Krypto kommt in der Finanzwelt an
Lange wurden Kryptowährungen als Nischen-Hobby und Nerdzeug belächelt. Jetzt steigen große Vermögensverwalter ein und eine neue technische Lösung sorgt für eine bessere Einbindung in die klassischen Finanzmärkte – und noch größeres Potenzial.
Ein Klassiker unter den Anlagetipps sind „ETFs“, sogenannte „Exchange Traded Funds“. Das sind spezielle Investmentfonds, die vergleichbar zu Aktien direkt auf Börsen gehandelt werden und mehrere Wertpapiere bündeln, etwa Aktien aus einer speziellen Branche. Wer investiert, kann Anteile an einem ETF jederzeit während der Börsenzeiten kaufen und verkaufen.
In den letzten Jahren erlebte diese Anlageform ein erhebliches Wachstum, da sie einen einfachen und kostengünstigen Weg ermöglicht, um ein breites Investmentportfolio zu bilden. Im Jahr 2023 machten ETFs mehr als 17 Prozent des weltweit verwalteten Fondsvermögens aus. Es wird prognostiziert, dass dieser Anteil bis 2027 weiter bis auf ca. 24 Prozent anwachsen könnte.
ETFs werden oft als „passive“ Investmentfonds bezeichnet, da von den Investmentmanager:innen hierbei in der Regel keine eigenen Investmententscheidungen getroffen werden. Ziel von ETFs ist es, die Preisentwicklung von Vermögenswerten abzubilden und Anleger:innen eine kosteneffiziente und flexible Möglichkeit zu bieten, an den Preisentwicklungen von unterschiedlichsten Vermögenswerten oder Indizes zu partizipieren. Mit Exchange-Traded Funds wird eine Vielzahl von Anlageklassen zugänglich gemacht: etwa Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Edelmetalle oder Immobilien.
Zu diesen diversen Anlageklassen reihte sich nun mit dem 10. Januar 2024 in den USA auch erstmals eine Kryptowährung ein: Bitcoin.
Die Bitcoin ETFs
Mehr als zehn Jahre hat es seit dem ersten Antrag für die Einrichtung eines Bitcoin ETF gedauert, bis die US-amerikanische Börsenaufsicht sogenannte Bitcoin Spot ETFs zugelassen hat. „Spot“ bedeutet hierbei, dass der Vermögensverwalter des ETF die Bitcoin dahinter auch tatsächlich besitzen muss. Bis zuletzt hat sich der kryptokritische Vorsitzende der Securities and Exchange Commission (SEC), Gary Gensler, gegen die Zulassung verwehrt. Bis plötzlich die größten Vermögensverwalter der Welt vor der Tür standen.
Gemessen an verwaltetem Vermögen sind die weltweit bedeutendsten Vermögensverwalter, Stand 2023 Blackrock, Vanguard Group und Fidelity Investments. Mit einem verwalteten Vermögen von 7,6 Billionen USD und 4,24 Billionen USD, suchten Blackrock und Fidelity bei der SEC für die Zulassung von Bitcoin ETFs an. Diese Entwicklung ist besonders daher bedeutsam, da es sich bei einigen entscheidenden Personen hinter beiden Unternehmen vormals um laute Kritiker von Kryptowährungen handelte. Seit kurzem befindet sich die Wahrnehmung von Bitcoin als Anlageform jedoch im Wandel.
Bitcoin ETFs bieten Anleger:innen seit 2024 eine Möglichkeit, in Bitcoin zu investieren, ohne die Kryptowährung selbst kaufen und verwalten zu müssen. Die Digitalwährung wird nun von Vermögensverwaltern gekauft und verwaltet. ETFs machen Bitcoin nun indirekt an Börsen handelbar wie herkömmliche Aktien und ermöglichen so den Zugang zu Bitcoin über traditionelle Investmentkanäle wie beispielsweise Pensionspläne. Die Komplexität und Sicherheitsrisiken, die mit dem Kauf von Kryptowährungen verbunden ist, wird den Anleger:innen abgenommen.
