Abschied vom Nanny State?
Magnus Brunner spricht sich in Reden gegen einen „Nanny-Staat“ aus. Zweifel an den Ankündigungen des Finanzministers sind angebracht – das zeigt ein Blick auf die Entwicklung der öffentlichen Finanzen.
Der Finanzminister spricht seit einiger Zeit gern davon, dass wir „das Geld des Steuerzahlers wieder schätzen lernen“ müssen. Und: „Wir müssen aufhören, Millionen mit Milliarden zu verwechseln“, der Staat könne nicht zu 100 Prozent die Krise kompensieren. Bereits anlässlich seiner Budgetrede im Herbst 2022 mahnte Magnus Brunner, dass Österreich „von dieser Idee des Nanny-Staates wegkommen“ müsse, legte dann aber ein Bundesbudget mit Rekordausgaben und einem Defizit von rund 17 Milliarden Euro vor. Take that, Austria.
Wer Budget und Politik der letzten Jahre mitverfolgt hat, fragt sich, ob man hierzulande tatsächlich seit einigen Jahren Millionen mit Milliarden verwechselt. Für die Bewältigung der Covid-Pandemie und derer wirtschaftliche Folgen machte die Bundesregierung rund 48 Milliarden Euro locker – der Löwenanteil davon, rund 82 Prozent bzw. 39 Milliarden Euro – ergoss sich in Form von Wirtschaftshilfen über Österreichs Lockdown-Wirtschaft. Seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine samt Energie- und Teuerungskrise folgten weitere 27 Milliarden Euro an beschlossenen temporären Hilfszahlungen und Entlastungsmaßnahmen, die großteils 2022/23 fließen. Nur Luxemburg ließ sich Covid- und Energiekrise mehr kosten als Österreich.
Seit 2020 fährt Österreichs Finanzminister mit dieser Art Ausgaben- und Förderpolitik auch verlässlich Rekorddefizite im Bund ein.
Konnte man für das Budgetloch von 20 Milliarden im Covid-Krisenjahr 2020 noch irgendwie Verständnis aufbringen, so tut man sich mit einem Bundesdefizit von 23 Milliarden im Jahr 2022 bereits deutlich schwerer – es war immerhin ein Jahr mit sagenhaften 4,8 Prozent BIP-Wachstum und Rekordsteuereinnahmen.
Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit hat sich seit seinem Totalabsturz in den Jahren 2020 (–8 Prozent des BIPs) und 2021 (–5,8 Prozent des BIPs) zwar ein wenig erholt und liegt 2022 „nur“ noch bei –3,2 Prozent des BIPs, unter anderem aufgrund der Überschüsse bei Ländern und Gemeinden. Österreichs Schuldenstand kletterte in dieser Zeit allerdings auf immer neue Rekordhöhen. In Kombination mit dem aktuell ungünstigeren Zinsumfeld führt das zu höheren Finanzierungskosten: So mussten die Zinsauszahlungen im Bundeshaushalt 2022 um rund 1,7 Milliarden Euro nach oben revidiert werden. Dieses Geld fehlt dem Finanzminister dann an anderer Stelle – z.B. bei Zukunftsinvestitionen wie Bildung, Forschung oder Klimaschutz – und vergrößert wieder das jährliche Defizit.
Hält sich der Finanzminister angesichts dieser budgetären Altlasten an seine eigene Aufforderung zu einem achtsameren Umgang mit Steuergeldern?
Es schaut nicht wirklich danach aus. Das Stabilitätsprogramm für die Jahre 2022–26, das vom Finanzministerium Ende April zwecks wirtschaftspolitischer Koordinierung mit den anderen EU-Staaten an die Europäische Kommission geschickt wurde, geht zwar ab 2024 von einem weiteren Rückgang des Maastricht-Defizits aus. Allerdings musste das BMF das geplante Defizit für 2023 – trotz zuletzt leicht verbessertem Wirtschaftsausblick – im Vergleich zur Budgetplanung vom Herbst weiter nach unten revidieren. So wurden jene erst im Winter beschlossenen Antiteuerungsmaßnahmen – darunter der Energiekostenzuschuss II mit einem Maximalbudget von 7 Milliarden Euro – bei der Budgetplanung im Herbst noch nicht berücksichtigt.
Auch Schuldenstand und Zinszahlungen steigen über den Planungshorizont bis 2026 stärker an als noch im vergangenen Herbst angekündigt: Während 2022 nur 1 Prozent des BIP für Zinszahlungen draufging, werden es 2026 beachtliche 1,6 Prozent sein. Damit fehlen dem Finanzminister auch in Zukunft Milliarden im Budget – für wichtige Zukunfts- und Standortinvestitionen bleibt unterm Strich weniger übrig.
Die angekündigte Budgetdisziplin wird wohl erst jemand nach Magnus Brunner im Finanzministerium haben. Wer auch immer nachfolgt, wird es dabei aber nicht leicht haben.