Butter bei die Fische, Herr Bundeskanzler!
„Remember, remember the 6th of November.“ Das könnte sich Bundeskanzler Olaf Scholz gedacht haben, als er am gestrigen Abend zur gut vorbereiteten verbalen Vendetta gegen Finanzminister Christian Lindner ausholte, nachdem er um dessen Entlassung beim Bundespräsidenten bat. Aber die Lage ist zu ernst für Filmreferenzen: Deutschland kann sich keinen Stillstand leisten, weder politisch noch wirtschaftlich.
Nachdem Angela Merkel das Land 16 Jahre mit ruhiger Hand, wenn auch freilich nicht ohne Fehler geführt hatte, ist ihr Nachfolger Olaf Scholz vorzeitig gescheitert – und das ähnlich krachend wie 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg, wo er als Bürgermeister sein Sicherheitsversprechen nicht halten konnte und das Treffen der wichtigsten Staats- und Regierungschefs zum Desaster eskalierte. Dessen ungeachtet wurde Scholz vier Jahre später Bundeskanzler und Chef der ersten deutschen Ampelkoalition.
Am Ende waren die Differenzen zwischen Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen aber wohl zu groß. Und der Regierungschef zu schwach? Jedenfalls weist seine gestrige Rede ein bemerkenswertes Detail auf: Er will dem Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Nicht aber so bald wie möglich, sondern am 15. Januar 2025. Man darf sich wundern, warum Scholz nun geschlagene zwei Monate mit einer gescheiterten Regierung weiterarbeiten will, bis er das Parlament zum Vertrauen in seine Person befragen will.
Ob er bis dorthin die offenen Gesetzesvorhaben aus einer de facto Minderheitsregierung heraus durch das Parlament bringt, ist fraglich. Warum sollte die Union unter Merz den Königsmacher spielen? Die anderen Optionen aus der derzeitigen Opposition: AfD, Linkspartei, BSW und 8 Fraktionslose. Wer auf diese Ränder angewiesen ist, sollte es lieber gleich sein lassen. Und genau das sollte nun die Devise sein – ein künstliches Herauszögern der Vertrauensfrage käme einer Verhöhnung gleich.
Realistisch wären nach derzeitigem Stand dann wohl Neuwahlen im März 2025. Das würde gut fünf Monate politischen Stillstand bedeuten, den sich Deutschland nicht leisten kann. Als bevölkerungsreichstes Land der EU und drittgrößte Volkswirtschaft der Welt steht in solch volatilen Zeiten zu viel auf dem Spiel. Donald Trump hat jüngst die Wahl gewonnen und wird sich innen- und außenpolitisch neu orientieren, in der Ukraine herrscht Krieg auf europäischem Boden, und der Schutz Israels ist weiterhin und völlig zu Recht deutsche Staatsräson. Für all diese Themen ist eine starke Bundesrepublik unerlässlich, zumal auch die stotternde heimische Wirtschaft dringend einen Schub benötigt. Es braucht also so rasch wie möglich klare Verhältnisse, anstatt pomadig weiter regieren zu wollen. Danach gibt es für alle Parteien noch genügend Zeit zur Aufarbeitung.
In Hamburg würde man sagen: Butter bei die Fische, Herr Bundeskanzler!