Festspiele für den Populismus und eine politische Reise im Rückwärtsgang
Die Landtagswahl in Salzburg hat ihre Folgen in der politischen Landschaft hinterlassen. Einerseits für die etablierten Parteien, die allesamt verloren haben. Andererseits für die politischen Ränder, die durch FPÖ und KPÖ klar als Wahlsiegerinnen hervor gingen. Aber auch für NEOS setzte die Wahl einen schweren Rückschlag. Das Ergebnis zeigt, dass gute und lösungsorientierte Regierungsarbeit alleine noch keine Daseinsgarantie abgibt. Politische Arbeit ist nichts ohne politische Kommunikation. Wenn dann noch vor lauter Regierungsverantwortung der für eine junge Partei unverzichtbare Strukturaufbau nicht stattfindet, wird klar, wo der Neustart von NEOS Salzburg ansetzen muss.
Die Salzburger Landtagswahl stellt aber, weit über NEOS-Sorgen hinausgehende, grundsätzliche Fragen für unsere Demokratie. Wenn in der Landeshauptstadt plötzlich eine KPÖ fast 22 % erzielt und die Kickl-FPÖ sich Chancen auf Platz 1 im Bund ausrechnen konnte, dann zeigt das mehr als eine weitere Steigerung der Wählermobilität, sondern deckt neben dem Ausmaß der Protestwut die Offenheit breiter Massen gegenüber radikalen politischen Strömungen auf.
Natürlich werden am 1. Mai nicht plötzlich Tausende Salzburger:innen am Domplatz einen traditionellen KPÖ-Mai-Aufmarsch zelebrieren. Der Wahlerfolg der KPÖ beruht auf ihrem Fokus Wohnungspolitik, mit dem Hintergrund des Grazer KPÖ-Modells auf dieses in Salzburg besonders brennende Problem in aller Breite anzugehen und sich dabei allerdings vielfach sehr vereinfachender, populistischer Lösungsansätze zu bedienen.
Dagegen konnte die NEOS-Wohnbau-Landesrätin Andrea Klambauer ganz konkrete wohnungspolitische Verbesserungen umsetzen, wie die Mieten im geförderten Wohnbau für 25.000 Salzburgerinnen und Salzburger nachhaltig zu senken. Das gelang ihr durch Ausnutzen der Zinsentwicklung und damit, ohne einen Cent Steuergeld in die Hand zu nehmen und den Schuldenrucksack für die nächste Generation zu vergrößern. Aber natürlich konnte sie nicht die Wohnungspolitik als Ganzes umdrehen – weil dafür ganz andere, über die Kompetenzen einer Wohnbaulandesrätin hinausgehende Faktoren maßgeblich sind, wie etwa Mietrecht und Raumordnung. Das grundsätzlich Interessante an dieser Gegenüberstellung: Es zeigt die emotionale Unterlegenheit des Regierens in Krisenzeiten gegenüber einer simplifizierenden, populistischen Opposition auf.
Die KPÖ könnte, ermutigt von Graz und Salzburg, versuchen, auch auf Bundesebene Fuß zu fassen. Allerdings wird sie dann klären müssen, was denn das „Kommunistisch“ für ihre Bundes- und Europa-Politik bedeutet. Da reicht dann die Eloquenz eines Spitzenkandidaten nicht mehr. Die inhaltlichen Konflikte und der Niedergang der deutschen „Die Linken“ haben es gezeigt.
Aber es wäre an dieser Stelle falsch, dem Phänomen KPÖ mit simplen Antikommunismus-Parolen entgegentreten zu wollen. Ihr Erfolg steht im Zusammenhang mit den allgemeinen, grundsätzlichen gesellschafts-, wirtschafts-, Umwelt- und sicherheitspolitischen Konflikten, die sich von den USA über Großbritannien bis nach Europa ziehen.
Das zeigt sich auch am Beispiel der FPÖ. Während bei der KPÖ noch vieles im Dunklen liegt, fährt sie unter Herbert Kickl einen strammen Rechtskurs: Man will eine „Festung Österreich“, zeigt Sympathie für eine „illiberale Demokratie“ à la Orban und versteckt das Wohlwollen gegenüber Putin und seinem Eroberungskrieg hinter dem Mantel der „Neutralität“. Wie auch ihre Kolleg:innen der KPÖ ist bei der FPÖ bei den großen politischen Problemen der Blick meist hoffnungslos nach rückwärts gerichtet – insbesondere in der Europa-, Sicherheits -, Umwelt-, Klima- und Verkehrspolitik, oder das Verhalten im Zusammenhang der Pandemie – keine nachhaltigen, zukunftsgerichteten Lösungsansätze, woran sie dann in Regierungsfunktion oft scheitert. Aber auch im Falle der FPÖ gilt: Ein hoher Anteil der Österreicher:innen hegt offenbar eine gewisse Sympathie für diesen Populismus.
Damit wird die hochaktualisierte Rolle des modernen politischen Liberalismus und seiner Parteien wie etwa NEOS klar: Für eine sozial, ökologisch und nachhaltig bestimmte freie Marktwirtschaft, Freihandel, verantwortungsbewusstes Unternehmer:innentum einzutreten und deren Stärke bei der Lösung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Krisen zu nutzen. Nicht nur gegenüber einer „chic-kommunistisch“ auftretenden Linkspartei. Sondern auch gegenüber einer SPÖ, die sich inhaltlich gleichzeitig am linken und rechten Handlauf abzustützen versucht – wie wir es beim Kampf um den SP-Parteivorsitz erleben.
Gegenüber dem Rechtspopulismus zeigen Parteien des politischen Liberalismus wie NEOS tagtäglich auf, wie wichtig es ist, bei den weltweiten, europäischen, innerösterreichischen Auseinandersetzungen für Freiheit, Fortschritt und Gerechtigkeit einzutreten und klare Lösungen zu vermitteln. Eine starke Stimme für die liberale und gegen die „illiberale Demokratie“, für eine offene Gesellschaft, gegen oligarchischen Missbrauch wirtschaftlicher Macht, für soziale Marktwirtschaft und gegen Protektionismus, für ein weltoffenes, gemeinsames Europa statt der „Festung Österreich“. Es geht darum, der, aus welchen Gründen immer, wütenden Wähler:innenschaft an beiden Rändern diese Werte und damit verbundenen politischen Lösungschancen bekannt, attraktiv und wählenswert zu machen.
Parteien sind kein Selbstzweck. Die Parteien des politischen Liberalismus wie NEOS erfüllen neben allen anderen eine spezielle, inhaltlich anspruchsvolle Funktion. Dafür die demokratische Legitimation durch die Wähler:innen zu erkämpfen, ist, insbesondere in Österreich, nicht immer leicht und mit Rückschlägen verbunden. Aber Botschaft und Auftrag der Liberalen sind hochaktuell, wie die dramatische politische Realität beweist.
FRIEDHELM FRISCHENSCHLAGER ist Jurist und Politiker. Er war von 1983 bis 1986 FPÖ-Verteidigungsminister. 1993 trat er aus der FPÖ aus und gründete zusammen mit anderen Abgeordneten das Liberale Forum (LIF). Frischenschlager war stellvertretender Bundessprecher (1993 bis 1999), Klubobmann (1993 bis 1994) und Abgeordneter zum EU-Parlament (1996 bis 1999) des LIF. Nach seiner parteipolitischen Laufbahn arbeitete Frischenschlager u.a. für die OSZE im Kosovo und war Präsident der Europäischen Föderalisten in Österreich.