Brückenbauer? Oder doch Einfallstor für BRICS-Propaganda?
Es kommt von ganz rechts, es kommt von ganz links, und manchmal glaubt es auch die Mitte: „BRICS+ ist die Zukunft“, der Westen sei am Ende. Und überhaupt sind wir, je nach ideologischer Ausrichtung, entweder „arrogant“, weil wir an Menschenrechte glauben, oder wir müssen in der Welt scheitern, da wir uns immer noch als Kolonialherren präsentieren, während China und Russland „den globalen Süden befreien“.
Materie-Chefredakteur Stefan Schett in dem lesenswerten Artikel zur „neuen Blockbildung“:
Demokratien müssen sich sonst Sorgen machen, von unverlässlichen Autokratien abhängig zu werden, die sogar an der Destabilisierung des eigenen Modells arbeiten. Kann man als liberale Demokratie im Westen ein Interesse daran haben, Staaten zu finanzieren, die Terrororganisationen unterstützen, mit gezielter Desinformation Europa destabilisieren, Flüchtlingsströme verursachen oder Krieg in Europa starten? Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht nicht auf.
Genauso wenig wie für Diktaturen: Die müssen sich im Handel mit der EU um lästige Konsumentenschutz- und Umweltstandards kümmern und ein zumindest theoretisch überprüfbares Bekenntnis zu Menschenrechten abgeben. Viel besser ist da die Zusammenarbeit mit Staaten, die ebenfalls nicht vorgeben müssen, sich um diese Werte zu scheren.
Diese pragmatische Kooperation zwischen Autokratien funktioniert nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene – sondern auch im Informationsraum.
In diesem Kampf der Narrative geht es nicht nur um den Krieg in der Ukraine, sondern um die gesamte Weltordnung. Und darum, wie wir mit dieser Machtverschiebung umgehen. Auch in den demokratischen Staaten gibt es Stimmen, die mit viel Schadenfreude genährt vom „Untergang der westlichen Weltordnung“ sprechen, garniert durch eine gehörige Portion Antiamerikanismus. Diese Stimmen sind – wie bei den Verbreitern russischer Propaganda – in der extremen Rechten wie in der extremen Linken zu finden, und manchmal sogar in der „geschäftstüchtigen“ Mitte.
Doch was ist eigentlich so neu an dieser Situation? War es nicht zur Zeit des Kalten Krieges ähnlich? Gab es nicht bereits damals den Versuch, mit gezielter Desinformation und Subversion den Westen zu destabilisieren?
Keine Frage, all das kennen wir aus dem 20. Jahrhundert. Damals gab es aber weder die Möglichkeiten des Internets noch wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten einer globalisierten Welt. Was es allerdings damals wie heute gab, sind diverse „Freundschaftsgesellschaften“, die unkritisch die Narrative autoritärer Regimes verbreiten – auch bei uns in Österreich.
Kürzlich enthüllte etwa der Standard, dass der ehemalige Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ) gegenüber dem Ex-Vizekanzler Strache stolz von seinen China-Kontakten berichtet haben soll. Er sprach auch davon, gemeinsam mit Freunden das „österreichisch-chinesische Institut für Wirtschaft und Wissenschaft“ gegründet zu haben, Gudenus ist laut Vereinsregisterauszug auch der Präsident dieses Instituts. Im Jahr 2019 war dieses Institut auch im Rahmen einer Veranstaltung der österreichisch-russischen Freundschaftsgesellschaft zu Gast.
Wenn Delegationen kommen, werden wir immer eingebunden.
Johann Gudenus, FPÖ
Doch auch in der Sozialdemokratie gibt es Personen, die wenig durch scharfe Kritik an China auffallen. Bei einer Veranstaltung der „Yŏuyì – Freundschaftsgesellschaft Sozialdemokratie und Volksrepublik China“ sagte der Präsident der Gesellschaft, Ernst Woller, der auch Wiener Landtagspräsident ist: „Wir sind ja sehr froh, dass es sehr viele Institutionen, Vereine gibt, mittlerweile, die die Kommunikation und den Austausch mit China pflegen.“ Redner und „Stargast“ bei dieser SPÖ-Veranstaltung war der ehemalige SPD-Chef Rudolf Scharping, der in Deutschland für sein China-Engagement bereits in die Kritik geraten war. Die deutsche „Tagesschau“ schreibt über Scharping:
Mareike Ohlberg, Sinologin bei der amerikanischen Stiftung German Marshall Fund, sieht in dem einstigen Spitzenpolitiker einen sogenannten Freund des chinesischen Volkes. Die Bezeichnung sei in China ein feststehender Begriff und beschreibe eine Person, die „politisch bereit ist, den chinesischen Parteistaat zu unterstützen und sich für die Interessen des chinesischen Parteistaats einzusetzen“.
