sie schauen, dass das Hausrecht umgesetzt wird und so wenig Blaulicht wie möglich vor oder gar im Club stattfindet.
Es sind Menschen, die dem Besitzer und Geschäftsführer (absichtlich nicht gegendert) dienen, und eben nicht den Gästen. Die Lösung der Securitys ist oft das Verweisen vom Event, manchmal sogar ein genereller Verweis vom Club. So verstecken sich Gäste, die zu viel erwischt haben, lieber am Klo, und Frauen, die begrapscht worden sind, schweigen lieber.
Apropos Frauen: Auch die sind rar in Sicherheitsteams. Sie wären aber besonders für frauenspezifische Probleme wichtig. Insgesamt ist das Vertrauen in Männer in Schwarz mit einem Kabel im Ohr gastseitig nicht gegeben.
In Wien arbeiten Clubs noch nicht mit fixen Awareness-Teams – außer das Sass im ersten Bezirk. Üblicherweise bringen die Veranstalter:innen sie mit. Es gibt die Möglichkeit, sie von außen zu buchen oder innerhalb des eigenen Vereins oder Kollektivs aufzubauen. Mit der Awareness angefangen haben sexpositive Partys. Dort liegt der Fokus auf Übergriffen, feministischen Themen, K.O.-Tropfen und Safer Sex. Nicht nur hausgemacht ist hier zu nennen, sondern auch die Eventreihe S.O.U.L. – wobei der Zugang, was ein Awareness-Team können soll und was nicht, auch da sehr unterschiedlich ist.
Aus dieser Art von Events haben sich andere Awareness-Teams gegründet, wie z.B. das Team vom Techno-Kollektiv ANANAS. Der Fokus liegt je nach Team und Party immer woanders. Mal geht’s um Safer Use, dann wieder um Safer Sex. Fast immer geht es um Consent – die Kunst zu erkennen, wann ein „Ja“ ein wirkliches „Ja“ ist.
Awareness-Teams wie das von AwA_stern (vormals Awa_Wien) sind hauptsächlich extern buchbar und bieten immer wieder Fortbildungen an. Es waren auch sie, die den ersten öffentlichen und somit legitimierenden Auftrag bekommen haben: Die Stadt Wien hat zur Zeit von Corona Awareness-Teams eingesetzt, die am Donaukanal und am Karlsplatz Jugendlichen geholfen, Situationen entschärft und sie auf Corona-Maßnahmen aufmerksam gemacht haben. Hier hat die rot-pinke Regierung absichtlich nicht auf Sicherheitspersonal zurückgegriffen, sondern auf das niederschwellige Angebot der Awareness-Arbeit.
Awareness ist das Gesicht der Party, Menschen, die von Veranstalter:innenseite kommen und von Gästen angesprochen werden. Das stärkt die Gästezufriedenheit und auch die Bindung – auf Partys zu gehen, wo alle Verantwortlichen im Backstage sitzen, ist 2022 nun mal out. Gäste sind Teil der Stimmung und der Party, und sie werden gerne auch als solche wertgeschätzt. Elektronische Musik hat das Antlitz des versnobten DJs, der gleichzeitig auch veranstaltet und sich wie der Platzhirsch aufführt, verloren.
Auf Facebook kann man noch manchmal die alternde (und männliche) Generation lesen, wie sie unzufrieden mit der Entwicklung ist und wie Raves Orte des Risikos sein sollten. Am Ende buchen sie dann doch Awareness-Teams rein. Weil man es nicht verstehen muss, um es im Börsel zu spüren. Das finde ich ganz wunderbar.
FREDI FERKOVA (30) hat vor acht Jahren den gemeinnützigen Kunst- und Kulturverein hausgemacht gegründet. Neben Techno-Partys konzentriert sich das Kollektiv auf feministische sexpositive und body neutrality Partys.