Das neue „Transparenzvorhaben“ der Regierung schafft zwei Klassen von Gemeinden
In Österreich dominiert das Amtsgeheimnis: Wir dürfen nicht wissen, was der Staat tut oder wie viel Geld er dafür ausgibt. Eigentlich sollte es schon lange durch ein Informationsfreiheitsgesetz ersetzt werden, das Verschwiegenheit durch Transparenz als Standardmodus ersetzt. Aber bisher wurde das Gesetz bereits unzählige Male verschoben.
Jetzt aber tut sich etwas in dem Bereich. Die Bundesregierung hat sich laut Medienberichten auf einen Entwurf verständigt, der Österreichs Gemeinden in zwei Klassen aufteilen würde: Größere Gemeinden müssten sich zur Transparenz bekennen, während gerade die kleinen Gemeinden weiterhin das Amtsgeheimnis behalten dürften.
Regierung plant Transparenz nur für 87 Gemeinden
Bedeutet: Nur die größeren Gemeinden müssten Transparenz einführen, den kleinen bleibt es selbst überlassen. Demnach könnten 2.006 Gemeinden mit einer Bevölkerung von 4,7 Millionen weiterhin selbst entscheiden, welche Informationen sie veröffentlichen. Nur die 87 größten Gemeinden Österreichs müssten demnach die Informationsfreiheit umsetzen. Daran schuld ist diese eine Zeile, die im Gesetzesentwurf steht:
„Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern sind nicht zur Veröffentlichung verpflichtet. Sie können solche Informationen nach Maßgabe dieser Bestimmungen veröffentlichen.“
Dass sich dieser Entwurf so ergibt, liegt auch an den Gemeinden selbst: Diese fürchten sich vor zu hohem Verwaltungsaufwand durch das Informationsfreiheitsgesetz. Gerade in kleinen Orten gibt es wenig Personal, und wenn es viele Fragen gibt – noch dazu mit einer gesetzlichen Deadline – drohe ein „Kollaps“. Auf diese Bedenken könnte man aber auch mit verlängerten Fristen und mehr Spielraum eingehen, statt mit einer Absage an Transparenz.
Dazu kommt, dass die Regierungspartei ÖVP die meisten Bürgermeister:innen stellt und vor allem in kleineren, eher ländlichen Gemeinden stark ist. Für sie ist im Gesetzesentwurf diese Ausnahme vorgesehen.
Neues Gesetz schafft Zweiklassengemeinden
Dabei ist gerade in kleinen Dörfern oft besonders undurchsichtig, was Bürgermeister:innen und der Gemeinderat mit ihrem Geld machen. Das liegt auch daran, dass es in Städten meist Regional- und Stadtmedien gibt, die eine gewisse Kontrollfunktion ausüben. In kleine Gemeinden, die nicht viele Menschen kennen, bleibt Korruption einfacher versteckt, etwa bei der Bevorzugung eigener Kontakte, wenn es um die Vergabe von Grundstücken, Projekten oder Förderungen geht.
Wie weit dieser Einfluss vor Ort gehen kann, zeigt auch das Beispiel Grafenwörth: Der dortige ÖVP-Bürgermeister Alfred Riedl – übrigens bis vor Kurzem auch Gemeindebund-Chef – nutzte seine guten Kontakte, um Grundstücke billig aufzukaufen und teuer weiterzuverkaufen. Dort entsteht auch ein als „Mini-Dubai“ bezeichnetes Bauprojekt, das hauptsächlich für Zweitwohnsitze geschaffen wird: Gut für Riedl, schlecht für den Ort, auch in Sachen Bodenverbrauch.
Genau diese Art von Vergabe wäre dadurch weiterhin möglich, solange die Bevölkerung und die Medien kein Recht auf Information haben. Es droht eine Zweiklassengesellschaft beim Recht auf Transparenz, wie auch NEOS kritisiert.
„Wir dürfen nicht zulassen, dass Dunkeldörfer in Österreich entstehen, in denen weiter nach Gutdünken umgewidmet werden kann.“
Beate Meinl-Reisinger, Parteivorsitzende NEOS
Kritik am neuen Gesetzesentwurf
Die Forderung nach mehr Informationsfreiheit und einer Abschaffung des Amtsgeheimnisses ist nicht neu: Der erste Antrag der NEOS, die 2013 in den Nationalrat einzog, hatte genau dieses Gesetz zum Thema. Seither haben drei Regierungen – Rot-Schwarz, Türkis-Blau und Türkis-Grün – versprochen, „bald“ zu liefern. Bisher ist nichts passiert. Das kritisiert auch das Forum für Informationsfreiheit, eine NGO, die auf ihrer Website auf zehn Jahre leerer Versprechungen verweist.
„Ein signifikanter Teil der Bevölkerung könnte auf lokaler Ebene die Entscheidungsträger damit schlechter kontrollieren, als das in größeren Städten möglich wäre – und hätte weniger Zugang zu Information.“
Mathias Huter, Forum Informationsfreiheit
Und auch vom Verfassungsjuristen Heinz Mayer kommt Kritik. Dieser meint, es sei offensichtlich, dass man das Amtsgeheimnis gar nicht abschaffen wolle. Aber wenn man die „Heilige Kuh“ nicht anfasse, sei es besser, gar nichts zu ändern, als diesen Entwurf umzusetzen. „Was da jetzt probiert wird, ist eine Mogelpackung nach der anderen“. Und auch in der Bevölkerung werden sich viele fragen, warum man nur in größeren Gemeinden wissen soll, was mit Steuergeldern passiert.
Bei den Grünen verweist man darauf, dass das Ziel nach wie vor sei, das Grundrecht auf Information für alle durchzusetzen und dass die Verhandlungen noch laufen würden, aus dem Büro der zuständigen ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler verweist man darauf, dabei schon sehr weit zu sein. Vielleicht kommt es also doch noch zur gewohnten österreichischen Lösung in Sachen Informationsfreiheitsgesetz. Dann heißt es mal wieder: Zurück an den Start.