„PaMis“: wenig bekannte, aber elementare Stützen im Parlament
Wer an österreichische Politik denkt, landet gedanklich bei 183 Abgeordneten, die im Nationalrat für die Gesetzgebung zuständig sind. Weniger bekannt ist allerdings, dass sie Unterstützung erhalten. Rund 300 parlamentarische Mitarbeiter:innen – im Parlamentsjargon werden sie liebevoll als „PaMis“ bezeichnet – stehen den Abgeordneten bei der Ausübung ihres Mandats zur Seite. Doch wer sind diese Personen eigentlich? Welche Qualifikationen bringen sie mit, welche Aufgaben werden von ihnen erfüllt, und wie wird man PaMi?
Vielseitige Stützen seit 1992
Die Position der PaMis wurde 1992 eingeführt, um das Parlament aufzuwerten und den Abgeordneten mehr Ressourcen für ihre parlamentarische Arbeit zur Verfügung zu stellen. Der Hintergrund war zum einen der bevorstehende EU-Beitritt im Jahr 1995, wodurch mehr Arbeit für den Nationalrat erwartet wurde. Ein anderer Grund war das Erstarken der Opposition unter Jörg Haider, die mehr Mittel für sich einforderte. Vor der Einführung von PaMis waren die traditionellen Bünde die erste Anlaufstelle für politische Arbeit – etwa Gewerkschaften oder der Wirtschaftsbund. Auch die Ministerien wurden zu dieser Zeit noch vermehrt für die inhaltliche Arbeit der Abgeordneten eingespannt.
Wie viel PaMis verdienen, ist im Parlamentsmitarbeiterinnen- und Parlamentsmitarbeitergesetz geregelt: Stand 2024 steht den Abgeordneten ein Budget von rund € 4.722,- brutto im Monat zur Verfügung, über das sie nach eigenem Ermessen verfügen können. Eine übliche Aufteilung ist, dass die Abgeordneten eine:n PaMi für die parlamentarischen Agenden in Wien und eine:n weitere:n für die Arbeit in ihrem jeweiligen Wahlkreis anstellen.
Auch die Aufgabenbereiche von PaMis sind gesetzlich festgelegt. Der Beruf stellt eine Mischung aus Assistenztätigkeiten, Organisation und inhaltlichen Aufgaben dar: PaMis schreiben beispielsweise Reden, recherchieren und bereiten Inhalte auf, organisieren und halten Parlamentsführungen, koordinieren Termine und erledigen die Presse- und Social-Media-Arbeit. Wie das Rollenbild der PaMis in der Praxis aussieht, liegt auch an den Abgeordneten selbst: Sie können ihre Mitarbeiter:innen sowohl als Expert:innen einsetzen, die neben den Referent:innen bei der Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen unterstützen, aber diese auch mit dem Erledigen kleiner Aufgaben wie Koffer tragen, Süßigkeiten besorgen oder Geburtstagsnachrichten schreiben betrauen. Häufig vereint ein PaMi mehrere Funktionen in einer Person und ist rechte Hand, inhaltliche Stütze und persönliche:r Assistent:in zugleich.
Idee zur Untersuchung der „heimlichen Helfer“
Eine Umfrage unter allen Anfang 2023 beschäftigten Mitarbeitenden bestätigte so manche bestehende Vermutung über die Berufsgruppe der „heimlichen Helfer“, führte aber auch zu Überraschungen und neuen Erkenntnissen.
Persönlicher und beruflicher Hintergrund
Obwohl es einen großen Anteil von unter 30-jährigen Studierenden gab, handelte es sich insgesamt um eine recht bunte Personengruppe in Bezug auf Alter und Ausbildung. Das Geschlechterverhältnis war mit 54 Prozent Frauen und 46 Prozent Männern relativ ausgewogen. Die überwiegende Mehrheit der PaMis hat einen hohen Bildungsgrad: Mehr als die Hälfte besaß einen Hochschulabschluss, zusätzlich waren knapp 37 Prozent Absolvent:innen von Allgemeinbildenden oder Berufsbildenden höheren Schulen. Bei den Studienrichtungen der Mitarbeiter:innen dominierten eindeutig Politik- und Rechtswissenschaften. Aber auch ungewöhnliche Studienfächer wie Landschaftsplanung und einige Lehrabschlüsse kamen in der Statistik vor.
Qualifikation
Bei der Frage nach den für die Tätigkeit als PaMi wichtigen Fähigkeiten – allgemein und auf das Fachgebiet der:des Abgeordneten bezogen – ließ sich kein klares Qualifikationsprofil herauslesen. Allerdings stachen Social-Media-Kenntnisse am meisten heraus, die von fast 70 Prozent aller Mitarbeiter:innen unter den allgemeinen Qualifikationen am häufigsten angeführt wurden. Das führt zur Vermutung, dass die Betreuung von Social-Media-Kanälen ein wesentliches Element des Berufsbilds ist. Danach folgen relevante Vereins- oder Arbeitserfahrungen im politischen Bereich sowie vorangegangene Erfahrungen im Kommunikationsbereich.
