Ideologie statt Vertretung: Die ÖH im ersten Semester
Die aktuelle Exekutive der Österreichischen Hochschüler:innenschaft – also die gewählte Vertretung aller Studierenden in Österreich – hat ihr erstes Semester im Amt hinter sich.
Das erste Semester, das kennen viele Studierende als die „Studieneingangsphase“, in der man einfach mal ausprobieren kann, ob man wirklich für das Studium gemacht ist, für das man sich entschieden hat. Ein guter Anlass, um diesen Check auch bei der aktuellen Exekutive der ÖH durchzuführen, die von immerhin 21,16 Prozent der Studierenden gewählt wurde. (Für ÖH-Wahlen ist das ja schon ein guter Wert.)
Bewegt hat sich viel und wenig zugleich. Viel dahingehend, dass die linkspolitische Ausrichtung noch weiter ins extreme Spektrum abgeglitten ist. Gleichzeitig wurde aber wenig für die Studierenden erreicht. Der Fokus liegt auf Ideologie und allgemeinpolitischen Anliegen, während die Belange der Studierenden in den Hintergrund gedrängt werden.
Eine Sammlung von Pannen
Ein bemerkenswertes Beispiel der fragwürdigen Priorisierung von Aufgaben ist die Schaffung eines Referats für Antifaschismus (hier das Protokoll), das unter anderem die Finanzierung von Prozesskosten von linksradikalen Straftäter:innen mittels des ÖH-Beitrags fördert. Diese Aufgabensetzung ist nicht nur unverständlich, sondern auch höchst alarmierend, da Studierendengelder für die Förderung linksextremer Angeklagter verwendet werden sollen, ob durch Antifa-Referat oder die Organisation „Rote Hilfe“, die zuletzt auch „Es lebe der bewaffnete Widerstand des palästinensischen Volkes“ geschrieben hat. Den Bildungsaspekt muss man mit der Lupe suchen.
Doch selbst wenn es um Studierende geht, lehnt die ÖH Unterstützung oft ab. Die JUNOS brachten im Laufe des Semesters einen Antrag auf „Bildungs-Erste-Hilfe“ ein, der die ÖH dazu aufforderte, geflüchteten Studierenden aus Kriegsgebieten bestmöglich zu unterstützen. Die Bundes-ÖH – bestehend aus GRAS, VSStÖ und KSV_Lili – kritisierte, dass der Antrag „zu leistungsbezogen“ sei. Immerhin fordere der Antrag eine „hürdenfreie und reibungslose Fortsetzungsmöglichkeit des Studiums in Österreich“, mit Betonung auf „Möglichkeit“. Die ÖH-Exekutive sieht es aber als Schritt für mehr Leistungsdruck an, wenn man von Kriegsflüchtlingen „verlange“, ihr Studium fortzusetzen. Wenn man Geflüchteten diese Option geben will, sieht die ÖH das also als weiteren Schritt in Richtung neoliberale Leistungsgesellschaft. Das zeigt erneut, dass die eigentlichen Bedürfnisse der Studierenden vernachlässigt werden, während ideologische Prinzipien im Vordergrund stehen.
Kurios war zu Beginn des Wintersemesters auch eine Veranstaltungskooperation der ÖH: die Herbstakademie. Bei der sie jedoch versäumte, diese angemessen zu bewerben. Dadurch war nur eine einzige Person anwesend: eine Funktionärin der Bundes-ÖH. Kostenpunkt: Zwischen 1.100 und 1.400 Euro – umgerechnet ca. 60 ÖH-Beiträge, die in diesem Missmanagement einer einzigen Funktionärin verheizt wurden.
Extremismus statt Vertretung
Passend zu ihren „ACAB“-Postings kooperiert die gesetzliche Vertretung von knapp 400.000 Studierenden auch mit der „Roten Hilfe“: einer Organisation, die in Deutschland als dezidiert linksextrem und verfassungsfeindlich eingestuft wird und in der Vergangenheit sogar Verknüpfungen zur RAF hatte.
Insgesamt wirft das Semester ein Schlaglicht auf eine ÖH, die ihre Prioritäten verloren hat und nur durch ihre politische Ausrichtung auffällt. Es zeigt sich durch die vergangenen Monate, dass sie lieber Brandbeschleuniger der ohnehin schon großen Polarisierung zwischen Rechts und Links spielt und Menschen auseinandertreiben will, statt die Studierenden zusammenzubringen und sie zu unterstützen.
Die Sorgen, Anliegen und Wünsche der Studierenden werden nicht nur vernachlässigt, sondern durch ideologiegetriebene und egoistische Entscheidungen aktiv missachtet. Dieses Verhalten schreckt viele Studierende ab und lässt Zweifel an der Repräsentativität und Effektivität der Bundes-ÖH noch größer werden, als sie ohnehin schon sind. Mit diesen Maßnahmen wird die Wahlbeteiligung 2025 um keinen Deut besser werden. Man darf also im Sinne der Studierenden festhalten: Die ÖH ist einfach lost.
LUKAS SCHOBESBERGER hat Wirtschaft und Soziologie studiert und macht aktuell einen Wirtschaftsmaster in Organization Studies in Innsbruck. Er befasst sich primär mit Bildungspolitik, explizit mit dem Hochschulbereich, und Kommunalpolitik in Innsbruck. Seit fünf Jahren ist er für JUNOS in der ÖH aktiv – zwei Jahre davon als stellvertretender ÖH-Vorsitzender. Bei der ÖH-Wahl 2023 war er Spitzenkandidat der JUNOS-Studierenden und ist aktuell Bundesvorsitzender von JUNOS Studierende.