5 Vorteile, die wir ohne EU nicht hätten
Wer innenpolitisch nichts weiterbringt, schiebt die Schuld gerne auf „Brüssel“. Dabei sollten wir nicht aus den Augen verlieren, was die EU uns in Österreich bringt – und was mittlerweile selbstverständlich geworden ist.
EU-Skepsis hat in Österreich oft Saison. Nicht nur die FPÖ, sondern auch andere Parteien, die von eigenen Baustellen ablenken wollen, verweisen gerne auf die Europäische Union, die wahlweise an allem schuld sein kann – auch dann, wenn Österreich blockiert.
Trotzdem ist es wichtig, sich immer wieder daran zu erinnern, dass die EU ein Erfolgsprojekt ist und uns zahlreiche Vorteile bringt, die wir jeden Tag erleben. Nicht nur, weil unsere Volkswirtschaft massiv davon profitiert hat, sondern auch, weil wir uns unseren Lebensstandard ohne diese Vorteile nicht mehr vorstellen könnten.
1. Freiheiten, die lange nicht selbstverständlich waren
Schon in der Schule lernt man heute in Betriebswirtschaft oder Politischer Bildung, dass es in der EU die sogenannte Waren- und Personenfreizügigkeit gibt. Hinter diesem technischen Begriff steht eine Grundfreiheit, die für viele von uns mittlerweile so selbstverständlich ist, dass sich vor allem Jüngere kein Leben ohne sie mehr vorstellen könnten: das Recht, sich innerhalb der Europäischen Union frei zu bewegen und frei zu wirtschaften.
Wer im Ausland studieren will, hat kein Problem mehr. Erasmus ist vielmehr zu einer ganz gewöhnlichen Möglichkeit im Leben junger Studierender geworden, die von Österreich aus die Universitäten in Frankreich, Dänemark oder Polen besuchen können. Das ist nicht nur aus Lifestyle-Gründen lässig, sondern schafft Bildungschancen und interkulturellen Austausch, von dem am Ende alle profitieren können.
Dass diese Freiheiten eine gute Idee sind, darauf sind die Staaten Europas auch vor der Union gekommen: Schon in Österreich brachte erst die Waren- und Personenfreizügigkeit echte Unabhängigkeit. Denn den Feudalismus abzuschaffen, reichte nicht. Erst wenn man nicht von wenigen lokalen Mächtigen abhängig ist, sondern sich Alternativen auch woanders suchen kann, ist man wirtschaftlich frei. Das fördert den Wettbewerb, was gut für die Volkswirtschaft ist – aber vor allem auch die Freiheit aller.
2. Wirtschaften war noch nie so einfach
Diese Freiheiten führen nicht nur dazu, dass Arbeit mobil geworden ist. Sie haben auch ganz praktische Vorteile, die das Leben von Selbstständigen wesentlich erleichtern – und mittlerweile ebenso zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Darum tut sich das Vereinigte Königreich auch schwer, Dinge zurückzunehmen, die in der Zeit als EU-Mitglied übernommen wurden: Die meisten Regeln sind ganz einfach sinnvoll.
Ohne die EU gäbe es nicht nur noch den Schilling, an den sich viele noch nostalgisch zurückerinnern – sondern auch die Wechselkursschwankungen, die den grenzüberschreitenden Handel erschwert haben. Dass wir mit unseren Nachbarländern und dem riesigen europäischen Markt gemeinsame Regeln haben, wenn es um Gewährleistung, Produkthaftung oder unzulässige Vertragsklauseln geht, ist praktisch, weil es Rechtssicherheit schafft. So können auch kleine und mittlere Unternehmen europaweit handeln, ohne sich teure Rechtsauskünfte für 27 verschiedene Rechtslagen zukaufen zu müssen.
Und dann gibt es da noch die gemeinsamen Standards, so wie die berühmte „Gurkenkrümmung“. Was viele nicht wissen: Die Richtlinie, die darüber Auskunft gibt, wie eine Gurke gekrümmt sein soll, wurde in Österreich erfunden – und zwar lange vor dem Beitritt zur Europäischen Union. Mit dem Beitritt zur EU wurde sie europaweit übernommen, weil es ein sinnvoller Standard war: Wenn man weiß, wie ein Produkt geformt ist, kann man es besser lagern, es macht die Logistik leichter. Mittlerweile wurde die Richtlinie wieder ausgesetzt, aber im Handel auch freiwillig weiterverwendet. Wie sich herausstellt, war diese Regel ganz einfach praktisch.
3. Die EU bringt Arbeitsplätze und Wohlstand
Durch die EU-Mitgliedschaft profitiert Österreich von einem riesigen Absatzmarkt von über 500 Millionen Menschen, in dem Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitskräfte frei gehandelt werden können.
