Wenn der Krieg nach Österreich käme

Vor einigen Tagen las ich im Standard den Artikel des österreichischen Generals Robert Brieger, in dem er schrieb: „Sich alleine verteidigen zu können, ist eine Illusion“. Diese kühne Behauptung weckte sofort mein Interesse. Denn das österreichische Verteidigungskonzept besteht darin, sich selbst verteidigen zu können, auch ohne der NATO oder anderen Militärbündnissen beitreten zu müssen.
Angesichts des jüngsten Zerwürfnisses zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union, verursacht durch Donald Trump und seinen Vizepräsidenten, mag es kühn, sogar naiv erscheinen, wenn sich Westeuropa im Falle eines russischen Angriffs auf die USA verlassen würde.
Rückblickend auf den Zweiten Weltkrieg war es keineswegs selbstverständlich, dass Amerika England und Frankreich gegen Hitlers Armeen unterstützen sollte. Erst nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 entschied Roosevelt, am europäischen Krieg teilzunehmen.
Angesichts des vagen und verächtlichen Interesses der US-Regierung an Europa stellt sich die Frage, was passieren würde, wenn Russland Österreich, die baltischen Länder sowie Finnland und Schweden angreifen würde – und ebenso Gotland, das für Russland ein wünschenswerter Ausgangspunkt für weitere Operationen rund um die Ostsee wäre.
Mit Wladimir Putin im Kreml kann man sich viele Szenarien vorstellen, weshalb viel mehr für die Verteidigung Westeuropas getan werden muss. Die 27 EU-Länder müssen sich schnellstens über einen gemeinsamen Plan und die Kosten für ihre Verteidigung einigen – sogar bis auf 5 Prozent der Staatsausgaben aller EU-Länder. Polen hat das Ziel bereits auf 7 Prozent gesetzt.
Die strategische Lage Österreichs ist nicht sehr gut. Die fast unterwürfige Haltung von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und dem slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico gegenüber Putin erweckt kaum den erwünschten Eindruck, Europas und damit auch Österreichs Sicherheit, Freiheit und Unabhängigkeit schützen zu wollen.
Ein weiteres Thema ist die Neutralität, die Österreich schon lange gut gedient hat. Zu hinterfragen ist jedoch, ob diese immer noch die beste Sicherheit bietet oder eigentlich ein Risiko darstellt. Sicherheit dürfte am einfachsten durch die Zusammenarbeit mit anderen europäischen Ländern mit ähnlichen Werten und Bedingungen erreicht werden, die mit Ausnahme Österreichs und der Schweiz fast alle der NATO beigetreten sind.
Das größte Risiko der immerwährenden Neutralität wäre demnach, wenn sich Österreich gegen einen mächtigeren Angreifer alleine verteidigen müsste.
HANS CHRISTIAN CARS wurde 1939 in Stockholm geboren. Von 1975 bis 1987 war er Chefökonom im schwedischen Verteidigungsministerium, von 1987 bis 1993 Finanzchef der UNRWA in Wien, von 1993 bis 1997 Verwaltungschef der OSZE in Wien, von 1997 bis 2002 Direktor der Atomenergiebehörde IAEA und danach für die OSZE im Kosovo. Cars lebt in Wien.