Die Bitcoin Spot ETFs erwiesen sich als große Erfolgsgeschichte. Bereits sieben Wochen nach Handelsbeginn erreichte BlackRocks iShares Bitcoin ETF (IBIT) ein Fondsvermögen von 10 Milliarden USD. Die zehn Bitcoin Spot ETFs im US-amerikanischen Finanzmarkt erzielten ein Rekordwachstum und verwalten nun insgesamt über 55 Milliarden USD in Form von Bitcoin. Diese enorme Nachfrage zieht nun auch die ersten Investmentbanken in ihren Bann. Die Großbanken Morgan Stanley und UBS befinden sich bereits im Prozess, als erste Banken ebenso ETFs anzubieten. Mit dem Erfolg der ETFs wurde auch der Preis von Bitcoin selbst beflügelt, welcher am 14. März 2024 einen neuen Höchstwert von 73,738 USD/BTC erreichte.
Ein neues Protokoll beseitigt alte Barrieren
Wer in die vielfältige Welt der Krypoökonomie mit Smart Contracts (intelligenten Verträgen), Decentralized Finance (oder „DeFi“, dezentralisierte Finanzprodukte) oder Non-Fungible Token (NFTs, digitale Güter) und dergleichen einsteigen möchte, kommt dabei nur mit Bitcoin aber nicht weit. Denn bei Bitcoin geht es vor allem um die Kernfunktion als digitaler Vermögenswert – es ermöglicht daher nur geringe Funktionalität für komplexere, technische Anwendungsfälle. Hier kommt die zweitgrößte Kryptowährung Ethereum ins Spiel, die explizit dafür gebaut wurde.
In den vergangenen Jahren entstanden viele weitere Blockchain-basierte Ökosysteme, die den Design-Prinzipien von Bitcoin und Ethereum folgten und diese um neue Aspekte erweiterten oder alternative Zugänge entwickelten. So entstanden viele eigene Ökosysteme aus in sich geschlossenen Netzwerken, die fragmentiert nebeneinander existierten und nur sehr eingeschränkt miteinander interagierten. Jedes dieser Ökosysteme lebte innerhalb seiner eigenen Blockchain-Ökonomie.
Diese unterschiedliche Funktionsweise führt zu signifikanten Risiken, wenn diese mit der Außenwelt oder anderen Blockchains interagieren: Inkorrekte oder fehlende Daten können Fehler auslösen, die sich anschließend nicht (oder nur sehr schwer) wieder beheben lassen. Diese Risiken verhindern die Idee sicherer dezentraler Anwendungen. In der Fachwelt wird dieses Problem als das „Oracle Problem“ bezeichnet.
Smart Contracts sind selbstausführende Verträge, deren Vertragsinhalt und -funktionsweise direkt in Code geschrieben wird. Das bedeutet, diese Verträge führen automatisch Transaktionen aus, sobald vordefinierte Bedingungen erfüllt sind – ohne dass eine dritte Partei (z.B. eine Bank) hierfür erforderlich ist.
Ein Oracle wiederum ist eine Brücke zwischen einer Blockchain und der realen Welt oder anderen Blockchains, die externe Daten (z.B. das Erfüllen einer Bedingung) in eine Form bringt, die von Smart Contracts genutzt werden kann. Um das Oracle-Problem zu lösen, wurde das dezentrale Oracle-Netzwerk Chainlink ins Leben gerufen, das einen sicheren, dezentralen Weg bietet, um die Blockchain-Welt mit der realen Welt zu verbinden.
Chainlink löst im Jahr 2024 nun jedoch auch ein wesentlich größeres Problem der Kryptoökonomie. Um die Interaktion zwischen unterschiedlichen Blockchain-Netzwerken zu ermöglichen, musste man bisher jede Form von Dezentralität opfern und zentralisierte „Brücken“ zwischen diesen Netzwerken nutzen, um Daten oder digitale Vermögenswerte auszutauschen. Diese sogenannten Bridges sind in ihrer Funktionsweise oft langsam, teuer und stellten bisher ein erhebliches Risiko dar.
Hacker-Angriffe auf oder durch diese Protokolle zählten mit mehr als 2,8 Milliarden USD an gestohlenem Geld zu den größten Gefahrenquellen für digitale Vermögenswerte auf Blockchains. Um dieses strukturelle Problem zu lösen, erhält die Kryptoökonomie nun einen einheitlichen Interoperabilitätsstandard, der Bridges obsolet macht und mit einer einzigen Lösung für alle Ökosysteme ersetzt: das Cross-Chain Interoperability Protocol (CCIP).
