Väterkarenz: Her mit dem „Powermann“ als Role Model
Die sogenannte Powerfrau
Frauen, die beruflich und familiär alles unter einen Hut bringen, werden häufig als „Powerfrauen“ inszeniert. Doch dieses Bild verzerrt die Realität und verdeckt die hohen Anforderungen und Belastungen, die viele Frauen im Alltag zu bewältigen haben. Das Image der „Powerfrau“, das in den Medien gerne verwendet wird, zeigt die Frau, die einen anspruchsvollen Beruf jongliert, jederzeit für die Kinderbetreuung bereitsteht und zusätzlich noch die Hauptverantwortung im Haushalt trägt – ob mit oder ohne Unterstützung.
Ein solch überhöhter Anspruch führt nicht nur zu chronischer Überlastung, sondern auch dazu, dass Männer sich weniger ermutigt fühlen, aktiv Verantwortung zu übernehmen. Die Vorstellung der Frau als Heldin des Alltags, die das Multitasking scheinbar mit Leichtigkeit meistert, verfestigt die Erwartung, dass Frauen diese Rolle ganz selbstverständlich übernehmen.
Für Männer hingegen fehlt es an einem positiven Rollenbild besonders in familiären Belangen, das sie motiviert, ihre Rolle als gleichwertige Partner anzusehen und auch aktiv zu gestalten. Es gibt noch nicht einmal eine passende Benennung, der Begriff eines „Power-Manns“ in diesem Kontext klingt merkwürdig – ein Zeichen dafür, wie tief das Ungleichgewicht noch sitzt.
Zeit für paritätische Rollenverteilung
In Österreich und Deutschland bleibt die Väterkarenz weiterhin eine Baustelle. Während Frauen für ihre selbstverständliche Mehrfachbelastung zwischen Beruf, Haushalt und Familie Anerkennung erhalten, bleibt das Engagement von Vätern im Familienalltag weitgehend unkommentiert und ungesehen. Der geringe Anteil von Männern, die Elternzeit nehmen, verdeutlicht, dass es hier an gesellschaftlicher Anerkennung und struktureller Unterstützung fehlt.
Die Gesellschaft sollte Männer dazu ermutigen, eine gleichwertige Rolle in der Familienverantwortung zu übernehmen. Letztlich ist es die Gesellschaft, das sind Medien, Politik und jeder Einzelne von uns, die mitbestimmen, was als „normal“ wahrgenommen wird.
Väterkarenz in Österreich: Ernüchternde Zahlen und das skandinavische Vorbild
In Österreich nehmen gerade einmal 16 Prozent der Väter Karenz in Anspruch, beim wenig flexiblen und kurzen Papamonat dürfte es nicht besser aussehen. Die niedrigen Zahlen über die Jahre zeigen, dass es an gesellschaftlicher Akzeptanz und an struktureller Unterstützung mangelt, die paritätisches Familienmanagement fördern könnten.
Im Gegensatz dazu gelten skandinavische Länder als Vorbilder: In Schweden und Norwegen etwa ist die Väterkarenz breit akzeptiert und wird von vielen Männern auch in Anspruch genommen. Das Resultat? Diese Länder zählen nicht nur zu den wirtschaftlich erfolgreichsten Europas, sondern profitieren auch von der Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen, da die Übernahme familiärer Verantwortung geteilt wird.
Ein anschauliches Beispiel bietet hier der öffentliche Dienst in Skandinavien: Dort ist eine Karriere im öffentlichen Sektor kaum denkbar, ohne dass Männer eine längere Elternzeit genommen haben – und zwar nicht nur für ein paar Wochen, sondern oft über einen Zeitraum von Monaten hinweg. Damit wird ein klares Zeichen gesetzt: Familienverantwortung ist kein Hindernis für berufliches Vorankommen, sondern ein wertvolles Qualifikationsmerkmal. Dieses Modell zeigt, dass Familienfreundlichkeit und Karriereförderung Hand in Hand gehen können und damit den Grundstein für eine gerechtere, nachhaltige Gesellschaft legen.
