Das emotionale Kraut: Wie Österreich mit Cannabis umgeht
„Das ist keine Droge, das ist ein Blatt“, sagt Arnold Schwarzenegger in Bezug auf die Thematik rund um die Freigabe von THC. Doch von so einer gelassenen Haltung gegenüber dieser Pflanze sind wir in Österreich weit entfernt. Vor allem auf dem Land werden Konsumenten der Droge oft als „Giftler“ abgetan, und die Einnahme zur Berauschung ist oftmals gesellschaftlich geächtet. Zwar wird immer wieder versucht, eine Debatte zur Entkriminalisierung bzw. zur Legalisierung angestoßen – doch die führt meistens ins Leere. Und das, obwohl laut einer Umfrage für das Nachrichtenmagazin Profil 49 Prozent für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis sind. 40 Prozent waren dagegen.
Ein Kraut mit einer langen Geschichte
Doch beginnen wir von vorne. Cannabis war über Jahrhunderte ein beliebtes Mittel zur Berauschung, genau wie Alkohol und Tabak. Die Hanfpflanze, aus deren Blättern Tee, aus deren Samen Mehl und aus deren Fasern man Stoff und Seil herstellen konnte, war eine beliebte Nutzpflanze, vor allem im Mittelmeerraum. Die weiblichen Blüten – jene, die das THC enthalten – waren sozusagen ein Nebenprodukt.
Oft wurde es auch von Kriegern eingenommen, um die Schmerzen zu stillen oder um den Geist zu entspannen. Im arabischen Raum und dem heutigen Israel nahmen Attentäter eine Paste aus Hanf-Harz zu sich, um sich vor Aufträgen zu beruhigen. Diese sogenannten Assassinen waren die Namensgeber für die heutige Bezeichnung dieser Harz-Paste: „Haschisch“.
In Österreich war die Pflanze aufgrund der klimatischen Bedingungen in der Gesellschaft nie so weit verbreitet wie anderswo. Wir leben in einer Nation, die sich seit jeher hauptsächlich durch Alkohol berauscht hat.
Das Cannabis-Verbot: Ein Erfolg amerikanischer Lobbys
Doch wie kommt es dazu, dass der Konsum von Cannabis verboten wurde? Diese Entwicklung nimmt um die Jahrhundertwende vom 19. ins 20. Jahrhundert ihren Lauf. Während es durch Fortschritte in der Chemie gelingt, Kunstfasern günstiger herzustellen als Hanffasern, wird parallel dazu von den konservativen Kräften, vor allem in Amerika, im Rahmen der Prohibition dafür lobbyiert, Cannabis zu verbieten. Hier wurde mit einer Methode gearbeitet, die auch heute noch sehr beliebt ist: Cannabis bzw. der Wirkstoff THC wird mit anderen harten Drogen gleichgesetzt und verglichen.
Auch wurde behauptet, primär Minderheiten wie Schwarze würden es konsumieren, um dann im Rausch weiße Frauen zu vergewaltigen. Faktisch gesehen war das zwar Unsinn – aber es wirkte, und von den USA aus verbreitete sich der schlechte Ruf über die ganze Welt.
Forciert wurde das Verbot vor allem vom Federal Bureau of Narcotics (FBN), und zwar aus einem ganz anderen Grund. Das FBN ist für die Zulassung und Prüfung neuer Medikamente in den Vereinigten Staaten zuständig – somit stand es vor allem damals unter dem Einfluss der großen Pharmafirmen. Die plagte Anfang des 20. Jahrhunderts ein entscheidendes Problem: Wer kauft teure Schmerzmittel, wenn er oder sie diese ganz einfach im eigenen Garten anbauen oder auf der Straße zu einem günstigen Preis kaufen kann?
Es war der Vorsitzende Harry J. Anslinger des FBN, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg bei der UN als Drogenkommissar dafür starkmachte, den Anbau von Cannabis weltweit zu verbieten. 1961 wurde dieses Verbot im Einheitsabkommen über die Betäubungsmittel festgeschrieben. Damit befriedigte Anslinger die Interessen zweier mächtiger Lobbys in Amerika: einerseits jene der Pharmalobby, der das günstige Schmerzmittel ein Dorn im Auge war, andererseits jene der Baumwolllobby, da Hanffasern robuster und universeller einsetzbar sind als Baumwolle.
Eine verlogene Debatte
Die Folgen dieser Entwicklung sind bis heute zu spüren. Jede Debatte wird mit absurden Argumenten geführt. Man wolle Österreich zu einem „Narcostaat“ machen, hört man da etwa, oder dass es um den Schutz der Kinder gehe. Immerhin sei Marihuana ja die klassische Einstiegsdroge. Österreich würde durch eine Legalisierung zum Hafen für Drogendealer und die Mafia. Das ist zwar alles aus der Luft gegriffen, aber es hilft dabei, sich nicht mit den Argumenten von Expertinnen und Experten auseinanderzusetzen – die nämlich zum Großteil für eine Legalisierung sind.
Stattdessen stehen in den Zeitungen immer wieder die gleichen Artikel. Eine junge Person argumentiert pro, ein alter Arzt contra. Die Argumente sind immer dieselben: Cannabis kann Psychosen auslösen, ist schlecht für die Entwicklung des Gehirns junger Menschen und habe keinen Mehrwert. All diese Argumente stimmen, aber sie treffen genauso auf Alkohol zu; mit dem Unterschied, dass regelmäßiger Alkoholkonsum auch öfter das Umfeld der Personen schädigt, etwa durch häusliche Gewalt. Und dem wichtigeren Unterschied: Alkohol ist bei uns eine Gesellschaftsdroge.
Werden diese Argumente vorgebracht, wird aber plötzlich gefragt, ob das Ziel sei, Alkohol zu verbieten. Denn da sind die gesundheitlichen Fakten schon fertig bewertet, ein Zurück können wir uns alle nicht vorstellen. Man sieht daran, was in Österreich nicht funktioniert: das sachliche Diskutieren des Themas. Bis das möglich ist, ist Cannabis kein Blatt – sondern ein emotionales Kraut.