Die Finanzwelt wandert auf die Blockchain
Das CCIP zog jedoch nicht nur das Interesse der Kryptoökonomie auf sich. Die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication – besser bekannt als SWIFT – hat kürzlich gemeinsam mit Chainlink einen experimentellen Testlauf des CCIP für die Tokenisierung (d.h. die Erstellung digitaler Repräsentationen) von realen Vermögenswerten durchgeführt. SWIFT ist eine Organisation, die von mehr als 11.000 Banken und Finanzinstituten weltweit genutzt wird: Was am Bankkonto als BIC bezeichnet wird, kurz für Business Identifier Code ist auch als der „SWIFT-Code bekannt“, den Banken intern für ihren Zahlungsverkehr verwenden. SWIFT kann Finanzinstituten dadurch einen standardisierten Einstiegspunkt für die Übertragung digitalisierter Vermögenswerte innerhalb ihres Netzwerks bieten.
Wie Finanzwelt und Kryptoökonomie kommunizieren (Quelle)
Diese Neuerung trägt entscheidend dazu bei, die Lücke zwischen traditionellen Finanzsystemen und der dynamischen Welt der Kryptoökonomie ein wenig zu schließen: Banken und Finanzinstitute müssen dadurch nicht bestehende Blockchain-Ökosysteme verwenden, um Teil dieses aufkommenden Wirtschaftssegments zu werden. Mit dem CCIP können traditionelle IT-Systeme von Banken erstmals auf sichere und regulatorisch angemessene Art und Weise mit der Kryptowelt verbunden werden. SWIFT könnte in Zukunft die zentrale Anlaufstelle für Finanzinstitute werden, um beide Welten miteinander zu verknüpfen.
Mit dabei bei den unterschiedlichen Blockchain-Experimenten von SWIFT waren zudem viele große Unternehmen, die einen Teil der weltweiten Finanzinfrastruktur abbilden. Darunter finden sich Namen wie BNP Paribas, BNY Mellon, Citi, Clearstream, Euroclear, Lloyds Banking Group und SIX Digital Exchange (SDX). Diese Experimente verdeutlichen also eine sich rasant steigende Bereitschaft der bestehenden Finanzindustrie, Blockchain-Ökosysteme zu nutzen – und in sicherer und skalierbarer Form zu erforschen.
Als wesentlicher Teilnehmer ist zudem die Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) zu nennen. Dabei handelt es sich um das Rückgrat US-amerikanischen Finanzmärkte, das dafür sorgt, dass pro Jahr ein Billiarden-Volumen an finanziellen Transaktionen (z.B. in Form von Aktien) abgewickelt wird:
It is increasingly clear that blockchain technology is likely here to stay, with 97% of institutional investors anticipating tokenization will evolve asset management processes and $100 trillion worth of assets in the U.S. that could someday move onchain.
Stephen Prosperi (DTCC Executive Director, Innovation Strategy and Digital Assets)
Fazit
Obwohl die Kryptoökonomie durch Betrugsfälle und Finanzkrisen herausgefordert wurde, bleibt das Interesse der Finanzwelt an den vertrauenswürdigen Facetten des innovativen Markts bestehen. Die erfolgreiche Einführung von Bitcoin ETFs führt zur Etablierung von Bitcoin als eine neue Form von Anlageprodukt im Investmentsektor. Zugleich schaffen bahnbrechende Entwicklungen wie das CCIP neue Möglichkeiten für sichere und effektive Verbindungen zwischen der Krypto-Ökonomie – was den Weg für eine umfassendere Akzeptanz und Eingliederung ins Finanzsystem ebnet.
LUKAS LEYS ist Unternehmer, Gründer des Legal-Tech-Startups kontractory und Betreiber der Plattformen immobily.io, mietrecht.ai und gmbh.legal. Ihn treibt ein starkes Interesse am technologischen Fortschritt und an den gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese mit sich bringen wird. Sein Schwerpunkt liegt auf Blockchain-Technologie, Smart Contracts und dem Metaverse.