Heiße Luft und Gimmicks – die unerträgliche Leichtigkeit der österreichischen Politik
Mit den wichtigen Themen unserer Zeit beschäftigt sich niemand nachdrücklich.
Letzten Monat hat der britische Premier Rishi Sunak einen globalen Gipfel zur Sicherheit von künstlicher Intelligenz (KI) einberufen, an dem Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Bidens Vize Kamala Harris und zahlreiche Firmenchefs, Experten und Politiker aus mehr als 100 Ländern teilnahmen.
US-Präsident Joe Biden hat letzten Monat eine Verordnung zur künstlichen Intelligenz erlassen, die die Entwickler von KI-Systemen verpflichtet, Ergebnisse ihrer Sicherheitstests mit der Regierung zu teilen. Das National Institute of Standards wird damit beauftragt, Normen und Tests zu entwickeln, um zu gewährleisten, dass KI-Systeme sicher und vertrauenswürdig sind.
Wohldurchdachte Maßnahmen
Letzten Monat hat der chinesische Informatiker Andrew Yao, Gewinner des Turing-Preises (des Informatik-„Nobelpreises“), mit anderen prominenten Forschern eine neue internationale Organisation gefordert, die die Sicherheit der KI regulieren soll, einschließlich der verpflichtenden Registrierung und Audits von KI-Systemen.
Und was passierte in Österreich letzten Monat? Der Bundeskanzler hat gefordert, dass die Schändung von Flaggen unter Strafe gestellt werden soll. Der Chef einer Oppositionspartei forderte, in die Verfassung zu schreiben, dass die Inflation niedrig sein soll. Ein anderer Oppositionsführer forderte, ganz am Anfang der Verfassung hineinzuschreiben, dass Österreich noch neutraler sein soll.
Die Politik in Österreich beschäftigt sich nicht nur nicht mit den wichtigen Themen unserer Zeit: Krieg, KI, Migration, Pensionen. Auf jeden Fall nicht, wenn „beschäftigen“ heißt, den – rasanten – Entwicklungen zu folgen; zu verstehen, wie sie sich auswirken, von Arbeit über Klima bis zur Gesundheit; und was die Chancen und die potenziell existenzbedrohenden Risiken sein können. Um dann wohldurchdachte Maßnahmen zu setzen.
Symbolbild, produziert mit Adobe Firefly AI
Das hieße, ernsthafte Politik zu betreiben: zu entscheiden, was wichtig ist, was wir neu regeln müssen, wie wir uns für zukünftige Herausforderungen wappnen, das Leben der Menschen verbessern.
Polit-Kasperliade
Stattdessen ist Politik in Österreich eine Aneinanderreihung von heißer Luft und von Gimmicks, am liebsten als Verfassungspfusch: Bargeld, Fahnen, mehr Neutralität, weniger Inflation und was den diversen Kommunikationsberatern sonst einfällt. Handlungen, die real nichts bringen, niemandes Leben verbessern, Wohlstand nicht mehren, kein neues Talent fördern.
Man könnte meinen: Gut so, soll die Politik halt mit Glaskugeln spielen, wenigstens richtet sie dann keinen Schaden an. Das wäre falsch. Politik hat die Macht der Regelsetzung, der Besteuerung und des Geldausgebens. In Österreich mit der skurrilen Auffassung, dass Ausgaben nichts kosten, weil ein fiktiver Bankomat endlos Geld ausspuckt. Dass Rechnungen irgendwann bezahlt werden müssen, wird mit hübschen Schleifen versehen („Kaufkraft sichern“, „Menschen das Gefühl der Sicherheit geben“) und verdrängt.
Die wichtigen Themen werden die EU und die USA schon richten, über deren Agieren unsere Politik sich dann tugendhaft erheben kann. So plätschert die österreichische Polit-Kasperliade dahin.
VEIT DENGLER ist Unternehmer. Bis Ende 2021 war er COO der Bauer Media Group, zuvor leitete er die Mediengruppe der Neuen Zürcher Zeitung. Dengler war Gründungsmitglied, stellvertretender Parteivorsitzender und Geschäftsführer von NEOS.