AK – zu gut, um wahr zu sein
Wer die Arbeiterkammer googelt, dem strömt eine Wolke aus Lob entgegen. Die oberste Hüterin der Arbeitnehmer:innenrechte des Landes scheint alles richtig zu machen und genießt folglich überwiegende Anerkennung. Doch wie macht sie das wirklich?
Anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens 2022 beschenkte sich die Arbeiterkammer (AK) mit einem aufwändig gedrehten Video. In dieser Mischung aus „Hunger Games“ und Apples Mac-Werbung „1984“ erringt eine junge Frau, die gestaltgewordene Gerechtigkeit, den Sieg über dunkle Mächte von Vergangenheit und Gegenwart. Man ist begeistert.
Doch zu stark sollte niemand an dem heroischen Glanz kratzen – darunter modert nämlich so manche Altlast. Und für die kann die AK oft gar nichts.
Sie wurde vom Staat dazu geschaffen, die Interessen des Volkes zu wahren, hat ihr eigenes Gesetz und ist demnach ein Selbstverwaltungskörper. Dieser vollmundigen Vokabel wohnt ein entscheidendes Merkmal inne: Die AK agiert in „weisungsfreier Eigenverantwortlichkeit“, Fragen von außen sind nicht vorgesehen. So kann die AK ihre Geschäfte führen, ohne dass sie mehr offenlegen müsste als einen Rechnungsabschluss. Warum die AK nicht analog zum UGB abschließt, bleibt ein Rätsel.
Mangelnde Transparenz – eine AK-Folklore?
Es beginnt bei den Beiträgen: Niemand weiß, wie viel er de facto an die AK entrichtet, denn auf dem Lohnzettel sind die 0,5 Prozent des Bruttoeinkommens nicht ausgewiesen. Durchschnittlich 10 Euro im Monat seien es bloß, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl bei ihrem Auftritt in der Pressestunde am 19. November 2023. Zwei Melanges, nicht mehr – ganz schön viel für die Vielen, die sich an ihre letzte Melange im Kaffeehaus in Zeiten wie diesen nicht erinnern können. Während Arbeitnehmer:innen über Teuerung, Inflation und den Verlust ihrer finanziellen Zuversicht klagen, sorgt die AK umfänglich für ihre eigenen Mitarbeiter:innen.
Sie dürfen sich über (mutmaßlich) gute Bezahlung und ein solides Pensionssystem freuen, das vorsieht, dass die AK es bezuschusst: Die AK Wien gab 2022 73 Millionen Euro für Personal aus, für 2023 hatte sie 85 Millionen im Budget – allerdings ohne Angabe der Mitarbeiterzahl. Sosehr jeder und jedem dies vergönnt ist – warum setzt sich die AK nicht generell für Zuschusspensionen durch Unternehmen ein, bei der auch die Arbeitnehmer:innen bereits einen kleinen Lohnanteil für später zurücklegen?
Erstaunen erwecken indes die üppigen Bezüge der AK-Führung selbst (von den Pensionen ganz abgesehen). Die AK-Direktorin in Wien verdient mit ihren brutto 20.617,50 Euro gehaltlich deutlich mehr, als wäre sie Ministerin. Welche faktische Verantwortung rechtfertigt diese Entlohnung? Da nimmt sich die Präsidentin der AK (Wien und Bund) mit ihrem Funktionsbezug von 14.491,94 Euro brutto nahezu bescheiden aus.
Funfact zu dieser Zahl: Vor kurzem fiel dem Abgeordneten zum Nationalrat Yannick Shetty (NEOS) auf, dass die Bezüge von Renate Anderl auf der AK-Website als Nettowert angegeben waren, während man den Lohn einer Küchenhilfe (rund 1.020 Euro brutto für 16 Stunden) durch das Brutto nach mehr aussehen ließ. Kaum hatte er seine Beobachtung in ein Instagram-Video gepackt, wurde auch bei Frau Präsidentin auf Brutto umgestellt. Statt ca. 8.000 Euro standen plötzlich die oben erwähnten 14.491,94 Euro auf der Website.
Ein Anlass zur AK-Kritik liefert die Pflicht-, vulgo Zwangsmitgliedschaft, inside AK auch gern „Solidarbeitrag“. Nun fragt sich das abgabenfrohe Volk, wie es denn sein könne, dass neben der AK auch noch Gewerkschaften existieren (die im Übrigen die Kollektivverhandlungen führen, wovon alle profitieren – Mitglieder wie Nichtmitglieder) und bei Mietstreitigkeiten die Mietervereinigung hilft. Dort ist man nur dann Mitglied, wenn man einen monatlichen Mitgliedsbeitrag entrichtet. Für den Konsumentenschutz steigt der VKI auf die Barrikaden.
Was ist nun die genaue Rolle der AK? Natürlich vorrangig der Arbeitnehmer:innenschutz, Konsument:innenschutz und Mieter:innenschutz – darüber hinaus liefert die AK Studien zu verschiedenen Themen. Oft meint man jedoch, in der AK den größten Content-Produzenten des Landes vor sich zu haben: denn der Output des arbeitnehmer:innenseitigen Sozialpartners ist gewaltig. Vieles davon ist sinnvoll und wichtig – aber wer muss wissen, welcher Krapfen am besten schmeckt? Wer findet einen AK-Test von alkoholfreiem Sekt prickelnd?