Generell kommen „allgemeine Kenntnisse“ – also z.B. Social-Media-Kenntnisse, organisiertes Arbeiten oder ein rechtswissenschaftliches Studium – öfter vor als spezialisierte Berufsqualifikationen. Es scheint also mehr Generalist:innen zu geben als Spezialist:innen.
Arbeitsverhältnis
Bis auf eine Person, die einen Werkvertrag hatte, waren alle PaMis mit Dienstverträgen angestellt, 83 Prozent der Mitarbeitenden waren exklusiv für eine Person tätig, die anderen betreuten zwei oder mehr Abgeordnete. Eine Besonderheit zeigt sich bei den Grünen: Deren PaMis werden ausschließlich über Arbeitsgemeinschaften angestellt. Sie sind also nicht bei einzelnen Personen beschäftigt, sondern über einen Zusammenschluss von Abgeordneten – eine Maßnahme gegen Abhängigkeitsverhältnisse.
Die Arbeitsstunden schwankten zwischen 5 und 50 Stunden pro Woche, wobei die durchschnittliche Arbeitszeit 26,6 Stunden betrug und damit der Großteil der Mitarbeiter:innen Teilzeit angestellt war. Wenig überraschend übten dementsprechend viele PaMis zusätzliche Tätigkeiten wie ein Studium aus.
Mit 3,6 Jahren ist die durchschnittliche Beschäftigungsdauer von PaMis recht kurz – der Median lag lediglich bei 2,1 Jahren. Die meisten Mitarbeiter:innen sind weniger als fünf Jahre im Job. Einzelfälle sind aber sogar seit 30 Jahren in dieser Rolle – also seit Einführung der Position. Die dienstälteren Mitarbeitenden arbeiten tendenziell mehr Stunden und auch oft für mehr als eine:n Abgeordnete:n.
Parteimitgliedschaft und inhaltliche Zustimmung zur Parteilinie
Wenig überraschend war mit 66 Prozent der Befragten ein Großteil der Mitarbeiter:innen Mitglied bei der Partei ihrer Abgeordneten. Eine inhaltliche Übereinstimmung mit den Parteiwerten war ebenso bei der überwiegenden Mehrheit gegeben. Hier gab es signifikante Unterschiede zwischen den Parteien: Bei den PaMis von SPÖ-, ÖVP- und FPÖ-Abgeordneten war der Anteil von Parteimitgliedern deutlich höher als bei den PaMis von Grünen und NEOS; bei den FPÖ-PaMis waren sogar ausschließlich Parteimitglieder tätig. Genau dort gab es allerdings die einzige Person, die angab, bei einer anderen Partei Mitglied zu sein.
Verbleibedauer und Zukunftspläne
Die Mehrheit der PaMis möchte spätestens nach Ende der aktuellen Legislaturperiode den Job wechseln. Der öffentliche Dienst und die Privatwirtschaft wurden als bevorzugte Bereiche für eine zukünftige Tätigkeit genannt, eine weitere Karriere in der Politik wird hingegen nur von einem geringen Prozentsatz angestrebt.
Vor- und Nachteile
Bei der Bonusfrage zu den positiven und negativen Aspekten des Jobs wurde deutlich, dass die PaMis insgesamt eher zufrieden sind und viele Vorteile in ihrer Arbeit sehen, wobei die Vielseitigkeit der Tätigkeit, der Einblick in die parlamentarischen Abläufe, die Flexibilität und das gute Verhältnis zu Abgeordneten und Kolleg:innen besonders hervorgehoben wurden. Als negative Elemente wurden hohe Anforderungen an die Erreichbarkeit, zeitweise sehr große Arbeitsbelastung, Arbeitsplatzunsicherheit, mangelnde Aufstiegschancen und schwierige Vergleichbarkeit der Gehälter sowie kaum Möglichkeiten für Gehaltserhöhungen und fehlende Wertschätzung genannt.
