Die Koalition im U-Ausschuss: Die Arena ist eröffnet
Mitten in einem Wahlkampf ist wahrscheinlich nicht der richtige Moment zu philosophieren, was von einer scheidenden Regierung bleiben wird. Wie viel bleibenden Impact die türkis-grüne Koalition hat, wird erst im Nachhinein entschieden. Aber eines zeichnet sich schon ab: Im Bereich U-Ausschüsse könnten die ÖVP und die Grünen einen nachhaltigen Kulturwechsel in Österreich ermöglicht haben.
Denn zum ersten Mal in der Geschichte wurde ein Untersuchungsausschuss angesetzt, in dem ein Koalitionspartner den anderen untersucht. Zuvor war auch die parlamentarische Untersuchung strikter Teil der Koalitionsdisziplin: Innerhalb der Regierung kritisiert man einander nicht, hält dicht und bleibt sich schuldig, einander auch im gegenteiligen Fall zu verteidigen.
Besonders im COFAG-Untersuchungsausschuss haben die Grünen mit ihrem Verhalten gegenüber dem türkisen Partner diese Koalitionsdisziplin endgültig beendet: Dort fragten sie bei aktuellen und früheren Politikerinnen und Politikern der ÖVP nach, als wären sie nach wie vor in Opposition. Der Stil der Befragung unterschied sich zwischen dem U-Ausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ und dem über umstrittene COVID-Förderungen kaum – nur die Fragen an einen durch die Grünen besetzten Herrn waren gehemmter. Aber dem Koalitionspartner der ÖVP waren einige Fragen sichtlich unangenehm, ähnlich wie die Fragen von NEOS, SPÖ und FPÖ.
Jetzt kann man schon anmerken, dass die Grünen das aus einer nicht vollständig fehlerfreien Position heraus machen. Die ÖVP, die von ihr kritisch befragt wird, durfte nach wie vor mit grüner Unterstützung weiterregieren, wesentliche Verfehlungen beziehen sich auf die Legislaturperiode, in der die Grünen selbst Macht und Ämter genossen. Gerade beim Thema der russischen Unterwanderung müssen sich die Grünen gefallen lassen, nichts gegen die Abhängigkeit von russischem Gas getan zu haben. Aber deshalb jede Fragestellung zu entwerten, wäre falsch – es ist gut, dass auch Regierungspartner konstruktiv zur Kontrolle beitragen.
Für die nächste Legislaturperiode könnte das einen positiven Anlassfall geben. Eine Neuauflage der türkis-blauen Koalition, diesmal unter umgekehrten Vorzeichen, könnte unterschiedliche Meinungen dazu haben, ob es einen U-Ausschuss über den Umgang der Republik mit Russland geben soll. Die Volkspartei war zwar selbst in den Regierungen vertreten, die unsere Abhängigkeit von russischem Gas verantworten, trotzdem dürfte der FPÖ das Thema deutlich unangenehmer sein – Stichwort aufrechter Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei „Einiges Russland“. Würden potenzielle Koalitionspartner der FPÖ sich also frei fühlen, eine Untersuchung über ihre Beziehungen nach Russland mitzutragen, wäre viel gewonnen.
So ein Zeichen wäre auch ein gutes Signal für den Nationalrat. Dass er nur allzu oft zur „verlängerten Werkbank“ der Regierung wird, die mit knapper Mehrheit „drüberfährt“, während sie sinnvolle in Ausschüssen auf ewig vertagt, ist eine Unkultur, die Österreich dringend verlernen sollte. Bei den U-Ausschüssen der Sache statt der Koalition verpflichtet zu sein, ist ein wichtiger Präzedenzfall dafür, was es in Österreich dringend braucht: ein starkes Parlament.
Es bleibt zu hoffen, dass auch in der nächsten Regierung nicht die Koalitionsräson im Vordergrund steht, sondern die parlamentarische Kontrolle. Die U-Ausschüsse sind ein guter Anfang dafür.