Wohin mit dem vielen Geld?
Die Rechnungsabschlüsse der AK für 2022 wiesen Rekordüberschüsse in den Krisenjahren 2020 bis 2022 aus. Wird dieser Geldsegen gerecht und parteiunabhängig eingesetzt (schließlich ist die AK unser aller Selbstverwaltungskörper)? Wohl kaum, wie ein aktuelles Beispiel zeigt:
Die AK Wien hat angekündigt, nach der AK-Wahl 2024 das Haus Plößlgasse 13 niederreißen zu lassen. Wo bis heute die Technisch Gewerbliche Abendschule des BFI untergebracht ist, wird ein „Haus der Jugend entstehen“. „Es soll das Mekka der 15-27-jährigen werden“, schreibt die Bezirkszeitung durchaus enthusiasmiert. Nun wird wohl niemand etwas gegen ein Haus haben, in dem Jugend zusammenkommt und sich weiterbilden kann – allein, was ist der eigentliche Zweck des Hauses?
„Mitspracherechte in allen Belangen der Gesellschaft“ sollen die jungen Menschen erhalten, schreibt die Bezirkszeitung raumgreifend. Die AK ist auf ihrer Website noch nebuloser: Es werde sich um ein Haus des Respekts für die Jugend handeln, um einen Ort, an dem Pläne geschmiedet werden. Hellhörig wird hingegen, wer dem AK-eigenen Podcast „Rolle vorwärts“ lauscht. Darin wird die Bildungssprecherin der Kammer, Ilkim Erdost, im Interview konkret: „Das ist nicht nur ein Projekt, das allein und einzeln für sich stehen soll, es soll auch in Zukunft für unsere jungen Mitglieder eine Andockstelle, ein Hafen sein mit der Möglichkeit, die Batterien aufzuladen, sich auszutauschen, sich einzubringen, gemeinsam Pläne zu schmieden, sich politisch zu engagieren, sich Gehör zu verschaffen.“
Wessen Politik ist da gemeint? Erdost zeichnet das Haus der Jugend an einer anderen Stelle als den Ort, an dem junge Menschen sich „gewerkschaftlich organisieren“. „Die Arbeiterkammer als Organisation mit Zwangsmitgliedschaft“ solle „zumindest den Anschein der Unparteilichkeit bzw. Überparteilichkeit wahren“, formulierte der NEOS-Abgeordnete Gerald Loacker 2022 in einer parlamentarischen Anfrage zu einem anderen AK-Thema. Dass sich junge Menschen auf Geheiß der Wiener AK politisch bilden sollen, gemahnt an die österreichische Farbenlehre. Mit Überparteilichkeit geht es sich jedenfalls nicht aus.
Die Frage bleibt, warum ein Haus der Jugend in Innenstadtlage errichtet wird – die Schüler:innen des Theresianums gleich nebenan werden wohl kaum Zielgruppe sein.
Druckkosten, Porto & Bildung light
Viel von dem Geldsegen der AK wird bei den kommenden Wahlen in den Briefkästen landen. Auf die Frage, warum die AK für die Wahl 2024 37 Millionen Euro rückgestellt habe, während es 2019 (bundesweite Wahlbeteiligung: 39 Prozent) noch 24 Millionen gewesen seien, argumentierte Renate Anderl in der Pressestunde letzten November mit gestiegenen Portokosten. Teuer sind auch die verschickten Wahl-Infos: Eine Nationalratswahl (Beteiligung 2019: 76 Prozent) kostet übrigens rund 20 Millionen Euro.
Was die generelle Frage nach dem Verhältnis zwischen AK und Druckwerken im Allgemeinen aufwirft. Druck bleibt der AK erste Wahl. Während sie Inserate schaltet – in Wien fast eine Million Euro (2022) – und ebenda ein eigenes Periodikum namens AK FÜR SIE auf den Markt bringt, ist eine transparente elektronische Wahl wohl Zukunftsmusik. Dabei wäre eine solche Vereinfachung der Abläufe sicher auch im Dienste der Wähler:innen – sie würde nämlich einen Haufen Kosten sparen.
Die könnte die AK beispielsweise in die Bildung ihrer Mitglieder investieren. Derzeit haben Arbeitnehmer:innen Anrecht auf einen jährlichen Bildungsgutschein und „Digibonus“ in der Höhe von 150 Euro. Diesen können sie bei zahlreichen Angeboten des BFI oder der Volkshochschulen einlösen, wie auch bei zahlreichen kleineren Anbietern, vor allem Sprachschulen. Jeder, der eine ernstzunehmende Ausbildung in Angriff nehmen möchte, weiß allerdings, dass er mit einem 150-Euro-Gutschein nicht weit kommt.
Abhilfe kann da nur ein Bildungskonto schaffen, auf dem jeder und jede seine Einzelgutscheine ansparen kann. Ein Bildungskonto, gepaart mit Angeboten auf dem freien Bildungsmarkt, wäre endlich eine echte Erleichterung für die AK-Mitglieder.