10 Jahre NEOS im Parlament: Ein Rückblick
Seit zehn Jahren sitzt die pinke Partei im Parlament. Und obwohl sie „nur“ in Opposition ist, gab es einige Erfolge, die Österreich zum Besseren verändert haben.
Am 29. September 2013 schaffte es eine neue Partei auf Anhieb in den Nationalrat: Nur ein Jahr nach der Gründung saßen Abgeordnete von NEOS im Parlament.
In diesen 10 Jahren haben die Abgeordneten von NEOS 2.935 Anträge und 6.464 parlamentarische Anfragen eingebracht. Für alle, die sich nicht mit den Kennzahlen des parlamentarischen Alltags auskennen: Das sind viele. Vor allem für einen kleinen Klub.
Zur parlamentarischen Praxis gehört nicht unbedingt, dass Anträge über alle Parteien angenommen werden. Aber ab und an ist eine Idee so gut, dass sich wirklich alle einig sind.
- Einschränkungen bei Luxuspensionen wurden erst zum Thema, als NEOS im Parlament auf die Nachhaltigkeit im Pensionssystem schaute.
- 2022 schaffte ein NEOS-Antrag Rechtssicherheit für alle, die über die Grenze pendeln und ab und zu im Homeoffice arbeiten – eine Gesetzeslücke wurde geschlossen. Das war vor allem für jene wichtig, die seit der Pandemie vermehrt von zu Hause arbeiten: eine Anerkennung neuer Arbeitsrealitäten.
- Apropos Pandemie: Dass es jetzt einen elektronischen Impfpass gibt, geht auch auf einen Antrag von NEOS zurück.
- Und apropos Digitalisierung: Auch elektronische Parknachweise für Menschen mit Behinderung wurden durch einen pinken Entschließungsantrag möglich.
- Durch einen Koalitionsbruch der SPÖ mit der ÖVP zu Zeiten der „Großen Koalition“ war plötzlich eine Mehrheit gefunden: Es gab deutlich mehr Geld für die Universitäten.
- Durch NEOS-Anträge gibt es jetzt themenbezogene Budgetanalysen, sogenannte Spending Reviews, für das Bundeshaushaltsgesetz, aber auch im Bereich Schulgesundheit.
Was im Parlament passiert, ist aber oft nicht das, was am Ende hängen bleibt. Das ist viel öfter das Agendasetting, das über Presseaussendungen, Redebeiträge oder Medienauftritte passiert. Und da hat sich doch einiges getan, was Österreich nachhaltig verändert hat.
Wahlparty am 29. September 2013 – im Moment, als die Hochrechnung NEOS im Parlament zeigte
Durch NEOS wird Transparenz zum Thema
Vor allem im Bereich Transparenz ist sichtbar, dass eine neue Partei im Parlament vertreten ist. Das Medientransparenzgesetz etwa, eine NEOS-Forderung der ersten Stunde, wurde mittlerweile umgesetzt, um mehr Informationen über Werbeschaltungen in Medien zu haben. Das ist vor allem wichtig, um Inseratenkorruption zu bekämpfen – ein Thema, das in den vergangenen Jahren immer wieder aufgekommen ist. Aber auch in Sachen Parteienfinanzierung wurden einige NEOS-Forderungen übernommen. Aber nicht alle: Das Loophole der parteinahen Vereine bleibt weiter bestehen.
Genau die gleiche Geschichte kann man über das Informationsfreiheitsgesetz erzählen, das die Bundesregierung angekündigt hat: Der allererste Antrag von NEOS im Parlament beschäftigte sich mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Seitdem wurde zehn Jahre versprochen zu liefern, Termine wurden verschoben und verschoben. Jetzt fällt das Amtsgeheimnis zwar wirklich – aber die „proaktive“ Pflicht zur Veröffentlichung von Informationen trifft nur größere Gemeinden. Auch hier wurde wieder spät das richtige Thema aufgegriffen, und trotzdem gibt es noch Nachbesserungsbedarf.