Tagesschau
Als Überraschungsgast angekündigt wurde Harvey Dzodin, ehemaliger Rechtsberater der Carter-Regierung, der nun als „Senior Fellow“ bei dem in Peking ansässigen Center for China and Globalization tätig ist, das seine aktuellen Tätigkeiten unter anderem so zusammenfasst: „Dr. Harvey Dzodin is a Beijing and Vienna based freelance columnist and commentator for China Daily, China Global TV Network, China Radio International and other global media.“
Eine besonders kritische Diskussion auch rund um die Frage, wie der steigende Einfluss der Volksrepublik China auch unseren Informationsraum betrifft, kann bei solchen Veranstaltungen nicht erwartet werden. Es scheint fast so, als hätten wir aus der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft nicht mehr gelernt, als wie man Politik, Wirtschaft, Kultur und möglichst regimefreundliche Narrative auf charmant-österreichische Weise kombiniert.
Das neutrale Österreich mit „speziellen“ Beziehungen zu Nicht-Demokratien
Österreich hat schon länger ein „überentspanntes“ Verhältnis zu autokratischen Ländern, wofür gerne die „Brückenbauer-Funktion“ und die Neutralität als Begründung zitiert werden.
Man könnte glauben, dass die Neutralität als „Entschuldigung” für diese Politik zugezogen wird – doch sie wird sogar als Begründung zitiert, man sei ja geradezu verpflichtet, diese engen und oft sehr unkritischen Beziehungen zu pflegen.
Tatsächlich geht es aber in vielen Fällen oft um nichts anderes als gute Geschäfte – und die funktionieren mit Autokraten immer dann gut, wenn man sie nicht kritisiert. Nicht selten wurden auch die Narrative der Autokraten elegant als Rechtfertigung für diese Politik in den Informationsraum gestreut.
Zwar gibt man sich heute, zumindest in Bezug auf Russland, ein wenig zurückhaltender als vor der großen Invasion der Ukraine 2024. Aber eine richtige Aufarbeitung hat bis heute nicht stattgefunden.
Und bei anderen Ländern ist das noch weniger zu erwarten. Im Februar 2024 wurde berichtet, dass Österreich ein „Memorandum of Understanding“ für die künftige Zusammenarbeit mit den Vereinigten Arabischen Emiraten im Bereich künstlichen Intelligenz abgeschlossen hat. Nicht nur, dass es sich bei den Emiraten nicht gerade um eine Demokratie handelt – das Land ist neuerdings auch Teil der BRICS+. Und pflegt damit sehr enge Beziehungen zu Russland.
Einem Bericht des Standard zufolge sprach der unter Spionageverdacht stehende Jan Marsalek darüber, Ex-BVT-Spionagechef Martin Weiss in die Vereinigten Arabischen Emirate „evakuiert“ zu haben. Allerdings ist Weiss dort für die österreichische Justiz nicht greifbar, weil es kein Auslieferungsabkommen mit Österreich gibt. So gut sind die Beziehungen zu den selbsternannten „Brückenbauern“ anscheinend auch wieder nicht.
DIETMAR PICHLER ist Programmatic Director am Zentrum für Digitale Medienkompetenz. Der geborene Wiener ist seit 15 Jahren in unterschiedlichen Funktionen im Bereich Marketing und Kommunikation tätig. Nach seinem Masterabschluss im Bereich Kommunikationsmanagement absolvierte er diverse universitäre Fortbildungen in den Bereichen Wirtschaft, Internationale Beziehungen, European Studies und Social Media. Zudem ist Dietmar Pichler Initiator der europäischen Medienplattform „stopovereurope.eu“ und als Vorstandsmitglied des Vereins „Vienna goes Europe“ tätig.