Väterkarenz – Eine Chance für Männer und die Gesellschaft
Eine selbstverständliche Väterkarenz bringt Vorteile für Männer und die gesamte Gesellschaft mit sich. Männer, die sich für paritätisches Familienmanagement entscheiden und aktiv an der Familienarbeit beteiligen, übernehmen Verantwortung und entwickeln Fähigkeiten wie Teamarbeit und Organisation, die auch im Berufsleben geschätzt werden. Unternehmen profitieren ebenfalls von einer Kultur, in der Väterkarenz als Chance zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung anerkannt wird, was das Arbeitsklima fördert und männliche Angestellte motiviert, sich langfristig in das Unternehmen einzubringen.
Darüber hinaus entlastet die Väterkarenz Frauen von einer ungerecht einseitigen Mehrfachbelastung und schafft eine Grundlage, auf der Männer und Frauen gemeinsam Verantwortung übernehmen können – im Sinne der gesamten Familie. Väter, die sich im familiären Bereich ernsthaft engagieren, setzen ein starkes Zeichen für die nächste Generation und tragen zu einem modernen Familienbild bei.
Lösungsansätze: Väterkarenz fördern und die Bühne für „Power-Männer“ schaffen
Um mehr Männer zum paritätischen Familienmanagement zu ermutigen, sind gezielte Maßnahmen notwendig:
- Öffentliche Anerkennung und Vorbilder schaffen: Männer, die sich ernstzunehmend in die Familienarbeit einbringen, sollten öffentlich wertgeschätzt und als moderne Vorbilder gefördert werden.
- Männer dürfen nicht dafür gelobt werden, dass sie Frauen „entlasten“. Das wäre die falsche Zielrichtung. Frauen sollten von vornherein gar nicht einseitig belastet werden.
- Väterkarenz als Qualifikationsmerkmal in Unternehmen etablieren: Unternehmen könnten Väterkarenz als Zeichen von Verantwortungsbewusstsein und sozialer Kompetenz anerkennen. Väter, die Elternzeit nehmen, sollten jedoch nicht mit Prämien belohnt werden, denn dies könnte den Eindruck erwecken, dass Engagement im familiären Bereich für Männer eine besondere Leistung darstellt, anstatt als Selbstverständlichkeit anerkannt zu werden.
- Gesellschaftliche Normen und moderne Männerbilder fördern: Die Gesellschaft prägt Rollenbilder maßgeblich. Sichtbare Vorbilder und positive Medienberichte können dazu beitragen, das Bild des verantwortungsbewussten Mannes als normalen Bestandteil der Familie zu etablieren und so ein modernes Rollenbild zu fördern.
- Die nächste Generation fördern: Junge Männer, die traditionelle Rollenbilder hinterfragen und bereit sind, neue Wege zu gehen, bilden das Fundament einer zukunftsorientierten Gesellschaft. Wenn wir diese Generation unterstützen und positive Rollenbilder fördern, schaffen wir ein stabiles Fundament für eine Gesellschaft, die auf gemeinsamen Verantwortungen und gleichen Chancen basiert.
„Power-Männer“ ins Rampenlicht
Anstatt weiterhin das Bild der „Powerfrau“ zu glorifizieren, ist es an der Zeit, jene Männer als aktive und verantwortungsbewusste Elternteile ins Rampenlicht zu stellen, die bereits als paritätische Familienmanager agieren. Väter, die Väterkarenz nehmen und den Haushalt managen gehören an die Öffentlichkeit – nicht, um Frauen von der Mehrfachbelastung zu entlasten (das sollte selbstverständlich sein), sondern um ein Gesellschaftsmodell zu fördern, in dem die Übernahme von Aufgaben und Verantwortung für Männer selbstverständlich ist.
VIKTORIA KICKINGER ist Aufsichtsrätin und Unternehmerin. Nach Managementpositionen bei ORF, ÖBB, ÖIAG und Österreichischer Post war sie in zahlreichen Aufsichtsräten tätig, so etwa an der Wiener Staatsoper, dem Burgtheater oder dem Technologiekonzern S&T. Derzeit ist sie im Aufsichtsrat der Polytec Holding AG sowie im Universitätsrat des Mozarteum Salzburg.
2016 gründete sie die Directors Academy Hamburg, eine Online-Weiterbildungsplattform für Aufsichtsräte in Deutschland.