Wie Orbán 2026 zu überleben gedenkt

Es gibt in der Regel mehrere Anzeichen dafür, dass Staatsführer beabsichtigen, an der Macht zu bleiben, wenn nicht für immer, so doch zumindest lange genug, um ihren Nachkommen Reichtum und Einfluss zu sichern.
Sie untergraben die Checks and Balances, manipulieren die Medienfreiheit, schwächen die Rechtsstaatlichkeit, unterdrücken die Zivilgesellschaft und lenken die Bevölkerung durch künstlich erzeugte Krisen oder polarisierende soziale Konflikte ab.
Doch all diese Maßnahmen sind unsichtbar. Wenn man nach visuell überschwänglichen Anzeichen für die Vereinnahmung des Staats sucht, muss man sich die Verschwendungssucht der Staatsführer ansehen: Wiktor Janukowitschs Villa in Meschyhirja mit Straußen und Pfauen, Wladimir Putins Palast mit Casino und 700-Euro-Klobürsten.
So war es nicht verwunderlich, dass das Familienanwesen des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán in Hatvanpuszta – einst ein bescheidener Musterbauernhof aus der Habsburgerzeit – in ein luxuriöses Wohnanwesen mit Palmenhaus, Springbrunnen und Zebras verwandelt wurde.
Seit 2010, als Orbán an die Macht zurückkehrte, haben er und seine Partei Fidesz die meisten Punkte auf der Checkliste für den Aufbau eines Mafia-Staats in Ungarn kontinuierlich abgehakt. Irgendwann scheint er beschlossen zu haben, die Macht nie wieder abzugeben.
Da die politische Opposition verwirrt und zerstreut ist, die EU nicht in der Lage – oder eher nicht willens – ist, gegen Ungarns Autokratisierung vorzugehen, die gegen die EU-Verpflichtungen verstößt, und billige russische Energie den Wirtschaftspopulismus stützt, schien Orbáns System einwandfrei zu funktionieren. Bis vor kurzem.
Orbáns Dilemma
Der kometenhafte Aufstieg des ehemaligen Fidesz-Mitglieds Péter Magyar, vor allem als Gegner Orbáns, ist die erste ernsthafte Herausforderung für die Macht von Fidesz seit vielen Jahren. Seit Anfang 2025 liegt Magyars Partei Tisza in unabhängigen Meinungsumfragen für die Parlamentswahlen 2026 durchwegs vorn.
Das Orbán-Regime befindet sich nun in einem Dilemma. Nach fünfzehn Jahren an der Macht ist das Festhalten an der Regierung nicht mehr eine Frage der Wahl, sondern eine lebenswichtige Notwendigkeit. Die Übernahme der Regierung durch Tisza würde bedeuten, dass unabhängige Untersuchungen über die Vereinnahmung des Staates durch Fidesz angestellt würden – ein Risiko, das sich weder Orbán noch die Oligarchen um ihn herum leisten können.
Andererseits kann das Orbán-Regime nicht auf Wahlbetrug zurückgreifen, wie es der Kreml in Russland oder Alexander Lukaschenko in Belarus getan haben. Ein solcher Schritt könnte soziale Proteste auslösen, die Fidesz auf eine noch demütigendere Weise von der Macht vertreiben könnten als eine Wahlniederlage.
Orbán war bisher ein guter Schüler sowohl von Möchtegern-Autokraten als auch von etablierten Autokraten. Bereits 2011–2012 verabschiedete das von Fidesz kontrollierte Parlament ein Wahlgesetz, das unter anderem die Wahlbezirke zugunsten der Regierungspartei umgestaltete und die Mehrheit ihrer siegreichen Kandidaten künstlich aufblähte.
Und 2022 lud das Orbán-Regime nach dem Vorbild Russlands und Aserbaidschans zum ersten Mal in der Geschichte eines EU-Mitgliedstaats dutzende von Fidesz-freundlichen Politikern, Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft ein (darunter Harald Vilimsky und Maximilian Krauss von der FPÖ), deren einziger Zweck darin bestand, ein Gegengewicht zu der zu erwartenden Kritik an der Durchführung der Parlamentswahlen durch die maßgebliche OSZE-Mission zu schaffen.
