Der Medici-Effekt – Wie Innovation entsteht
„Der Medici-Effekt: wie Innovation entsteht“ von Frans Johansson greift ein faszinierendes Thema auf: Wie und wo Innovationen tatsächlich entstehen.
Für den Autor ist es dort, wo verschiedene Felder und Gedankenwelten aufeinandertreffen – ähnlich wie die Medici-Familie der Renaissance, die Künstler und Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen zusammenbrachte. Außerdem zeigt Johansson anhand von vielen Beispielen aus der echten Welt, wie sich dieser Überschneidungseffekt nutzen lässt. Es geht um die Innovation, die entsteht, wenn diverse Ansichten, Ideen und Wissensgebiete zusammenkommen – und warum das, vor allem in unserer stärker denn je vernetzten Welt, von herausragender Bedeutung ist.
Mehr Ideen bedeutet mehr Innovation
Der Autor zeigt anhand wissenschaftlicher Studien, dass die Anzahl der Ideen einer Person direkt mit der Qualität ihrer besten Ideen zusammenhängt. Je mehr Geistesblitze und Lösungsansätze eine Person produziert, desto höher ist die Chance, dass auch hochqualitative Ideen und Innovationen darunter sind.
Als prägnantestes Beispiel nennt Johansson Albert Einstein, der eine große Anzahl an neuartigen Konzepten und Publikationen erzeugte – einige davon sind jene bahnbrechenden Erkenntnisse, für die er bis heute bekannt ist. Der Autor zeigt auch eindrücklich, wie die Quantität der Ideen erhöht werden kann: indem Einblicke aus verschiedenen Feldern kombiniert werden. An diesen Schnittstellen steigt die Anzahl der möglichen Ideen exponentiell, da jeder Gedanke aus einem Feld mit jedem anderen Gedanken des anderen Bereichs kombiniert werden kann.
Hier plädiert der Autor für mehr Zufall in unserem Entscheidungsprozess. Damit bezieht er sich auf die Bereitschaft, mehr zufällig zusammengesetzte Konzepte zu erkunden, von denen wir initial glauben, dass die Bereich nicht zusammenpassen können. Gleichzeitig betont er auch, wie wichtig es ist, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen: Oft haben wir viele Ideen und denken an viele Möglichkeiten, verwerfen aber die meisten gedanklich sofort wieder. Hier lohnt es sich oft, auch verrückte Ideen aufzuschreiben – vielleicht kommt darauf aufbauend später ein tatsächlich nützlicher Gedanke.
Ideen lassen sich laut dem Autor vor allem als neue Gedanken definieren, die in bisher nicht bekannten Wegen kombiniert werden. Dabei sind nicht alle Ideen gleichermaßen wertvoll. Es sind vor allem jene innovativ, die weit von bisher bekannten Lösungen entfernt liegen. Die Chance dafür ist aber nur sehr gering, wenn Gedanken aus dem gleichen Feld verbunden werden – sie steigt stark an, wenn bisher unbekannte Bereiche in Verbindung gebracht werden.
Gleichzeitig betont Johansson aber auch, dass es nicht sinnvoll ist, leichte Abwandlungen von vorherigen Kombinationen auszuprobieren, wenn sich diese Verbindung als nicht nützlich herausgestellt hat. Er untermalt es damit, dass es sinnlos ist, 15 Bücher zu einem Thema zu schreiben, das keinen interessiert – hier sollte man bereits nach dem ersten Buch auf ein neues Thema wechseln und nicht mit minimalen Änderungen probieren, doch noch zum Erfolg zu kommen.
Assoziative Barrieren und kreative Umwege
Der größte Fallstrick für die Verknüpfungen von Ideen aus verschiedenen Bereichen sind „assoziative Barrieren“. Diese kognitiven Strukturen können uns in bestimmten Denkmustern gefangen halten und unsere Kreativität hemmen.
Dabei verbinden wir Dinge immer wieder in dem gleichen bekannten und erlernten Muster in Assoziationsketten miteinander. Das ist oft nützlich, weil wir uns so im alltäglichen Leben viel Denkarbeit ersparen – wenn ich etwa einen Kochtopf suche, will ich sofort an die Küchenschublade denken und nicht zig zufällige Optionen durchdenken. Zu bedenken ist aber auch, dass verschiedene Menschen und Kulturen verschiedene Assoziationsketten haben: Das Buch bringt hier das Beispiel, dass Heuschrecken in den USA ein Schädling sind, in China als Haustier assoziiert werden und in Thailand von vielen Menschen als Appetizer gesehen werden.
