Der Staat, der ultimative Krisengewinner
Seit der Corona-Krise hören wir ständig von Krisengewinnern: Waren es im Lockdown Online-Shops, sind es jetzt in der Strom- und Gaskrise die Energieversorger. Das Resultat sind Diskussionen darüber, wie man diese nun zur Verantwortung ziehen könnte. Übergewinnsteuern oder Solidaritätsabgaben – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.
Doch ein Krisengewinner wird kaum thematisiert. Und das, obwohl er insbesondere seit dem Jahr 2020 im Leben aller Bürger Österreichs immer präsenter wird. Die Rede ist vom Staat.
Die Staatsquote wächst
Dass der Staat immer größer wird, wurde einem nicht zuletzt bei der Präsentation des Budgets für die kommenden Jahre wieder bewusst. Die Auszahlungen werden auch in den kommenden Jahren die Einnahmen übersteigen. Im kommenden Jahr werden die ausbezahlten Gelder um rund 11 Prozent höher ausfallen als noch 2021. Diese Entwicklungen kommen nicht plötzlich: Die Staatsquote, also die Staatsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt, ist in Österreich mit über 50 Prozent sehr hoch. Insbesondere im Jahr 2020 stieg sie stark auf über 57 Prozent an.
Obwohl sie vergangenes Jahr um rund einen Prozentpunkt gesunken ist, sind die Staatsausgaben noch immer äußerst hoch. Damit ist Österreich nicht alleine: Die Corona-Krise hat zu einer Ausweitung des Staates in vielen Industrieländern geführt. Speziell der heimische Staat hat die Pandemie genutzt, um sich wie eine Krake festzusaugen. In Österreich waren Kurzarbeit, Umsatzersatz und Schnitzelgutscheine nur drei der Lösungen, mit denen Unternehmen und Haushalten großzügig unter die Arme gegriffen wurde. Dass hier genauso großzügig überfördert wurde, steht mittlerweile außer Frage. Dass sich diese Entwicklungen in den nächsten Krisen verschärfen werden, leider ebenso.
„Nichts ist so permanent wie ein temporärer Staatseingriff“
Es gibt viele Theorien, wieso Staatsausgaben wachsen. Gut gemeinte, wie etwa, dass der Staat mit steigendem Wohlstand überproportional wächst, denn die Bevölkerung verlange mehr vom Staat und werde anspruchsvoller. Im jetzigen Fall scheint sich der Staat aber auch ohne wachsenden Wohlstand ausgeweitet zu haben, nämlich in einer Krise.
Das ist soweit kein Problem. Steigende Staatsquoten in Krisen sind verständlich, und die Staatsausgaben erhöhen sich teils automatisch. Dennoch macht er keine Anstalten, sich auch wieder zurückzuziehen. Gepaart mit der vielzitierten „Vollkasko-Mentalität“ der Österreicher gibt es zusätzlich wenig Anreiz für den Staat, nach dieser Krise nun wieder zu schrumpfen. Mit drei Antiteuerungspaketen und einer Strompreisbremse in Höhe von insgesamt rund 35 Milliarden Euro alleine auf Bundesebene bestätigt sich diese Hypothese nur noch weiter.
Die Gefahr ist groß, dass diese Hilfsprogramme auch in Zukunft nicht vollends verschwinden werden. Wieso denn auch? Der Staat will weiter wachsen, und die Bevölkerung stützt das.
Auf EU-Ebene ist der sogenannte Next-Generation-Fonds, für den gemeinsam Geld aufgenommen wird, ein weiteres Beispiel für eine Ausweitung der Kompetenzen. Niemand bezweifelt, dass das ein nächster Schritt Richtung Fiskalunion war und diese Kapazitäten in Zukunft immer wieder eingesetzt werden. Und somit bestätigt sich wieder einmal die Aussage des Ökonomen Milton Friedman: „Nichts ist so permanent wie ein temporärer Staatseingriff.“
Hohe Staatsquoten sind problematisch. Der offensichtlichste Grund: Sie müssen finanziert werden. Und das werden sie mit steigenden Einnahmen und höherer Schuldenaufnahme. Während Erstere durch die Inflation im Hochsteuerland Österreich immer stärker sprudeln, steigen auch die Zinsen auf die Neuschuldenaufnahme.
Hohe Staatsquoten bedeuten Stillstand
Nun geht es bei Staatsausgaben aber nicht nur um ihre Höhe, sondern auch darum, wofür sie ausgegeben werden. Doch bei einer Staatsquote von über 50 Prozent muss man nicht lange nach Problemen suchen: Der Bericht des Rechnungshofs, der die Überförderung während der Coronakrise bemängelte, ist nur eine Teildarstellung der Ineffizienzen, die der österreichische Staat an den Tag legt.
Doch eine hohe Staatsquote bedeutet so viel mehr: Sie bedeutet Stillstand. Sie bedeutet weniger Dynamik, insbesondere bei privaten Unternehmen. Jetzt mag es manche erfreuen, dass somit unangenehme Wirtschaftsabschwünge abgefedert werden. Je stärker diese abgefedert und je stärker Staat aus diesen Krisen herauskommt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Wohlstand darunter leidet. Denn eine dynamische Marktumgebung ist genau das, was uns zu Wohlstand verhilft. Doch je mehr wir nach dem Staat rufen, desto mehr gefährden wir diesen Wohlstand.
Wenn wir eines aus den letzten Krisen gelernt haben sollten, dann doch, wie rasch unser Lebensstandard sinken kann. Das sollten wir auf gar keinen Fall weiter aufs Spiel setzen.
Die Kurzsichtigkeit, mit der nach immer mehr Staat gerufen wird, ist immens. Nur auf Krisengewinner auf Unternehmensseite hinzuweisen, ist der falsche Ansatz. Vielmehr sollten wir uns darüber Gedanken machen, wie der Staat nach der Krise seine Machtgewinne wieder zugunsten der Bürger reduzieren kann. Es reicht nicht, das erst nach der Energiekrise zu tun. Denn die nächste Krise, wie etwa der Klimawandel, wartet schon: und bietet dem Staat somit eine weitere Möglichkeit, sich mehr und mehr auszubreiten.
HEIKE LEHNER ist Ökonomin und beschäftigt sich mit Geldpolitik, Umweltökonomie und Risikomanagement.