Versemmelte Rektoren-Wahl?
Wer regt sich denn heute noch wirklich auf über politisch motivierte Postenbesetzungen? (Es gilt natürlich auch hier die Unschuldsvermutung.)
Nicht einmal zwei Monate ist es her, seit der neue Rektor der Universität Graz bestellt wurde. Mit der Rektorenbestellung wurde mittlerweile die Staatsanwaltschaft befasst. Die Hintergründe sind weitgehend unklar, der frisch gekürte Rektor gilt im Haus als erfreuliche Bestellung. Grund genug für die Frage, warum in Relation so viele Rektorenbestellungen konfliktär ablaufen und zu nachhaltigen Zerwürfnissen mit und in den Gremien führen.
Was ist das zugrundeliegende Problem?
Das größte Verschulden in diesem Zusammenhang liegt bei der Politik und ihrer Auswahl der Universitätsräte. Konkreter: bei der fehlenden gesetzlichen Verankerung von deren Qualifikation.
In den Universitäten werden sie je zur Hälfte vom Wissenschaftsminister und vom jeweiligen Senat der Universität entsendet – in beiden Fällen ohne konkretes Anforderungsprofil, sieht man einmal von der in diesem Zusammenhang bedeutungslosen Erfüllung einer Frauenquote ab.
Die Hälfte der derzeit amtierenden Universitätsräte hat noch der vormalige Wissenschaftsminister Heinz Faßmann bestellt. Liest man diese klingenden Namen, merkt man sein redliches Bemühen, honorige Persönlichkeiten zu finden. Bei der Unterzeichnung so manchen Bestellungsdekrets hat ihm allerdings spürbar der politische Druck die Hand geführt.
Diesen politischen Einfluss bemängelte 2019 auch der Rechnungshof, nicht zum ersten Mal:
„… gibt es für von der Regierung nominierte Uniräte noch immer keine Eignungskriterien, die Entscheidung erfolgt im Wesentlichen auf politischer Ebene.“
In seinem Bericht aus dem Jahr 2019 stellt der Rechnungshof fest, dass an einigen Unis nach wie vor Mitglieder mit juristischen, betriebs- oder finanzwissenschaftlichen Kenntnissen fehlen.
In vier, fünf Sitzungen im Jahr sind vom Unirat grundlegende Aufgaben wahrzunehmen – die mit Abstand wichtigste davon ist die Wahl des Rektors. Außerdem u.a. die Genehmigung des Rechnungsabschlusses sowie des Entwicklungsplans, Zustimmung zum Budgetvoranschlag und Befassung/Beschluss von zustimmungspflichtigen Geschäften und Beteiligungen. Dazu kommen dann noch organisatorische Aufgaben, wie das Erstellen eines Organisationsplans, Gebarungsrichtlinien und Vergütungsthemen.
Uni-Räte müss(t)en ihren Job verstehen
Was alle diese Universitätsräte eint, egal ob honorige Experten aus der Wirtschaft oder die ebenso prominenten Kandidaten der Senate: Sie haben bei ihrer Bestellung keine Ahnung vom Universitätsgesetz. Es wird wohl ein kleines, handliches Büchlein verteilt, das geltende Universitätsgesetz – das war es dann aber auch schon mit der Vorbereitung auf diese verantwortungsvolle Funktion.
Die Wissenschaft tickt aber anders als die Wirtschaft. Daher ist auch das Universitätsgesetz für Manager aus der Wirtschaft, genauso wie für einen noch so erfahrenen Juristen, völliges Neuland. Was liegt näher, als jeden einzelnen Universitätsrat dazu zu verpflichten, innerhalb von sechs Monaten ab Bestellung nachzuweisen, dass er sich intensiv mit der Materie beschäftigt hat? Das Zusammenspiel der Gremien Senat, Unirat, Rektorat, all die komplizierten Verflechtungen muss ein Unirat kennen, ansonsten ist die Qualifikation nicht gegeben.
Er muss sich dabei nicht in der Gruppe durch Nichtwissen blamieren. Die heutigen E-Learning-Programme garantieren Anonymität. Einzig relevant ist, das notwendige Wissen zu erwerben und darüber einen inhaltlichen Nachweis zu erbringen. Jeder, der diese verantwortungsvolle Tätigkeit des Universitätsrats ausübt, sollte doch mit großer Begeisterung und dankbar dieser Idee zustimmen, und nicht eine Funktion ausüben, von der er im Grunde genommen keine rechtliche und inhaltliche Ahnung hat.
Nur selbst studiert zu haben, ist zu wenig. Zudem hat sich auch die universitäre Landschaft in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt.
Die missglückten Rektoren-Bestellungen
§ 21 Abs. 5 des Universitätsgesetzes empfiehlt für die Auswahl der Universitätsräte „verantwortungsvolle Personen in der Gesellschaft, insbesondere der Kultur oder Wirtschaft“. Sehr schwammig. Der Gesetzgeber ist gefordert, konkrete Eignungskriterien zu erarbeiten und diese einzufordern.
Die jüngst eingeführte Begründungspflicht von Wahlvorschlägen von Universitätsräten ist leider simpel und durchschaubar: Der politisch gewünschte Kandidat wird schon irgendein Tool in seinem CV haben, das eine schlüssige Argumentation erlaubt. Vielleicht ist er/sie ja auch wirklich gut geeignet, auch das sollte man in Betracht ziehen.
Gute, erfahrene Manager wissen, dass die mit Abstand wichtigste Aufgabe des Aufsichtsrats die Bestellung der Geschäftsführung ist. Es gibt in Aktiengesellschaften einen eigenen Ausschuss, der diese Entscheidung umfassend vorbereitet. Vom Aktienrecht kann man noch einen weiteren wichtigen Impuls übernehmen: die Verpflichtung zur Anwesenheit und deren Dokumentation im Geschäftsbericht. Ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft, der an weniger als 50 Prozent der Sitzungen teilnimmt, kann sofort abberufen werden.
Zur Rektorenbestellung an österreichischen Universitäten sind mehr als genug Kommentare verfasst und Artikel geschrieben worden. Einschlägige Berichte des Rechnungshofs sind eine Quelle von Ermahnungen, Anregungen, von Dos und Don’ts. Der Gesetzgeber hat diese Vorgaben zu erlassen – und die Politik hat die Verpflichtung, deren Umsetzung zu garantieren.
VIKTORIA KICKINGER ist Aufsichtsrätin und Unternehmerin. Nach Managementpositionen bei ORF, ÖBB, ÖIAG und Österreichischer Post war sie in zahlreichen Aufsichtsräten tätig, so etwa an der Wiener Staatsoper, dem Burgtheater oder dem Technologiekonzern S&T. Derzeit ist sie im Aufsichtsrat der Polytec Holding AG sowie im Universitätsrat des Mozarteum Salzburg.
2016 gründete sie die Directors Academy Hamburg, eine Online-Weiterbildungsplattform für Aufsichtsräte in Deutschland.