Bei Innovation geht es aber darum, neue Zusammenhänge zu finden. Um assoziative Barrieren zu durchbrechen, beleuchtet Johansson verschiedene Methoden wie die Umkehr von Annahmen oder das Setzen zufälliger Limitationen. Beides zwingt einen, gewohnte Muster zu verlassen und frische Ansätze zu finden. Ein Beispiel vom Autor ist hier ein berühmter Sternekoch aus New York, der sehr niedrige Assoziationsbarrieren hat – das half ihm, traditionelle schwedische Speisen mit Essen aus aller Welt zu verbinden und so den „Food-Fusion“-Trend mitzubegründen.
Diversität als Innovationstreiber
Ein besonders prägnanter Punkt des Buchs betrifft die Stärke und Vorteile diverser Teams. Bringen diese viele verschiedene Perspektiven, Erfahrungen und Fähigkeiten ein, steigt die Anzahl der möglichen Ideen aus verschiedenen Bereichen, die kombiniert werden können, stark an, was einen starken Booster für Kreativität und Innovation darstellt. Der Autor warnt daher davor, Teams rein nach persönlicher Kompatibilität zusammenzustellen, da wir oft mit jenen Menschen am besten auskommen, die uns in vielen Aspekten ähnlich sind.
Darüber hinaus gibt Johansson auch noch einen weiteren spannenden Einblick, den ich bisher so noch nicht bedacht hatte: Diverse Teams haben nicht nur bei der Ideenfindung, sondern auch bei der Umsetzung große Vorteile. Durch ihre Vielfalt kennen sie mehr verschiedene Menschen im Unternehmen, dies hilft, leichter Wege um bürokratische Hürden herum zu finden und Unterstützer für die Idee zu gewinnen.
Das Risiko des Neuen und die Bedeutung von Fehlschlägen
Johanssons Analyse geht über den reinen Ideenfindungsprozess hinaus. Er spricht über die Bedeutung von Fehlschlägen in Innovationsprozessen. Neue Ideen sind naturgemäß mit hohem Risiko behaftet – oft scheitern sie. Doch genau in diesem Scheitern liegt oft der größte Lerneffekt. Es ist oft sinnvoller, schnell und viel zu scheitern, um die wenigen Ideen herauszufinden, die wirklich erfolgreich sind. Der Autor betont daher die Bedeutung einer Kultur des Scheiterns: Unternehmen und Teams sollten es nicht nur erlauben, sondern sogar fördern, dass neue Ideen ausprobiert und getestet werden – und das auch, wenn sie dabei oft scheitern. Nur so können wirklich neuartige Konzepte und Produkte entstehen.
Empfehlung
„Der Medici-Effekt“ liefert einen tiefen Einblick in das komplexe Gefüge von Innovation. Es ist nicht nur eine Lektüre über Ideenfindung, sondern auch ein Leitfaden der Ansätze für ihre Umsetzung liefert. Was besonders beeindruckt, ist Johanssons Fähigkeit, reale Geschichten und wissenschaftliche Erkenntnisse miteinander zu verknüpfen und zu einem stimmigen Gesamtbild zu formen. Das Buch regt zum Nachdenken an, inspiriert und ermutigt dazu, den eigenen kreativen Horizont zu erweitern.
RAPHAEL FRITZ ist IT-Unternehmer mit Fokus auf AI. Er war schon als Kind ein Bücherwurm, der nach dem Studium Hörbücher für sich entdeckte. So lässt sich sein Wissensdurst in den Bereichen Technologie, Politik, Philosophie, Wissenschaft und Persönlichkeitsentwicklung trotz eines hektischen Alltags hervorragend stillen. Knapp 70 Hörbücher und 5 gedruckte Bücher pro Jahr liefern dabei einen guten Pool, um hervorragende Empfehlungen abgeben zu können. Die meisten davon werden auf Englisch gelesen oder gehört. Ausnahmen gibt es primär, wenn Deutsch die Originalsprache ist.