Freiheit gestalten
Die Nationalratswahlen in Österreich sind gerade erst abgeschlossen, eines ist jetzt schon klar: Starke NEOS werden als Stimme der Vernunft aus der Mitte der Gesellschaft gebraucht. Für ein liberales Österreich und Europa!
Österreich und fast alle europäischen Länder stehen vor großen, gemeinsamen Herausforderungen. Es gilt: Wir brauchen eine starke EU dort, wo sie unseren Staaten nutzt. Die Themen Binnenmarkt, Handelspolitik und Kontrolle der Migration sind dabei für mich die wichtigsten europäischen Aufgaben. Was wir nicht brauchen, ist immer mehr kleinteilige Bürokratie, neue Gemeinschaftsschulden oder wirtschaftlichen Protektionismus. Zugleich müssen wir den Kern des Gemeinschaftsprojekts Europäische Union – unsere Weltoffenheit – erhalten und weiter festigen. Für mich ist klar: Dafür brauchen wir eine starke liberale Stimme in Österreich.
Um Antworten auf die wirtschafts-, gesellschafts- und geopolitischen Herausforderungen zu geben, sind unser gemeinsamer liberaler Veränderungswille, unser Optimismus und Tatendrang unabdingbar. Wir sind es, die den Menschen etwas zutrauen und für Aufstiegschancen der Fleißigen kämpfen.
Liberale – ein Wachstumswert
Bringen wir Liberale mutig unsere Ideen und Antworten ein, sind wir ein wahrer Wachstumswert für die Gesellschaft. Und Wachstum ist es, was wir brauchen. Einerseits ist es die Wachstumsperspektive, die einen Grundpfeiler unserer Wettbewerbsfähigkeit darstellt. Zum anderen geht der Sinn von Wachstum für uns Liberale weit über diesen Zweck hinaus. Denn: In einer stagnierenden Gesellschaft kann die Verbesserung der eigenen Situation nur dann erreicht werden, wenn gleichzeitig jemand anderem etwas entzogen wird. Folglich führt die stagnierende Gesellschaft zu einem hart ausgefochtenen Ellbogenwettbewerb. Weil wir als Liberale aber den Menschen das individuelle Vorankommen erleichtern wollen, wissen wir, dass die Gesellschaft insgesamt eine Wachstumsperspektive braucht. Anders gesagt: Wirtschafts- und wachstumsfreundliche Politik ist ein Gebot sozialer Gerechtigkeit.
Teil dieses Gebots ist es auch, mehr Kontrolle und Steuerung bei der Einwanderungspolitik endlich umzusetzen. Dieser Herausforderung können wir uns nur im europäischen Bündnis stellen. Denn ein weltoffenes Europa werden wir nur dann bewahren, wenn wir zugleich Ordnung durchsetzen. Einen Anfang haben wir in Europa durch den Beschluss des neuen EU-Asylsystems gemacht, weitere Schritte müssen aber folgen. Hier gilt es, alle demokratischen Parteien zur Zusammenarbeit zu bewegen, denn niemand wird parteipolitisches Kapital aus der Migrationsfrage gewinnen – außer den politischen Rändern.
Zwischen allen Stühlen
Bei aller Diskussion sind wir Liberale keineswegs ein Debattierclub, der sich nur mit Lehrbuchweisheiten beschäftigen will, die nicht dem Realitätscheck standhalten. Wir wollen das Land gestalten. Jeden Tag setzen wir uns deshalb ein für die Freiheit, für den Respekt vor Leistung und Eigentum. Die politischen Umstände sind von Krisen geprägt, von Wahlentscheidungen, die nicht immer klare Mehrheiten hervorbringen. Aber wir wissen auch in unübersichtlichen politischen Zeiten, wofür wir stehen. Wir haben kein Problem damit, für unsere Identität und Werte zu kämpfen. Doch wir müssen bereit sein, sie immer wieder aufs Neue zu erklären. Dabei kommt es auf jede und jeden Einzelnen von uns an.
Die nüchterne Betrachtung der Dinge lässt folgenden Schluss zu: Liberale werden kritisiert für das, was sie machen; sie werden ebenso kritisiert für das, was sie nicht machen, und sie werden kritisiert für das, was sie verhindern. So ist das Los der Liberalen, es war nie anders. Die Publizistin Marion Gräfin Dönhoff sagte einmal: „Der Platz der Liberalen ist zwischen allen Stühlen“. Ich bin überzeugt, als Liberale dürfen wir uns dort wohlfühlen, zwischen allen Stühlen, weil wir genau wissen, warum wir es tun: für Frieden in Freiheit, für Stabilität und Wachstum, für faire Chancen in einer vielfältigen Gesellschaft. Wir Liberale setzen uns dafür ein, dass jede und jeder Einzelne den Weg zum individuellen Glück findet. Wir Liberale setzen uns dafür ein, jede und jeden Einzelnen vor Bevormundung, vor Bürokratisierung, vor Meinungszensur oder finanzieller Überforderung zu schützen. Wir Liberale wollen jede und jeden Einzelnen stark machen, um die eigenen Chancen zu ertüchtigen. Seit jeher setzen wir uns für den Wert der Freiheit ein, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat.
Ihnen, liebe Freundinnen und Freunde in Österreich, wünsche ich für die anstehenden Wochen großen Erfolg und für die hoffentlich anschließenden Koalitionsgespräche gutes Gelingen!
CHRISTIAN LINDNER ist Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland und Parteivorsitzender der FDP.