Die Karte der ausländischen Einmischung
Im Jahr 2026 könnte sich Fidesz jedoch nicht von Autokratien inspirieren lassen, sondern vom benachbarten Rumänien, wo die Behörden die Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen Ende 2024 für ungültig erklärt haben.
Offiziell wurde die Annullierung mit einer angeblichen ausländischen Einmischung begründet. In Wirklichkeit war der wahrscheinlichere Grund, dass der „falsche“ Kandidat die erste Runde gewonnen hatte und sich anschickte, die zweite Runde zu gewinnen: Călin Georgescu, ein harter EU-Skeptiker und Verschwörungstheoretiker, dessen Sieg das Land in politische Turbulenzen hätte stürzen können, deren Folgen weit über die Grenzen Rumäniens hinausreichten.
Es gibt Anzeichen dafür, dass das Orbán-Regime möglicherweise ein Szenario für die Wahlen 2026 vorbereitet, in dem der Vorwurf der ausländischen Einmischung benutzt werden könnte, um einen möglichen Sieg von Péter Magyars Tisza anzufechten. Wenn die rumänischen Behörden behaupten, dass die Wahlen 2024 durch Unregelmäßigkeiten in Verbindung mit russischer Einmischung beeinträchtigt wurden, könnte Budapest ebenso leicht auf eine imaginäre Einmischung Kiews oder Brüssels verweisen.
Tatsächlich spricht Orbán seit 2022 von einer „ukrainischen Einmischung“ in die inneren Angelegenheiten Ungarns, und in den letzten Monaten sind die anti-ukrainischen Kampagnen von Fidesz immer heftiger geworden. Behauptungen, Präsident Wolodymyr Selenskyj würde mit Brüssel gegen Ungarn konspirieren, sind zur Routine geworden. Fidesz verbreitet nun auch die Behauptung, dass Tisza und Magyar selbst mit dem ukrainischen Geheimdienst zusammenarbeiten.
Bei der Verbreitung der Behauptung, Magyar werde von ausländischen politischen Kräften unterstützt, genießt das Orbán-Regime die volle Unterstützung Moskaus. Am 13. August verstärkte der russische Auslandsgeheimdienst (SVR) öffentlich die Fidesz-Propaganda, indem er behauptete, Ursula von der Leyen ziehe „ernsthaft Szenarien für einen Regimewechsel in Budapest in Betracht“ und betrachte Magyar, „der als loyal gegenüber den globalistischen Eliten beschrieben wird, als Hauptkandidat für den Posten des Regierungschefs“ in Ungarn.
Der SVR zog auch die Ukraine ins Spiel und behauptete, Kiew habe sich von der Leyens „Kampagne zur ‚Demontage‘ der ungarischen Regierung auf Befehl aus Brüssel“ angeschlossen. Nach dieser Version muss Selenskyj die „Drecksarbeit“ machen, „die Lage in Ungarn durch die ukrainischen Sonderdienste und die dort lebende Diaspora zu destabilisieren“.
Es bleibt abzuwarten, ob Fidesz die „ausländische Einmischung“ nutzen wird, um die bevorstehenden Parlamentswahlen zu manipulieren. Klar ist jedoch bereits heute, dass Budapest und Moskau ihre Kräfte gebündelt haben, um ein Desinformationsnarrativ in der Öffentlichkeit zu verankern: dass die EU und die Ukraine mit Orbáns wichtigstem politischem Herausforderer, Péter Magyar, in einer Kampagne gegen Fidesz zusammenarbeiten.
ANTON SHEKHOVTSOV ist Politikwissenschaftler und forscht zu Faschismus, Extremismus und Propaganda. In seinem Buch „Russia and the Western Far Right: Tango Noir“ widmet er sich den Verbindungen zwischen dem Kreml und europäischen Rechtsparteien.