70 Prozent des heimischen Außenhandels entfallen auf EU-Mitgliedstaaten, mit denen wir gemeinsame Regeln und Grundfreiheiten teilen. Das wiederum führt zu Einsparungen: Zwischen 2 und 5 Milliarden Euro erspart sich Österreich jedes Jahr durch den Wegfall von Zollkontrollen und Wartezeiten an den Grenzen. 1989 hatte Österreich noch 12.000 exportierende Unternehmen – heute sind es 63.200. Dadurch haben sich heimische Exporte verdreifacht, das Außenministerium spricht von 600.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und dadurch einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum in der Höhe von 63 Millionen Euro.
Auch in den „neuen“ EU-Mitgliedstaaten, also allen, die seit der „Ostöffnung“ dazugekommen sind, verzeichnet Österreich einen permanenten Überschuss: Das Institut für Wirtschaftsforschung hat berechnet, dass alleine durch die Osterweiterung ein zusätzliches Wachstum von 20 Milliarden Euro gebracht hat. Rechnet man den verhältnismäßig kleinen Beitrag Österreichs zum EU-Budget auf mit den zahlreichen wirtschaftlichen Vorteilen, kommt man zum Ergebnis: Jeder investierte Euro kommt dreimal zurück.
4. Wir sind Teil einer wirtschaftlichen Weltmacht
Seien wir doch ehrlich: Im 21. Jahrhundert, in dem Staaten Asiens und Afrikas aufsteigen, interessieren sich nur wenige für das kleine Österreich. Was uns interessant macht, ist erst unsere Stimme als gleichwertiger Mitgliedstaat unter 27, die gemeinsam den größten Markt und die größte Wirtschaftsmacht der Welt bilden. Den kleinen österreichischen Markt könnte man einfach ignorieren – den europäischen nicht.
Das hat ganz praktische Vorteile für uns: Die meisten Unternehmen bieten ihre Produkte und Dienstleistungen in der gesamten EU an, auch wenn sie das für einen kleinen Nationalstaat normalerweise nicht täten. Auch bei knappen oder teuren Gütern wird die Europäische Union als eine der Ersten beliefert, immerhin will man es sich nicht mit so vielen Staaten verscherzen. Gerade in Zeiten von Lieferkettenproblemen und internationalem Wettbewerb kommen wir so an das, was wir brauchen: Auch die COVID-19-Impfstoffe waren in Europa schneller verfügbar als anderswo in der Welt.
Und dann wäre da noch ein außenpolitischer Vorteil: Durch die EU hat Österreich eine Stimme, die in der Welt gehört wird. Beim G7-Gipfel ist Europa nicht nur durch Deutschland, Italien und Frankreich vertreten, sondern auch durch die Einladung der Union an sich. Bei wirtschafts- und geopolitischen Fragen wird Europa einbezogen, gemeinsame Interessen haben internationales Gewicht. Und selbst, wenn die Republik nicht einer Meinung mit anderen EU-Staaten ist – mit 26 anderen Staaten einen Platz am Tisch zu haben, ist wichtig, um Österreichs außenpolitische Linie durchsetzen zu können.
5. Frieden in Europa
Wer mit diesem Punkt nicht gerechnet hat, hat wohl noch nicht oft über die EU nachgedacht. Aber der Sinn und Zweck der Europäischen Union und ihrer Vorgängerorganisationen war genau das: durch wirtschaftliche Zusammenarbeit den Frieden zu sichern.
Nicht zufällig ist die Idee, dass einige europäische Staaten miteinander handeln, nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden. Das Kalkül war, den Frieden miteinander so profitabel zu machen, dass es für keine Seite eine schlechte Idee sein könnte, ihn zu brechen. Durch einen gemeinsamen Wirtschaftsraum senken wir unsere Kosten und genießen all die Vorteile, die in diesem Text schon angesprochen wurden – und stellen gleichzeitig, dass es für jeden Mitgliedstaat eine verdammt schlechte Idee wäre, diese Zusammenarbeit zu beenden. Das muss gar nicht nur auf Krieg bezogen sein, wie der Brexit zeigt.
Seit es die Europäische Union gibt, genießen ihre Mitgliedstaaten den Frieden. Nicht nur, weil viele davon Mitglieder der NATO sind – sondern auch, weil die EU von ihrem Versprechen lebt, zusammenzuhalten. Auch wenn die Zusammenarbeit nicht immer reibungsfrei funktioniert und vieles schneller gehen könnte, sollten wir diese Grundmission nicht vergessen, sondern schätzen. Denn gerade die Staaten des postsowjetischen Europa wissen noch, wie es früher war, als sie Spielball der Sowjetunion waren. Und dass der Ukraine-Krieg sich nicht auf den Rest Europas ausweitet, zeigt, dass dieser Zusammenhalt Frieden sichert.