Und ein Triumph, der in der Öffentlichkeit angekommen ist: Das Recht zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses ist jetzt ein Minderheitenrecht. Eine Bundesregierung kann also nicht unliebsame Untersuchungen verhindern, wie der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss gezeigt hat. Die Erkenntnisse der letzten drei U-Ausschüsse zu BVT, Ibiza und ÖVP-Korruption beschäftigen die Medien, die Justiz und die Bevölkerung und legen ein Sittenbild der strukturellen Korruption offen, das es ohne diese U-Ausschüsse nie gegeben hätte.
Der aktuelle NEOS-Parlamentsklub
Agendasetting-Erfolge
Als NEOS ins Parlament eingezogen sind, hat kaum jemand über Kinderbetreuung gesprochen. Damals wie heute waren viele Eltern – vor allem Mütter – in der Situation, nicht mehr arbeiten zu können, auch wenn sie wollen. Denn nach wie vor sind die Betreuungseinrichtungen in den meisten Ländern nicht entsprechend ausgebaut. Heute muss sich die ÖVP regelmäßig für ihre Blockade auf Landesebene rechtfertigen. Und auch, wenn Karl Nehammer gerne von der Verantwortung der Eltern spricht, wurden zuletzt mehr finanzielle Mittel für den Ausbau der Kindergärten zur Verfügung gestellt. Gäbe es keine Partei, die seit Jahren ein Recht auf einen Kindergartenplatz fordert, wären die kleinen Fortschritte der letzten Jahre wohl noch geringer ausgefallen.
Und auch andere Themen, die heute die politische Landschaft dominieren, blieben früher unausgesprochen. Ohne den Druck von NEOS, dass die Kammern mit ihren hohen Beiträgen auch wirtschaften müssen, wäre wohl die eine oder andere Reform bei den Kammerbeiträgen weniger passiert – weil niemand hingeschaut hätte. Und ohne NEOS wäre auch kaum eine Reform der Gewerbeordnung gekommen.
Ein anderer Agendasetting-Erfolg von NEOS war die Abschaffung der kalten Progression. Damit bezeichnet man eine schleichende Steuererhöhung dadurch, dass man durch eine Gehaltserhöhung in eine neue Steuerklasse fällt – und damit mehr Steuern zahlt, obwohl man vielleicht nur eine Inflationsanpassung bekommen hat. Nach jahrelanger Forderung nach Entlastung wurde das Thema zum Dauerbrenner. Bei einer „Elefantenrunde“ vor der Nationalratswahl 2019 bekannten sich alle Parteien dazu, die kalte Progression abzuschaffen. Erfüllt ist das mittlerweile zumindest zu zwei Dritteln: Beim letzten Drittel behält sich die Regierung vor, selbst zu entscheiden, was damit passiert.
Noch immer gibt es offene Baustellen
Heute schmückt sich die Bundesregierung mit einigen Forderungen, die NEOS ursprünglich aufgebracht haben. Aber von echter Entlastung ist Österreich immer noch weit entfernt: Das Aussetzen der kalten Progression ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber nur der Verzicht auf eine Mehrbelastung der Bürgerinnen und Bürger. Um Lohn- und Gehaltserhöhungen zu erleichtern, ohne die Inflation anzuheizen, könnten die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Und langfristig sollte das Ziel sein, die durchschnittliche Belastung unter 40 Prozent des Einkommens zu bekommen.
Das wäre möglich, indem der Staat seine Ausgaben in den Griff bekommt. Denn Österreich hat kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Gerade in wichtigen Bereichen wie dem Bildungs- oder Gesundheitssystem ist viel Geld vorhanden, aber bei monatelangen Wartezeiten auf einen Kassenarzt-Termin und nur mittelmäßigen Leistungen im Bildungsbereich fragt man sich, wo die Gegenleistung dafür ist. Das könnten die nächsten Themen sein, die sich die türkis-grüne Regierung von NEOS abschauen könnte, wenn sie noch etwas weiterbekommen will.
Aber die Geschichte von NEOS im Parlament zeigt auch: Es ist nicht alles schlecht in Österreich. Oft passieren die Dinge etwas später, teilweise weniger ambitioniert als erhofft. Aber nach zehn Jahren ist Österreich ein Land, in dem Freunderlwirtschaft nicht mehr als Kavaliersdelikt gesehen, in dem Transparenz eingefordert wird und in dem die wesentlichen Reformen auf dem Tisch liegen.