Trump: Von Gottes Gnaden
Mehr als 200 präsidiale Dekrete, Personalbescheide, Memos und Bekanntmachungen hat Donald Trump in den ersten Tagen seiner Amtszeit unterzeichnet, darunter Straffreiheit für militante Abtreibungsgegner sowiedie Gründung einer Task Force „gegen antichristliche Gewalt“. Trump inszeniert sich als Verteidiger christlicher Werte.
Eine seiner ersten Amtshandlungen galt der Begnadigung unschuldig eingesperrter Menschen. Donald Trump forderte den Generalstaatsanwalt dazu auf, über 1.500 Straftäter freizulassen. Nein, keine Häftlinge, die aufgrund fragwürdiger Urteile oder Justizirrtümer in Bundesgefängnissen einsitzen und deren Haftzeit in Bewährungsstrafen umzuwandeln der Präsident veranlassen kann. Freizulassen waren umgehend Straftäter, die im Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 verhaftet worden waren, denn nach Aussagen Trumps handelt es sich hier nicht um verurteilte Straftäter, sondern um „Geiseln“ der „Biden-Justiz“. Nicht nur Kapitol-Stürmer, auch radikale Abtreibungsgegner wie Paulette Harlow, die verurteilt worden war, weil sie den Zugang zu einer Abtreibungsklinik blockiert hatte, wurden begnadigt. Trump wertete ihre Verurteilung als Verfolgung von Gläubigen. Stattdessen forderte er Gerechtigkeit für die gegen Kirchen „verübten Gewalttaten, Diebstähle und Brandstiftungen“, die seiner Meinung nach von der „Biden-Administration“ ignoriert worden seien. „Die vorherige Regierung nahm in ungeheuerlicher Weise friedliche Christen ins Visier”, damit soll es nun ein Ende haben.
Trump inszeniert sich als wahrer Verteidiger der christlichen Werte. Er glaubt, dass die Menschen „ohne Religion, ohne diesen Glauben“ nicht glücklich sein können. Seine Mission: Er will sein Land wieder als eine Nation unter Gott zusammenführen. „Lasst uns die Religion zurückbringen. Bringen wir Gott zurück in unser Leben.“ Vor kurzem lud er zum „Nationalen Gebetsfrühstück“ ein – ein Anlass, den er nutzte, um für die „Ausmerzung antichristlicher Vorurteile“ (eradicating anti-christian bias) zu werben. Dabei kündigte er auch die Gründung einer Taskforce unter der Leitung der neuen Justizministerin Pam Bondi an, die gegen antichristliche Gewalt vorgehen soll. Und er attackierte – noch immer im Trump’schen Wahlkampf-Sound – die Demokraten als eine Partei von Ungläubigen, denn: „Sie sind gegen Religion. Sie sind gegen Gott.“
Das kommt an. Obwohl er kaum dem Idealbild konservativer Evangelikaler entspricht, halten diese ihn teilweise für eine Art Heilsbringer. Auch katholische Kleriker suchen seine Nähe – zumindest äußern sie öffentlich keinerlei Kritik an Trumps pseudoreligiöser Performance. Ohnehin sind für Trump Zweifel am Glauben gleichzusetzen mit Zweifel an seiner Person – schließlich war es Gott höchstpersönlich, der ihn bei dem Attentatsversuch beschützt hatte. Es überrascht nicht, dass nur wenige Kirchenvertreter gegen diese Anmaßung protestierten. Stattdessen zollten sie seinen Erlassen Beifall. Trump versteht es meisterhaft, auf der Klaviatur der christlichen Rechten zu spielen und seine konservative, evangelikale Basis zu umschmeicheln.
Rachel Laser, Präsidentin der Americans United for Separation of Church and State, kritisierte deutlich: „Wenn es Trump wirklich um Religionsfreiheit und die Beendigung religiöser Verfolgung ginge, würde er sich mit Antisemitismus in seinem eigenen Umfeld, antimuslimischer Bigotterie, Hassverbrechen gegen People of Color und der Diskriminierung anderer religiöser Minderheiten auseinandersetzen.“ Stattdessen, so Laser, sei die neue Task Force ein Versuch, „Amerika in eine ultrakonservative christlich-nationalistische Nation zu verwandeln.“
Für einen US-Präsidenten völlig ungewöhnlich, hat Trump keine Kirchengemeinde, der er sich zugehörig fühlt. Er pflegt einen rein strategischen Umgang mit Religion, sowohl politisch als auch geschäftlich. So verkauft Trump seit 2024 seine eigene Bibel. Diese kostet stolze 60 US-Dollar und hat einen klangvollen Namen: „God Bless the USA“-Bibel. In einem Videoclip, in dem er für seine Bibel wirbt, betont er, dass das Christentum und die Religion das seien, was den USA am meisten fehle. Amerika habe „die Religion verloren“. Er glaube fest daran, dass der Glaube den Menschen zurückgegeben werden müsse. Und er, der Präsident, werde dafür sorgen. Das zeigt sich auch in einem weiteren Vorhaben: Künftig soll es im Weißen Haus ein eigenes „Büro für den Glauben“ geben, das unter der Leitung von Trumps langjähriger geistlicher Beraterin, der Fernsehpredigerin Paula White, stehen soll.
HELMUT ORTNER hat bislang mehr als zwanzig Bücher, überwiegend politische Sachbücher und Biografien, veröffentlicht. Zuletzt erschienen: „Heimatkunde – Falsche Wahrheiten. Richtige Lügen.“ (2024), „Das klerikale Kartell. Warum die Trennung von Kirche und Staat überfällig ist“ (2024) und „Volk im Wahn – Hitlers Deutsche oder Die Gegenwart der Vergangenheit“ (2022). Seine Bücher wurden bislang in 14 Sprachen übersetzt. Helmut Ortner ist Mitglied bei Amnesty International und im Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung.