Der Arbeitskräftemangel und die Kinderbetreuung
Kinder sind oft ein Hindernis für eine Vollzeittätigkeit. Das ist die häufigste These bei der Interpretation von Arbeitsmarktdaten, eine Aussage fast aller Parteien, von Arbeitsmarkt– oder Wirtschaftsvertretern und auch der Gewerkschaft.
Dabei wird meist als Zielwert von einer Betreuung gesprochen, die sich mit einem Nine-to-Five-Job an fünf Tagen die Woche vereinbaren lässt. Weniger berücksichtigt wird, dass sehr viele Berufe keine Arbeitszeiten zwischen neun und fünf haben. Wer im Handel arbeitet, muss je nach Branche zwischen fünf und sieben in der Früh anfangen oder nach Ende der Öffnungszeiten noch ein bis zwei Stunden nacharbeiten. Wer in der Pflege oder bei der Polizei arbeitet, muss auch Nacht- und Wochenenddienste mit dem Familienleben vereinbaren. Auffällig dabei ist: Gerade systemrelevante Berufe zeichnen sich durch sogenannte Randzeiten aus und sind umso schwieriger mit Kinderbetreuung zu vereinbaren.
Systemrelevant mit Kind daheim
Ein gutes Beispiel dafür ist schon der Job von Elementarpädagog:innen. Immer mehr werden benötigt, für mehr Qualität sollten die Gruppen verkleinert werden, und damit ist noch mehr Personal nötig. Das gibt es aber nicht – also geht der Ausbau nur sehr langsam voran. Was unter diesem Aspekt besonders problematisch ist. Denn aktuell ist nur rund die Hälfte der Kindergartenplätze mit einer klassischen Vollzeittätigkeit vereinbar.
Man weißt auch, dass gut ein Drittel der Frauen aufgrund von Betreuungspflichten nicht in Vollzeit arbeitet. In welchen Berufen sie tätig sind, wird bei diesen Statistiken aber nicht angegeben. Klar ist aber, dass viele systemrelevante Berufe einen hohen Frauenanteil in der Workforce haben. Pflege, Bildung und Handel zählen als weiblich dominiert, die Polizei und der öffentliche Verkehr sind nach wie vor männlich dominiert. Interessanterweise hat das bisher keine großen Probleme gemacht, und bislang hat sich niemand lautstark beschwert, dass eine Samstagsschicht mit dem Kindergarten nicht vereinbar ist. Auch in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder der Gastronomie scheint die Vereinbarkeit wohl mithilfe von Großeltern, Partnern oder verschiedenen Diensträdern irgendwie funktioniert zu haben. Trotz aller Umbrüche wurde das während der Pandemie aber nur wenig thematisiert. In Deutschland wurden Listen mit systemrelevanten Berufen veröffentlicht, Kinderbetreuung war eigens zugänglich, und vielfach wurden Artikel darüber geschrieben. In Österreich waren die Rollenwechsel und die Aufteilung der Care-Arbeit lediglich in der ersten Nachbetrachtung ein Thema.
Keine Lust auf All-in
Doch die Arbeitswelt und die arbeitende Bevölkerung ändern sich. Work-Life-Balance spielt eine größere Rolle, Zeitausgleich ist bei einigen beliebter als Überstundenpauschalen, und immer mehr Jungeltern wohnen nicht mehr in der Nähe von Großeltern, damit diese zum Aufpassen einspringen können. Kurzum: Es braucht alternative Lösungen. Das öffentliche Kindergartensystem bietet dafür aber keine Lösung – gemäß Kinderbetreuungsmonitor gibt es in ganz Österreich nämlich nur sieben Kindergärten, die an mehr als fünf Tagen die Woche geöffnet haben.
Natürlich können die meisten Gemeinden kein Angebot über sechs oder gar sieben Tage die Woche hinweg anbieten. Noch dazu, wenn damit sowohl Frühschichten im Handel als auch mit Nachtdiensten in der Pflege vereinbar sein sollten. In Städten könnte man gewisse Möglichkeiten erwarten, immerhin sind dort wohl auch mehr Eltern mit diesem Bedarf zu finden. Wie so oft gibt es aber auch da die Grauzonen der Statistik: Betriebskindergärten etwa sind im Kinderbetreuungsmonitor nicht erfasst . Das macht den Einblick über deren Öffnungszeiten aber noch schwieriger. Das AKH Wien hat auf der Website des Kindergartens nur Montag bis Freitag angegeben, die Uni-Klinik in Graz dürfte durchgehend offen haben.
Flexibilität für alle
Solche Varianten von Kindergärten sind natürlich auch schwieriger zu bezahlen. Kindergärten sind Gemeindeangelegenheit, wie in so vielen Bereichen spielen aber Länder und Bund auch mit, stellen Geld zur Verfügung und geben Ausbauziele vor. Bei Betriebskindergärten ist es sehr viel komplizierter, öffentliche Finanzierung zu bekommen. Obwohl sie ja öffentliche Kindergärten entlasten. Spricht man von Krankenhäusern oder großen Industriebetrieben, wird sich ein Betriebskindergarten aufgrund der Mitarbeiteranzahl verhältnismäßig leicht auszahlen. Auch wenn von Einkaufszentren wieder der Wunsch nach offenen Sonntagen geäußert wird, wie aktuell in Oberösterreich, könnte ein eigener Kindergarten angeboten werden.
Mittlerweile verwenden viele Unternehmen Betriebskindergärten auch aktiv als Anreiz, um Beschäftigte zu entlasten und von einem Arbeitswechsel zu überzeugen. Gerade die kleinteiligen, öffentlichen Aufgaben haben aber oft keine Zentrale, die sich für einen Kindergarten anbieten würde. Öffentlicher Verkehr geht von vielen Orten aus, auch bei kleineren Polizeistationen wäre es wohl schwierig, eine Betreuung zu organisieren. Als naheliegende Lösung (in ausreichend großen Gemeinden) könnte man auf flexiblere Arbeitszeiten in öffentlichen Kindergärten setzen. Anstelle von maximal acht Stunden an einem Tag, die an fünf Tagen die Woche erfüllt werden müssen, könnten zwei oder drei Pädagog:innen eine Gruppe auch in Diensträdern betreuen. Das bedeutet natürlich auch für Pädagog:innen flexiblere Zeiten und statt eines Samstags einmal einen freien Mittwoch. Zusätzlich wird die Verantwortung auf mehrere Personen aufgeteilt, was zwar mehr Absprache braucht, aber auch den Support untereinander gegenüber Eltern verbessern könnte.
In Kleingemeinden würde aber selbst damit kaum etwas erreicht werden. Zu sehr kämpfen die einzelnen Ortschaften um Räume und Mitarbeiter:innen, oft dürfen nur Gemeindeeinwohner den Kindergarten nutzen, und damit wären die Besuchszahlen jedenfalls zu niedrig. Stattdessen bieten sich Kooperationen mit Tageseltern an, die in Diskussionen über Kinderbetreuung oft vergessen werden. Dabei kann gerade dieses qualifizierte Personal niederschwellig die kleinteilige Betreuung anbieten, die Gemeinden sonst in den finanziellen Ruin treibt. Man müsste nur über den Tellerrand blicken – und damit im Idealfall auch einen kleinen Anreiz für Vorteile in diesen Mangelberufen setzen.