Unterschiede und Besonderheiten
Wesentliche Unterschiede zwischen den Parteien wurden in den Bereichen Arbeitsort und Wahlkreistätigkeit, Parteimitgliedschaft sowie bei den Rekrutierungsprozessen beobachtet. NEOS und Grüne sind die einzigen Parteien, die Jobpositionen öffentlich über deren Klub-Websites ausschreiben. Bei den traditionellen Parteien ÖVP, SPÖ und FPÖ spielen bereits bestehende Bekanntschaften die größte Rolle im Rekrutierungsprozess. NEOS sind gleichzeitig die einzige Partei, die Namen und Zuordnung der Mitarbeiter:innen zu den jeweiligen Abgeordneten transparent auf deren Website bekannt gibt. Die Grünen stechen bei den arbeitsrechtlichen Regelungen hervor: Hier gilt eine allgemeine 35-Stunden-Woche, die Anstellung verläuft über Arbeitsgruppen, das Gehalt orientiert sich an einem Gehaltsschema, und klubinterne Betriebsrat-Regelungen werden intern auch auf die PaMis angewendet.
- ÖVP: Hier gibt es die meisten PaMis, die bei mehreren Abgeordneten angestellt sind.
- FPÖ: Hier arbeiten die meisten Parteimitglieder unter den PaMis.
- SPÖ: Hier arbeiten die im Durchschnitt ältesten PaMis.
- GRÜNE: Hier finden sich die meisten PaMis, die ihre jeweilige:n Abgeordnete:n vor der Anstellung nicht kannten.
- NEOS: Hier gibt es den höchsten Bildungsgrad unter den PaMis.
Unterschiedliche Arbeitsbedingungen und ungleicher Zugang
Ein Bereich, der spannende Fragen aufwirft, sind die Arbeitsbedingungen der PaMis. Das Budget und die Aufgaben sind zwar gesetzlich geregelt, de facto ist der Arbeitsalltag jedoch sehr unterschiedlich: Das betrifft beispielsweise die Tätigkeiten, die Arbeitszeiten und die Entlohnung. Es gibt zudem kaum gesetzliche Vorgaben, welche die Qualifikationen der Mitarbeiter:innen oder die besonderen Bedingungen, die der Job mit sich bringt, berücksichtigen – wie etwa eine höhere Erwartung an die Verfügbarkeit als in anderen Berufen, unregelmäßige Arbeitszeiten oder häufige Überstunden. Das wird von den Mitarbeiter:innen teilweise auch als belastend empfunden. Ein Mitarbeiter schrieb dazu, dass eine 20-Stunden-Woche in realita eine 40-Stunden-plus-Woche sei. Andere PaMis gaben wiederum an, dass sie deutlich mehr arbeiten als ihre Kolleg:innen, obwohl sie das gleiche Gehalt bekommen. Um einheitliche Gehaltsbestimmungen einzuführen, könnte man sich am oben erwähnten Vorbild der Grünen orientieren. Damit hätten die Abgeordneten zwar weniger Flexibilität, dafür gibt die Regelung mehr Nachvollziehbarkeit der Löhne. Eine Anpassung der Verträge in „echte“ All-in-Verträge, die Einführung von mehr Regelungen – fraktionsintern oder parteiübergreifend – sowie generell mehr Mittel für den parlamentarischen Betrieb könnten helfen, die Rahmenbedingungen für alle Mitarbeitenden zu verbessern.
Quo vadis, PaMi?
Die Karrierewege betreffen einen weiteren interessanten Punkt: Laut Auskunft eines österreichischen Parlamentsexperten war die Stelle des:der PaMi ursprünglich gar nicht als dauerhafte Position gedacht, sondern vielmehr als Karriere-Sprungbrett und Kaderschmiede für den Politiknachwuchs. Dafür gibt es auch einige prominente Beispiele: Matthias Strolz, Sebastian Kurz und Katharina Kucharowits etwa haben schon früh Parlamentsluft geschnuppert, andere ehemalige PaMis findet man regelmäßig in Ministerien und Kabinetten. Die Antworten der Untersuchung weisen allerdings darauf hin, dass nur eine Minderheit eine spätere Karriere in der Politik anstrebt.
Offene Ausschreibungen könnten für einen weniger elitären Zugang zum Job und gleichzeitig dafür sorgen, dass ein breiterer Pool an geeigneten Personen erreicht wird. Das erfordert jedoch zunächst eine Klärung, wie die Mitarbeiter:innen eingesetzt werden sollen und welche spezifischen Kenntnisse erforderlich sind. Die Umfrageergebnisse deuten bisher eher auf ein allgemeines Qualifikationsprofil hin.
Ziel sollte es jedenfalls sein, ein tieferes Verständnis für die PaMis als Bestandteil des parlamentarischen Betriebs zu entwickeln. Eine Optimierung des Rollenbilds der persönlichen Mitarbeiter:innen, von der in weiterer Folge auch die Arbeit der Abgeordneten im Sinne des freien Mandates profitiert, wäre ein wichtiger Schritt zu einer noch lebendigeren Demokratie. Schließlich lebt der Parlamentarismus nicht nur von den Abgeordneten selbst, sondern auch von den Menschen, die im Hintergrund einen wertvollen Beitrag leisten.